Mario Götze beim FC Bayern:Alle loben den Patienten

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Schwierige Zeiten: Mario Götze (Foto: AFP)
  • Mario Götze durfte gegen Barcelona wieder nur kurz spielen.
  • Seine Situation beim FC Bayern ist verzwickt.
  • Trainer Guardiola, Sportvorstand Sammer, DFB-Manager Bierhoff und Barcelona-Torwart ter Stegen verteidigen ihn gegen die Kritik.
  • Hier geht es zu den Statistiken des Spiels Bayern - Barcelona.

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Eine Analyse von Textilexperten war leider gerade nicht verfügbar. Deshalb hier eine völlig subjektive Einschätzung: Die vielleicht weißesten Socken der Sportler-Historie umhüllten an diesem Abend die teuren Füße von Mario Götze. Der Münchner Weltmeister kam als erster aus dem Kabinentrakt in Richtung Teambus geschlurft, er trug Modelle aus dem Tennissocken-Segment, flimmernd helle Turnschuhe, noch auffälligere Riesenkopfhörer und einen Kapuzenpulli.

Ob er ein paar Worte zum Spiel sagen wolle, schallte es ihm entgegen. "Nee, tut mir leid, heute nicht", antwortete Götze - dann tauchte er ab in seine Welt unter dem Hoodie. Kopfhörer über die Ohren, Musik an, bloß weg. Ob er überhaupt geduscht hatte, war nicht zu klären. Bei gerade einmal drei Minuten Einsatzzeit dürfte ausgiebiges Einseifen nicht nötig gewesen sein. Nach elf mageren Minütchen in Barcelona und einem tragischen Kurzeinsatz im Pokal-Halbfinale gegen den BVB (samt verschossenem Elfmeter) erlebte der 22-Jährige wieder einen Frust-Abend.

Während seine Kollegen sich nach dem 3:2 gegen Barça in der Südkurve minutenlang per Applaus die Seelen streicheln ließen, war Götze verschwunden. Seine Situation bei den Bayern ist in diesen Tagen so verzwickt wie noch nie seit seiner Ankunft aus Dortmund vor fast zwei Jahren. Weltmeister, Finaltorschütze von Rio, 37 Millionen Euro Ablöse, europäisches Toptalent - so lesen sich die Hypotheken, die ihn derzeit belasten. Es scheint, als würde Pep Guardiola dem edel veranlagten Feinfuß nicht mehr vertrauen. Zumindest nicht dann, wenn es drauf ankommt.

Trotz aller Kritik und trotz des "Jugendspieler"-Vorwurfs von Franz Beckenbauer, finden sich Fürsprecher im Verein, etwa Sportvorstand Matthias Sammer. Der sagte am Dienstagabend zur allgemeinen Wogenglättung: "Mario Götze hat einen Vertrag, warum soll es keine Zukunft geben? Er ist ein junger Spieler und manches braucht manchmal auch ein bisschen Zeit." Der Endspurt in dieser Saison war jedenfalls nicht die Zeit des Mario Götze. Und weil er im Umfeld zudem akut vom Vorwurf der Wurstigkeit belastet ist, fragen sich viele: Müsste der Klub von einem seiner teuersten Angestellten nicht mehr erwarten?

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Wenn man Sammer glaubt, gilt das Samthändchen für Götze noch ein ganzes Weilchen: "Wir sind an seiner Seite, wir helfen ihm, er hat unsere ganze Unterstützung und wir brauchen ihn natürlich auch." Doch in dieser Saison bleiben nur noch zwei bedeutungslose Anlässe: Das Spiel in Freiburg am Samstag und der Saisonabschluss gegen Mainz eine Woche später - beide Begegnungen haben nicht den Stellenwert, eine hadernde Fußballerseele aufzumuntern. Guardiola wollte nach dem 3:2 gegen Barcelona keinen Götze-Diskurs führen, er erklärte, er habe sich eben so entschieden, den kleinen Dribbler draußen zu lassen.

Die Bayern wollen ihren Patienten augenscheinlich durch das aktuelle Tief hindurchloben. Je mehr Kritik nun von außen auf ihn einprasselt, desto mehr wird sich die Klubmuschel schließen. Das war schon früher so. Der Spieler soll spüren, dass sich der Verein in schwierigen Zeiten kümmert, dann steigt das gegenseitige Vertrauen. Denn selbst wenn der Klub ihn verkaufen wollte, stellt sich die Frage: wohin? In Deutschland kann sich niemand einen Mario Götze leisten und für das Ausland scheint er noch nicht reif zu sein.

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Auch Nationalmannschafts-Manager Oliver Bierhoff verteidigt seinen WM-Final-Torschützen: "Ich finde es einfach unsäglich, wie auf Mario rumgehackt wird", sagte er in der Münchner Arena. "Er ist ein sehr professioneller Spieler." Dass es Momente gebe, in denen es nicht so gut laufe, sei normal. Ob er ein Problem zwischen Götze und Guardiola erkenne? Bierhoff meint: "Ein Trainer überlegt weniger, wem er Vertrauen schenken muss, sondern was seine beste Aufstellung ist."

Guardiola rechnet offenbar mit Götze für die kommende Saison: "Mario ist ein außergewöhnlicher Spieler, ein toller Profi. Es ist noch jung, er wird als Spieler noch wachsen." Es sind schwierige Momente in Götzes Karriere und irgendwie klingt jedes Lob wie ein kleiner Stich ins Ego des sensiblen Kerls mit der Justin-Bieber-Frisur. Tatsache ist, dass der Nationalspieler zwar manchmal sein Können zeigt (etwa gegen Porto oder Augsburg), es aber zu häufig bis zur Unkenntlichkeit versteckt. Und ein Ärmelhochkrempler der Marke Thomas Müller oder Bastian Schweinsteiger war er ohnehin noch nie.

Nach dem erneut enttäuschend verlaufenen Abend gegen Barça gewann Götze immerhin einen weiteren Trostspender: Ausgerechnet Marc-Andre ter Stegen, dessen Flachserei mit seinem DFB-Kollegen in der Vorwoche noch für Verärgerung bei Bayernfans gesorgt hatte. "Ich bin überzeugt, dass Mario Götze aus dieser Situation ganz normal rausgeht. Ich weiß, wie stark er mental ist", ließ der Barcelona-Keeper wissen, "er wird das hinbekommen, er ist für mich ein Weltklasse-Spieler."

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