Meisterschaft der Bayern-Basketballer:Triumph mit speziellen Gefühlen

Alba Berlin - Bayern München

Der Liga-Neuling holt den Titel: Bayer Münchens Spieler um Steffen Hamann feiern den Gewinn der Deutschen Meisterschaft.

(Foto: dpa)

Selten hat ein Klub im deutschen Basketball so polarisiert: Mit dem Gewinn der Meisterschaft erlebt der FC Bayern nach einer anstrengenden Saison eine besondere Genugtuung. Für die Pointe im Finale gegen Alba sorgt ausgerechnet ein ehemaliger Berliner.

Von Gerald Kleffmann

Ehe die wertvolle Fracht an Bord des Fluges LH 2035 durfte, musste sie durch den Scanner, unscheinbar, fast wie eine Blumenvase aus dem Baumarkt, sahen darin die 6,4 Kilogramm aus, hergestellt von der Silbermanufaktur Koch & Bergfeld aus Bremen, die auch für die Champions-League-Trophäe im Fußball verantwortlich ist.

Steffen Hamann war es, der den Aufpasser mimte, dem Vernehmen nach hatte der Aufbauspieler den Pokal schon bei den Feierlichkeiten zunächst in einem Fünfsterne-Hotel, wo Chicken, Burger und Currywurst mit Pommes serviert wurden, und später im Nacht-Club Avenue kaum aus den Augen gelassen. Im Grunde aber war kaum ein Objekt je so sicher vor feindlicher Übernahme, seit 48 Partien hatten ja diese quasi Neuankömmlinge in der höchsten deutschen Spielklasse nichts anderes im Sinn gehabt, als diese verdammten 59 Zentimeter im Juni in die Höhe zu recken - um es allen zu zeigen.

Und jetzt haben sie es allen gezeigt. Punktladung in Spiel vier, ein letztes souveränes 75:62 (33:30) bei Alba Berlin, 3:1 in der Serie und, klar, spezielle Gefühle allerseits. Das ist die Geschichte des 69. deutschen Basketball-Meisters.

Selten hat ein Meister so polarisiert

Selten haben derart viele Emotionen ein Team auf dem Weg zum Titelgewinn begleitet, selten hat ein Meister derart polarisiert. Im Moment des Triumphes brach sich vielsagend die Erlösung Bahn. "Ich bin richtig stolz auf meine Mannschaft, das klingt altmodisch", sprach Trainer Svetislav Pesic, der Blick glasig vor Rührung. "Es ist ein wahnsinniges Glücksgefühl", frohlockte Heiko Schaffartzik, "wenn man sieht, mit welchem Hass die Fans nicht nur mir, sondern auch Trainer Pesic begegnet sind, der Alba zu dem gemacht hat, was es ist, ist das schon aus dem Grund eine Genugtuung."

Bei Geschäftsführer Marko Pesic, wie sein Vater viele Jahre in Berlin im Einsatz, hörte sich die Freude so an: "Es gab in dieser Saison viel Druck von außen. Das hat uns stärker gemacht und wird uns auch weiter stark machen."

Die Werte, um die es am Mittwochabend in der Berliner Arena ging, hatten wenig mit materiellen Dingen zu tun, was viel über den Antrieb der Bayern verriet. Die Größe der Münchner wurde einerseits als Segen bewertet, weil sie die BBL kraft ihres Namens bedeutsamer erstrahlen lässt. Andererseits traten aber auch Debatten über die bajuwarische Dominanz zu Tage. Bayern ist reich, hat Geld, kauft Spieler weg, geliebter Feind, so werden sie mancherorts empfunden, auch, weil es die Münchner Kritikern manchmal leicht machen, zu mäkeln, mosern, piesacken.

Allein vier Profis luchsten die Bayern zu Saisonbeginn Alba ab und fanden das völlig normal. Die Spielerpreisspirale ist am Steigen, und die beiden Pesics, Instanzen zweifellos, zeigten oft genug, dass sie die Deutungshoheit für sich in Anspruch nehmen. Oft genug haben sie recht, etwa damit, dass ihr Team mit den Leistungen in der Euroleague-Premierensaison noch viel mehr Anerkennung hätte ernten müssen.

