Nationalmannschaft:Mario Gomez - der Mann für die Klose-Lücke

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Wieder im Trainingsanzug der Naionalmannschaft: Mario Gomez

(Foto: AFP)
  • Mario Gomez soll der Nationalmannschaft die Torgefährlichkeit zurückbringen.
  • Wie Lukas Podolski hat er nach seinem Wechsel in die Türkei wieder Chancen auf die EM 2016.

Von Gunnar Jans

Es gab Tage, da hätte Mario Gomez sich nicht über die boshafte Frage gewundert, ob der Raum "DFB-Team: Haare & Styling" im Mannschaftshotel am Münchner Tucherpark eigens für ihn eingerichtet worden sei. Statt dessen wird er jetzt auf die Bemerkung des Bundestrainers angesprochen, der Nationalelf fehlten zuletzt die tödlichen Stürmer, und die Frage lautet: "Bist du tödlich?" Gomez lächelt, die Kameras klicken. Er mag das Wort "tödlich" zwar nicht, erklärt er, "aber an guten Tagen bin ich es bestimmt".

Genau deswegen ist er 14 Monate nach seinem vorerst letzten Länderspiel zurück im Kreise der Nationalmannschaft, die sich in München auf das Testspiel am Freitag gegen Frankreich in Paris (21 Uhr, ARD) vorbereitet: Weil die " Mannschaft" zuletzt vorne Probleme offenbart hat. Und weil Gomez seine eigenen gelöst hat, mit dem Wechsel von Florenz zu Beşiktaş Istanbul. Neun Treffer hat er dort in zwölf Spielen erzielt und einmal Besuch vom Bundestrainer bekommen. Löw berichtete später von sehr guter Körpersprache, von Fitness und Selbstbewusstsein: "Er traut sich sehr viel zu." Auf dem Platz, wohlgemerkt.

Bei seinem ersten Comeback-Auftritt im DFB-Trainingsanzug fremdelt er noch ein wenig, es ist ein Abtasten in der alten Umgebung. Nervös spielt er mit dem Deckel einer Wasserflasche, als er erörtert, dass in einem Kader von 23 Mann doch auch ein klassischer Mittelstürmer dazugehöre, "der da vorne drinsteht, wenn's mal nicht so läuft". Er spricht von "der Lücke, die Miro Klose da hinterlassen hat" und erklärt, er habe sich und seine Position oft "nicht richtig wertgeschätzt" gefühlt.

Gomez wirkt wie jemand, der viel gegrübelt hat. Wie ein Gegenpol sitzt Lukas Podolski neben ihm. Die beiden 30-Jährigen wollen es noch einmal wissen, sie hoffen auf die EM 2016 in Frankreich. Sie haben eine ähnliche Geschichte zu erzählen: Podolski ist bei Inter Mailand nicht zurecht gekommen, Gomez beim AC Florenz gescheitert, aus Italien wechselten beide im Spätsommer nach Istanbul. Podolski zu Galatasaray, Gomez zu Beşiktaş, und jetzt sollen sie also berichten vom türkischen Fußball.

Podolski schwärmt: "Tolle Stadt. Toller Verein. Tolle Fans. Tolles Stadion." Er sagt das im typischen Podolski-Stakkato, prägnanter könnte das kein Tourismus-Manager auf den Punkt bringen.

Gomez sagt: nichts über Stadt, Verein, Anhänger, Spielstätte. Er hat Verständnis dafür, dass man Istanbul nicht zum Nabel der Fußballwelt erklären muss, "es gibt stärkere Ligen", sagt er, aber darum ging es ihm ja nicht bei seiner Entscheidung, "die nicht einfach war, weil ich wusste, dass sie sitzen muss". Sie sitzt. So gut, dass er wieder gefragt ist, auch beim DFB-Team.

"Poldi, der Sprachengott"

"Ich hatte nicht mehr viel Spaß", sagt Gomez rückblickend über seine Zeit in Florenz, er war oft verletzt und selten fit, kam kaum zum Einsatz und erst recht nicht zu Treffern. "Die letzten zwei Jahre waren nicht schön", gibt er zu, und deswegen ist er zu Beşiktaş gewechselt: Weil er dort spielen kann, alle drei Tage ein Match, "ich bin wieder im Rhythmus, ich habe Power, es war die richtige Entscheidung".

Sie hatte nichts mit Folklore zu tun. Die Rivalitäten der Istanbuler Klubs sind nicht sein Thema. Darüber spricht der Derby-Experte Podolski, den seit seinen frühen Kölner Tagen die rheinischen Derbys gegen Leverkusen und Gladbach geprägt haben.

"Es ist alles gesagt"

"In Istanbul ist es noch heißer, noch brisanter", elektrisiert sei die Stadt dann. Podolski berichtet, wie er mit Galatasaray bei Fenerbahce antreten musste: "Gäste-Fans sind nicht erlaubt. Du kommst in einen Hexenkessel, wirst 90 Minuten ausgepfiffen, es ist extrem." Der Tourismusmanager in ihm fügt noch an, es gäbe aber keine Krawalle, keine Schlägereien.

Mario Gomez sagt zum Thema Derby: "Es ist alles gesagt." Nur noch nicht von jedem. Und nicht in jeder Sprache. Ob er jetzt Türkisch lerne? Gomez reicht die Frage weiter: "Poldi ist der Sprachengott."

Podolski sagt: "Ich habe das Glück, dass ich aus Köln komme. Das ist ja halb Istanbul." Er wolle Türkisch lernen, habe sich einen Lehrer genommen, und wenn er dereinst zurückkehre nach Köln, "dann kann ich mit meinen Freunden Türkisch reden".

Gomez lernt kein Türkisch. Bei Beşiktaş werde Deutsch gesprochen, sagt er, "zehn Spieler können Deutsch, und wenn der Trainer mal was sagt, hab' ich einen Übersetzer dabei, der Englisch spricht".

Unterschiedlicher als Podolski und Gomez könnte man kaum über die Berufsausübung in einem fremden Land berichten. Vor der Tür steht ein Fan mit einer Zeitschrift, die in ihrer Titelgeschichte über "deutsche Superstars im Ausland" berichtet. "Warum bin ich da nicht zu sehen?", fragt Podolski grinsend. Gomez, auch kein Titelheld, ist da schon verschwunden. "Ich will das jetzt genießen", hat er noch gesagt, doch: "Das ist nur ein Anfang." Ein neuer.

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