Martina Hingis in Wimbledon:Siege wie aus einem anderen Leben

Wimbledon Championships

Beim Sport steht Sania Mirza die Schweizerin Martina Hingis (links) zur Seite.

(Foto: Facundo Arrizabalaga/dpa)
  • Mit 17 hat Hingis zuletzt einen Titel in Wimbledon gewonnen. 17 Jahre später triumphiert sie im Doppel und im Mixed.
  • Hingis spielt erst seit 2013 wieder Tennis - im Doppel und im Mixed.
  • Seit diesem Jahr hat sie eine neue Doppelpartnerin, die Inderin Sania Mirza. Sie gewann ihren ersten Grand-Slam-Doppel-Titel mit Hingis.

Von Lisa Sonnabend, Wimbledon

Martina Hingis kriegte sich gar nicht mehr ein vor Lachen. Sie war von ihrem Stuhl aufgesprungen, voller Energie auf den Platz getrabt - allerdings nicht auf die Seite zu ihrer Doppelpartnerin, sondern versehentlich zu ihren Gegnerinnen. Henri Leconte oder Goran Ivanišević hatten zuvor ähnliche Späßchen aufgeführt. Doch Hingis, die Wimbledon-Siegerin von 1997, nahm, anders als die beiden ehemaligen Profis, nicht am lockeren "Turnier der Legenden" teil. Die 34-jährige Schweizerin war im Doppel-Finale des Hauptwettbewerbs dabei, und das hatte soeben seine dramatische Phase erreicht. Dennoch kicherte sie, sie schüttelte sich vor Lachen.

5:7, 7:6 (4), 2:5 lagen Hingis und die Inderin Sania Mirza am Samstagabend im Endspiel gegen die Russinnen Jekaterina Makarowa und Jelena Wesnina bereits zurück, doch sie kämpften sich zurück. Beim Stand von 5:5 musste das Dach des Centre Courts wegen der Dunkelheit geschlossen werden, das Flutlicht ging an - und Hingis marschierte versehentlich auf die falsche Platzseite. Wenige Ballwechsel später hatten Hingis und Mirza 7:5 gewonnen.

Die Schweizerin hielt wieder einen Pokal in den Händen - 18 Jahre, nachdem sie als 16 Jahre altes Mädchen in Wimbledon den Einzeltitel geholt hatte; 17 Jahre nach ihrem letzten Triumph im Doppel. Ein halbes Leben ist seitdem vergangen. "Ich hätte vor ein paar Jahren nie gedacht, dass ich hier noch einmal ein Finale spiele", meinte Hingis nach der Partie. Dann sagte Hingis noch: Die Siege von damals kämen ihr inzwischen vor "wie aus einem anderen Leben".

2003 gab Hingis als 22-Jährige ihren Rücktritt bekannt

Tatsächlich wirkt die ehemalige Weltranglistenerste verändert. Sie schaut nicht mehr so verbissen wie einst. Ihre Augen strahlen, egal ob sie zurückliegt oder führt. Die Zuschauer feuern sie an, sie feiern sie. Hingis ist eine imposante Rückkehr nach Wimbledon gelungen. Sie gewann nicht nur den Doppel-Titel, sondern auch das Mixed-Finale; mit dem Inder Leander Paes besiegte sie Alexander Peya (Österreich) und Timea Babos (Ungarn) 6:1, 6:1.

2003 gab Hingis im Alter von nur 22 Jahren ihr Karriereende bekannt. Verletzungen plagten sie, es fiel ihr immer schwerer, mit den besten Spielerinnen mitzuhalten. Nur drei Jahre später jedoch kam sie zurück, sie spielte sich wieder bis auf Rang sechs der Weltrangliste vor. Beim Wimbledon-Turnier 2007 fanden Dopingkontrolleure in einer Probe jedoch Kokain-Spuren, Hingis zog sich erneut zurück. 2013 erfolgte das zweite Comeback - wenn auch nur noch im Doppel und Mixed.

Plauderei wie beim Kaffeeklatsch

Hingis erreichte im vergangenen Jahr mit der Italienerin Flavia Pennetta das Doppel-Finale der US Open. Mit Mirza läuft es nun sogar noch besser. Erst im Frühjahr schloss sich Hingis mit der derzeit besten Doppelspielerin der Welt zusammen, die ersten beiden Turniere gewannen sie sogleich. In Wimbledon holte Hingis nun ihren zehnten Grand-Slam-Titel im Doppel. Für die 29 Jahre alte Mirza war es der erste.

Die beiden Spielerinnen ergänzen sich gut: Während Mirza stark von der Grundlinie spielt, bewacht Hingis das Netz. Sie antizipiert Bälle wie einst, ist noch immer extrem reaktionsschnell bei den Volleys und wenn es sein muss, zieht sie erbarmungslos durch. Das Selbstvertrauen der 34-Jährigen ist groß wie früher. Als sie im Finale zurücklagen, war es Hingis, die Mirza antrieb, ihr Mut machte, Ruhe und Vertrauen ausstrahlte. Während der Seitenwechsel plauderten die beiden, als wären sie zum Kaffeetrinken verabredet.

Als Hingis 1997 den Einzel-Titel holte, warf sie nur dreimal zaghaft die Hände in die Luft. Sie lächelte, strahlte aber nicht. Als Hingis und Mirza den ersten Matchball verwandelten, ließen sie ihre Schläger fallen. Sie hüpften wie Kängurus aufeinander zu, tanzten ausgelassen über den Platz. Doch eines in diesen Tagen wurmte selbst die gutgelaunte Hingis: Die drei vergangenen Damen-Endspiele hatte sie von der Royal Box aus verfolgt, auch diesmal hatte sie eine Einladung erhalten. Sie musste absagen. "Ich musste mich ja auf das Doppel vorbereiten", klagte sie. Und kicherte selbstverständlich dabei.

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