Der Ex-Berliner Schaffartzik sorgt für die Pointe

Doch mit dem Tonfall und Zeitpunkt ist es so eine Sache, zuletzt echauffierten sie sich etwas zu aufgeregt über flache Spitzen des Alba-Geschäftsführers Marco Baldi. Wenngleich selbst bei der Tirade vor wenigen Tagen eine Stärke der Bayern deutlich wurde: ihr Zusammenhalt, ihre Wagenburg-Mentalität, ihr Stolz und auch ihr Trotz, ihre Klasse beweisen zu wollen.

Gegenspieler haben sie sich zur Genüge herangezogen, ohne diese lässt sich Leistung ja nur schwer bemessen. Dass etwa Liga-Chef Jan Pommer den Pokal und Liga-Präsident Thomas Braumann die Medaillen überreichten, war eine von zwei Pointen. Mit beiden Funktionären sind die Bayern, die für mehr Professionalität im Liga-Management einstehen, mehrmals aneinander geraten.

Die andere Pointe bot Heiko Schaffartzik, der frühere Berliner Profi, dem die dortigen Fans wiederholt hässliche Dinge übermittelt hatten wie ein aufgehängtes Trikot samt "Verräter"-Schmähgruß. "Der hat Eier, der nimmt in der hitzigsten Phase eines Matches den wichtigsten Wurf", das hatte ein Basketball-Manager vor der Saison mal gesagt, und genau das hatte der 30-jährige Nationalmannschaftskapitän jetzt zur Strafe wieder getan: Er warf aus unglaublichen sieben Metern drei Dreier in den Berliner Korb, als das Spiel gut zehn Minuten vor Schluss seine letzten Spannungsmomente hatte. Er würgte Hoffnung und Stimmung unter den 13 434 Fans ab.

Als der Sieg in der von verpassten Chancen geprägten Partie nicht mehr zu verspielen war und Schaffartzik, die Mischung aus Straßenkämpfer und Feingeist, ausgewechselt wurde, gönnte er sich eine Geste - und verbeugte sich mit Knicks. Guard Malcolm Delaney, als bester Akteur der Finalserie ausgezeichnet und vor dem Wechsel zu einem noch größeren Klub, wäre auch ein guter Protagonist für den letzten Akt gewesen, der Amerikaner war von Albas Geschäftsführer Marco Baldi als Schauspieler bezeichnet worden. Diesmal aber hielt der 25-Jährige nicht ganz sein hohes Niveau (sieben Punkte).

Die Bayern wollten den Rathaus-Balkon nicht buchen

Zukunftsplanungen standen indes nicht sofort auf der Agenda, "das ist ein großer Erfolg, wir wollen so weitermachen und es am besten auch nächstes Jahr schaffen", kündigte Pesic sr. nur an. Interessant wird ihre vierte BBL-Saison nach dem Aufstieg 2011 schon deshalb, weil der Pate des Prestigeprojekts, Uli Hoeneß, ja vorerst andere Sorgen hat.

Vize Rudolf Schels ist am Ruder, wobei der frühere FCB-Präsident nicht vergessen wurde. "Er hat mit seinem Präsidium den Basketball in München etabliert", sagte Coach Pesic dankend, und Geschäftsführer Pesic ergänzte: "Wir widmen ihm diesen Titel"; es ist der dritte nach 1954 und 1955. Entgegen gewisser Gepflogenheiten der Kicker-AG wurde der Erfolg allerdings nicht auf dem Rathausbalkon zelebriert, sondern vor der eigene Halle im Westen der Stadt. Auch aus Aberglaube wollte man diesen nicht buchen. Basketball ist eben nicht Fußball, Spiele kippen schnell.

Dass die Bayern jedoch angelangt sind auf dem Niveau, wo sie sich sehen, machte Marko Pesic mit einem schönen Bild klar: "Es ist so, wie wenn du nach einer langen Auswärtsreise nach Hause kommst und dein Sohn sagt: ,Papa, ich freue mich, dass du da bist.' So geht es mir gerade."

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