Urteil zu Kosten für Polizeieinsätze:Eine Geldwalze überrollt den Fußball

Was sind schon 415 000 Euro für Polizeikosten, angesichts der absurden Summen, die der Fußball umsetzt? Das Bundesverwaltungsgericht sollte das Millionengeschäft in die Verantwortung nehmen.

Kommentar von Ralf Wiegand

Bevor man über die 415 000 Euro für die Kosten eines Polizeieinsatzes redet, um die es vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig an diesem Freitag geht, empfiehlt sich eine rasche Bestandsaufnahme aus der bunten Welt des Fußballs.

Der Betrag, den nach Ansicht der Stadt Bremen nicht mehr der Staat, mithin der Steuern zahlende Bürger, sondern die Deutsche Fußball-Liga (DFL) als Dachorganisation der Profiklubs und Veranstalter der Bundesliga bezahlen soll, ist ein Witz angesichts der Geldwalze, die den Fußball überrollt. Sogar die Manager, die in diesem Gewerbe tätig sind, stehen einigermaßen ratlos vor der beispiellosen Explosion von Ablösesummen und Gehältern von Spielern.

Alles ist möglich, was kostet die Welt?

Es ist wie ein Naturgesetz, dass 80 Millionen Euro für diesen Kicker (aktuell etwa den Franzosen Lucas Hernandez), 200 Millionen Euro für jenen, demnächst vielleicht sogar 250 Millionen Euro für Neymar gezahlt werden müssen, falls der Brasilianer, wie immer wieder mal kolportiert, tatsächlich von Paris nach Madrid umziehen sollte: Alles ist möglich, was kostet die Welt? 415 000 Euro wären da wahrlich keine Summe, gegen die sich die DFL wehren müsste - wenn dahinter nicht die beinahe kulturelle Frage mitschwingen würde, wem der Fußball eigentlich gehört.

Die Fantastilliarden, die in diesem Geschäft bewegt werden, sind längst vollkommen abgekoppelt von den Gehältern jener Menschen auf den Tribünen und vor den Fernsehern. Die Kosten für die auf immer mehr Pay-Sender aufgesplitteten Spiele steigen, die Termine werden immer unübersichtlicher. Spiele am Sonntagmittag oder Montagabend sind für Auswärtsfans die reinste Zumutung. Ein Vertreter des DFB-Hauptsponsors hat auch schon laut darüber nachgedacht, dass deutsche Pokalfinale in, sagen wir mal, Shanghai auszutragen. Geht's noch?

Die kreative Geldbeschaffung hat einen Grund. Die deutsche Bundesliga, deren Klubs etwa vier Milliarden Euro pro Jahr umsetzen, konkurriert im globalisierten Sport mit den "Vereinen" (besser wäre der Begriff Konzerne) aus England, Spanien oder Frankreich um Marktanteile im Rest der Welt. Die Namenszüge der Spieler von Paris Saint-Germain sind vor einem Jahr in chinesischen Schriftzeichen auf die Trikots gebügelt worden, damit die Anhänger im Reich der Mitte auch genau wissen, welches Leibchen sie im Pekinger Fanshop kaufen sollen. Die Vereine haben - bis auf ganz wenige - ihre Profiabteilungen in Kapitalgesellschaften ausgegliedert, eine einflussreiche Gruppe von Klub-Bossen kämpft nun darum, dass auch in Deutschland Investoren ungezügelt einsteigen dürfen. In England, wo das längst der Fall ist, gibt es kaum noch einen Spitzenklub, der Dauerkarten unter 1000 Pfund anbietet - für die billigsten Plätze.

Die Rechnung zahlt der Veranstalter

Das ist die Ausgangslage - und trotzdem wird nun auf zweithöchster Ebene kein Urteil darüber gesprochen, ob Fußball noch ein gesellschaftliches Allgemeingut ist oder doch schon ein reines Produkt. Dieses Urteil fällt die Gesellschaft selbst, auf einer Metaebene der Zuneigung oder Abkehr. Das Gericht kann lediglich festhalten, dass Kosten, die das übliche Maß solcher Show-Veranstaltungen übersteigen, dem Veranstalter in Rechnung gestellt werden dürfen - weil sein wirtschaftlicher Erfolg auch auf der Sicherheit dieser Spiele basiert. Eine solche Entscheidung kann ein weiterer Fingerzeig sein, dass sich der Wind dreht: Fans protestieren schon lange gegen die nach oben offene Kommerzskala, das Klima in den Stadien wird aggressiver, immer mehr Spiele verschwinden hinter kreativen Bezahlschranken, Zuschauer organisieren Stimmungsboykotts oder wie neulich in Frankfurt massenhaften Widerstand gegen die verhassten Montagsspiele.

König Fußball hat sich jahrzehntelang alles erlauben können. Jetzt könnte ihm, per Gerichtsbeschluss, ein Zacken aus der Krone brechen.

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