Massenspurt :Streit um einen Schlenker

Mark Cavendish gewinnt die 14. Etappe, Marcel Kittel fühlt sich benachteiligt: Der Deutsche wirft dem Sieger einen unerlaubten Bogen nach rechts vor. Die Jury sieht das anders.

Von Johannes Aumüller, Villars-les-Dombes

Als sie ganz in der Nähe eines wunderschönen Vogelparkes über die Ziellinie fuhren, gingen die Arme der beiden maßgeblichen Protagonisten des Tages nur kurz hintereinander nach oben. Mark Cavendish, der 31-jährige Sprinter von der Isle of Man, zeigte stolz vier Finger in die Luft. Vier Mal, so oft hat er bei der diesjährige Tour de France schon in einem Massensprint triumphiert. Und Marcel Kittel, der 28-jährige Sprinter aus Arnstadt, reckte den Arm samt geballter Faust weit nach oben, als Zeichen seines Protestes über eben diesen vierten Tagessieg von Cavendish.

Folgendes war passiert: Nach einer mehr als sechsstündigen Fahrt holte das Feld eine Ausreißergruppe passgenau fünf Kilometer vor dem Ziel ein, es formierten sich die Züge der Sprinter, der von Kittels Etixx-Team formierte sich am besten, und so ging der Deutsche als Erster auf die letzten Meter. Er sprintete auf der aus Fahrersicht rechten Seite, direkt neben den Absperrungen, Cavendish nahm Geschwindigkeit auf und begann an ihm vorbeizuziehen, und dann, ja, was dann passierte, erregte eben die Gemüter. Kittel sah es so, dass Cavendish einen unerlaubten Schlenker nach rechts gefahren sei. Cavendish wiederum sah es so, dass er seine Linie klar gehalten und Kittel ein Stück nach links gefahren sei. Und die Jury wiederum sah es so, dass alles in Ordnung gewesen sei in diesem Finale der schnellen Männer.

Cavendish 4, Kittel 1, Andre Greipel 0, das ist damit vorerst die Bilanz der Massensprints, und den Lotto-Mann Greipel dürfte es besonders gewurmt haben, dass er auch an diesem Tag als Sechster wieder chancenlos war. Immerhin war es sein 34. Geburtstag. Bisher hat er noch bei jeder Teilnahme an einer großen Rundfahrt mindestens einen Tageserfolg errungen, aber viele Gelegenheiten für den ersehnten Etappensieg bei der Tour 2016 ergeben sich nun nicht mehr.

Am Montag ist das Ziel in der Schweizer Hauptstadt Bern, allerdings nach einer durchaus hügeligen Fahrt, die durchaus auch den Baradeuren Gelegenheiten geben könnte zu einem erfolgreichen Ausreißversuch. Und dann folgt in einer Woche das Prestigefinale auf den Champs-Elysees. Bei den vergangenen sieben Auflagen der Frankreich-Rundfahrt gab es auf der traditionellen Kopfsteinpflaster-Ankunft nur drei verschiedene Sieger. Sie hießen Cavendish (2009/10/11/12), Kittel (2013/14) und Greipel (2015) - und es sollte doch sehr verwundern, falls es in diesem Jahr einen anderen Namen gibt.

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