Martin Schmitt bei der Vierschanzentournee:Soweit ihn die Bretter tragen

Four Hills Tournament - Oberstdorf Day 2

Steht in Garmisch sein letzter großer Auftritt an? Martin Schmitt

(Foto: Bongarts/Getty Images,)

Plötzlich interessierten sich die Deutschen sogar fürs Mattenspringen: Martin Schmitt machte das Skispringen zu einer der populärsten Sportarten des Landes. Bei der Tournee-Station in Garmisch bekommt der 35-Jährige noch einmal einen großen Auftritt - es dürfte der letzte seiner Karriere sein.

Von Lisa Sonnabend

Hoch oben auf dem Schanzenturm ist ein kleiner, dunkelgrüner Punkt zu erkennen. Die Zuschauer beginnen zu jubeln, sie schwenken aufgeregt ihre Deutschlandfähnchen. Dann gleitet der grüne Punkt die Schanze hinunter, Martin Schmitt springt ab und fliegt. 25.000 Menschen brüllen: "Ziiiiieh!" Doch als der 35-Jährige landet, herrscht plötzlich Stille an der Oberstdorfer Schanze wie sonst nur nachts, wenn lediglich die Füchse am Fuße des Schattenbergs entlang schleichen. Nur 121 Meter. Der Finaldurchgang findet ohne Martin Schmitt statt. Das war es - zumindest für diesen Nachmittag.

Martin Schmitt hat 28 Weltcupspringen gewonnen, zweimal sicherte er sich den Gesamtweltcup, er war viermal Weltmeister, in Salt Lake City wurde er Olympiasieger. Die großen Erfolge sind alle mehr als zehn Jahre her. Dennoch tritt Schmitt auch in dieser Saison noch einmal bei der Vierschanzentournee an, zum 18. Mal.

Ob es der letzte Auftritt in Oberstdorf gewesen ist, wird Schmitt beim Auftaktspringen am Sonntag gefragt. Er neigt den Kopf zur Seite, blinzelt und sagt: "Ich gehe davon aus." Ein wenig trotzig schiebt er hinterher: "Ich gucke aber noch nicht zurück."

An Neujahr springt Schmitt in Garmisch, es dürfte der letzte Weltcup-Sprung seiner Karriere sein. Schmitt gehört in dieser Saison nicht zum Weltcup-Team des DSV, die Teilnahme an der Vierschanzentournee hat er sich durch seine Leistungen im zweitklassigen Continental Cup erarbeitet.

Nach den beiden deutschen Stationen der Tour wird er wohl aus dem DSV-Aufgebot gestrichen. Der 36. Rang in Oberstdorf war zu wenig, in Garmisch müsste nun eine überragende Weite her. Das wäre eine Sensation.

"Damit er weiterfährt, müsste schon deutlich mehr kommen", stellt vor dem zweiten Tourneespringen auch Bundestrainer Werner Schuster klar. Immerhin ein letzter großer Auftritt bleibt Schmitt in Garmisch, ehe eine lange Karriere zu Ende gehen könnte.

Schmitt-Mania in Deutschland

Four Hills Tournament - Oberstdorf Day 1

Die Zuschauer brüllen: "Ziiiiieh". Dann herrscht Stille: Martin Schmitt beim Probedurchgang in Oberstdorf.

(Foto: Bongarts/Getty Images,)

Gemeinsam mit Sven Hannawald sorgte Schmitt Ende der Neunziger dafür, dass Skispringen eine der populärsten Sportarten in Deutschland wurde. Sogar fürs Mattenspringen interessierten sich die Deutschen plötzlich, in den Turnhallen neben den Schanzen übernachteten Teenager in Bettwäsche, die so lila war wie Schmitts Sponsor. In Furtwangen im Schwarzwald, der Heimatgemeinde des Skispringers, wurde eine Straße nach ihm benannt, sie führt am Fuße eines Hügels entlang. In den USA erschienen damals Berichte über die Schmitt-Mania, die der Springer in seiner Heimat ausgelöst hatte.

Nach Olympia 2002 begann jedoch der Absturz. Schmitt fiel in eine Formkrise, Probleme mit der Patellasehne plagten ihn, er musste eine Knieoperation über sich ergehen lassen. Bei der WM in Oberstdorf 2005 war Schmitt plötzlich wieder da und gewann Silber. Es folgte wieder eine Durststrecke, ehe er 2009 noch einmal für eine Saison den Anschluss an die Weltspitze schaffte. Aufhören wollte Schmitt in den erfolglosen Jahren nie. "Ich spüre einfach, dass es möglich ist", sagte er noch 2011. Mittlerweile sieht er es ein wenig anders.

In Oberstdorf fragen die Reporter, was Schmitt von Noriaki Kasai hält, dem 41-jährigen Japaner, der nach 25 Jahren im Weltcup plötzlich wieder ganz vorne mitspringt. "Nori ist in Wahnsinnsform", sagt Schmitt. "Er ist körperlich noch recht fit und technisch 1a." In seinen Worten ist kein Neid herauszuhören, vielmehr Bewunderung.

Noch lange nach seinem verkorksten Sprung von Oberstdorf steht Schmitt im Auslaufbereich und schreibt Autogramme. Der Finaldurchgang läuft längst - Schmitt darf nicht hoch auf die Schanze, aber er ist noch da. "Ich genieße es", sagt er und wird plötzlich doch melancholisch. "Ich habe die Atmosphäre schon abgespeichert."

Nun bleibt ihm ein letzter Sprung. Falls er die Qualifikation schafft (14 Uhr, Live auf SZ.de), folgt am Mittwoch ein weiterer. Oder geht es doch noch einmal weiter? Bundestrainer Schuster sagt neben seinen deutlichen Worten auch: "Die Schanze in Garmisch liegt ihm." Mannschaftskollege Severin Freund prophezeit sogar: "Man hat ihn schon mal abgeschrieben, und dann ist er Vize-Weltmeister geworden." Es wird wohl nicht so kommen. Doch noch ist es nicht vorbei.

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