Matthias Sammer als neuer Bayern-Sportchef:Zeit für den Quereinsteiger

Lieber Schalter als Verwalter: Mit der Verpflichtung von Matthias Sammer als Sportdirektor will der FC Bayern zurück zu alter Stärke finden. Er soll mehr Profil in den Verein bringen als Christian Nerlinger. Das wird ein spannendes Experiment. Aber es ist Zeit dafür.

Klaus Hoeltzenbein

Man kann Uli Hoeneß, 60, ja immer mal wieder etwas vorwerfen, aber nicht, dass er sich dagegen gesträubt hätte, die Macht über den Verein, den er so erfunden hat, wie er heute ist, an andere weiterzugeben. Das bestätigt auch die Personalie, auf die der FC Bayern bei der Suche nach einer verlässlichen Zukunft verfallen ist. In Matthias Sammer wurde einer erwählt, an dem sich gerade Hoeneß früher oft gerieben hat, wohl auch, weil er ihm in wesentlichen Charakterzügen nicht unähnlich ist.

Auch Sammer, der nie beim FC Bayern aktiv war, hat sich schon als Spieler auf seine Instinkte, sein Bauchgefühl verlassen; er hat nicht lange abgewogen, ehe er sich in Gegners Hälfte stürzte. Sammer, der Rotschopf, der Europameister von 1996, konnte den Blutdruck in einer Mannschaft hoch halten; mit seiner Leidenschaft in der Sache hat er zuletzt die Nachwuchsarbeit im DFB vitalisiert.

Die Wahl dieses Nachfolgers ist somit zugleich der schärfste Ausdruck der Kritik an seinem Vorgänger. In Christian Nerlingers dreijährigem Wirken war selten zu erkennen, ob und wie er dem Klub etwas Eigenes hinzufügen könnte, frische Energie, einen überraschenden Transfer, eine Attitüde wenigstens, an der sich die Konkurrenz reiben muss. Er tat seinen Dienst, er versah ihn loyal, nur ist das zu wenig für jemanden, der ein Unternehmen nicht nur verwalten, sondern stilbildend prägen soll.

Was aber am Bedrohlichsten ist für die Bayern-Oberen: Auf dem Spiel steht ihre Marktführerschaft. Dortmund zog sportlich in der Bundesliga vorbei, plötzlich ist da ein Rivale erwachsen, der strategisch und langfristig arbeitet. Anders als Bremer, Stuttgarter, Wolfsburger, denen die Bayern in Übergangsjahren zwar auch mal einen Meistertitel überlassen mussten, jedoch im Urvertrauen darauf, dass die Klubs sich überheben und im Folgejahr schon wieder Achter werden würden. Nun droht der dritte Dortmunder Titelgewinn in Serie, zugleich wirkt das Münchner Stammpersonal ausgelaugt vom Vize-Vize-Vize-Sammeln und den Strapazen der EM.

Kein Zweifel, es braucht Ideen, frische Impulse, in so einer Situation lässt man sich leichter auf einen als unbequem bekannten Quereinsteiger ein, der nicht mal Münchner Stallgeruch hat. Sportchef Sammer: Das wird ein spannendes Experiment. Aber es ist Zeit dafür. Uli Hoeneß fürchtet um sein Erbe.

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