Marin Cilic bei den US Open:Der edle Schleicher ist zurück

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Wieder voller Selbstvertrauen: Marin Cilic (Foto: REUTERS)

Marin Cilic ist der Titelverteidiger bei den US Open. Nach missratenen Monaten spielt der Kroate so stark wie bei seinem überraschenden Triumph - auch dank des prominenten Trainers.

Von Jürgen Schmieder, New York

Es gibt bei diesen US Open einen jungen Mann, der aussieht wie Marin Cilic. Er spricht wie Marin Cilic. Er spielt wie Marin Cilic. Dieser junge Mann, und das mag nun ein wenig verblüffend wirken, er heißt auch Marin Cilic.

Es ist wichtig, diesen Namen so oft wie möglich zu wiederholen, damit ihn nur ja niemand vergisst - und es ist wichtig zu erwähnen, dass Cilic bei diesem Turnier bisher nicht nur aussieht und spricht wie er selbst, sondern auch so spielt. Viermal bereits, zuletzt am Sonntag beim 6:3, 2:6, 7:6 (2), 6:1 gegen Jérémy Chardy, im Viertelfinale trifft er erneut auf einen Franzosen. Auf Jo-Wilfried Tsonga, der auch gegen Landsmann Benoit Paire (6:4: 6:3, 6:4) kein Aufschlagspiel verlor und auffallend gut spielt, er stand bei diesem Turnier nur 112 Minuten pro Partie auf dem Platz.

Es lohnt sich, den Namen Marin Cilic in Erinnerung zu behalten, schließlich hat das im vergangenen Jahr kaum jemand getan. Ja, es gab da einen jungen Kroaten, der ein Spiel nach dem anderen gewann, aber weder von Zuschauern noch Konkurrenten so richtig ernst genommen wurde - bis er nacheinander Tomas Berdych, Roger Federer und Kei Nishikori in drei Sätzen besiegte und das Turnier gewann. Davor sahen die Beobachter jemanden, der aussah und sprach wie Marin Cilic, aber irgendwie spielte wie Landsmann Goran Ivanisevic, bis dahin der einzige Grand-Slam-Sieger aus Kroatien (Wimbledon 2001). Cilic schlich so lange unbemerkt durchs Turnier, bis es für alle anderen zu spät war.

Sein Trainer hat das Spiel verändert

Ivanisevic ist seit zwei Jahren der Trainer von Cilic. Er übernahm, als sein Schützling gerade wegen Dopings - er hatte eine Glukosetablette geschluckt, die die verbotene Substanz Nikethamid enthielt - vier Monate lang gesperrt war. Cilic durfte in der Zeit nicht um die Welt reisen und um Ranglistenpunkte kämpfen, doch gab ihm diese Sperre die Gelegenheit, daheim zu trainieren und sein Spiel komplett umzustellen. Als er zurückkehrte zur Tour, sah er immer noch so aus wie zuvor, er spielte jedoch völlig anders: Er hatte seinen bis dahin schroftflintenartigen Aufschlag präzisiert und ihn optisch an den von Ivanisevic angenähert, er hatte an Beinarbeit und Ballwechselgestaltung gearbeitet.

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Vor allem aber war es Ivanisevic gelungen, aus dem nervösen Hibbelchen einen selbstbewussten und gelassenen Spieler zu machen, der auch in engen Situationen aggressiv und unverkrampft agierte. Sowohl Federer als danach auch Nishikori gaben nach ihren deutlichen Niederlagen an, nicht viel ausrichten zu können gegen einen, der so spielt wie Marin Cilic.

Die Menschen kannten nun den Namen von Marin Cilic, 26. Nicht wenige behaupteten, dass er und der Schweizer Stanislas Wawrinka in der Lage seien, die Dominanz der so genannten Großen Vier (Roger Federer, Novak Djokovic, Rafael Nadal, Andy Murray) dauerhaft zu beenden und möglicherweise gar ein neues Zeitalter im Männertennis zu beginnen. Das passierte jedoch erst einmal nicht, weil Cilic mehrere Monate lang wegen einer Schulterverletzung pausieren musste und die Australian Open verpasste.

Doch auch nach der Genesung spielte er lange Zeit nicht wie Marin Cilic, sondern wie der langsamere, weniger talentierte und vor allem nervösere Klon seiner selbst. Und je schlechter er spielte, desto mehr verkrampfte er. Er konnte in diesem Jahr bislang kein Finale erreichen - und wer die Favoriten auf den Turniersieg bei den US Open nannte, der verwendete gewiss nicht den Namen Marin Cilic.

Nun aber hat er bereits vier Partien gewonnen, darunter einen Fünf-Satz-Kampf wie im vergangenen Jahr. Überhaupt wirkt das Turnier für Cilic bisher ein bisschen wie die Kopie seines Triumphes vor zwölf Monaten. "Dass ich damals im Achtelfinale im fünften Satz so gut gespielt habe, war der entscheidende Moment des Turniers. Danach war ich vollkommen locker, ich habe mir keine Sorgen mehr gemacht und meine Entscheidungen nicht mehr groß überdacht", sagt Cilic: "Nach diesem Achtelfinale geht es mir genauso, der bedeutende Moment war heute im dritten Satz, als es nicht so lief und ich Schmerzen im Fuß hatte. Ich habe diese schwierige Phase überstanden, das ist wichtig für mich."

Cilic spielt jetzt wieder wie Cilic vor einem Jahr

Die Partie gegen Tsonga soll keinesfalls die letzte sein in diesem Turnier, auch wenn der Franzose bislang erst zwei Breakbälle abwehren musste und in allen Partien so fehlerarm agierte, dass es beinahe gespenstisch wirkte. Da treffen im Viertelfinale zwei Spieler aufeinander, die sich abseits der üblichen souveränen Vorstellungen (Federer, Djokovic, Wawrinka) und erstaunlicher Überraschungen (Nishikori, Nadal, David Ferrer) beinahe unbemerkt ins Viertelfinale geschlichen haben. "Er spielt gerade hervorragend", sagt Tsonga über Cilic: "Vor allem hat er mich bei den letzten drei bedeutenden Partien besiegt."

Marin Cilic spielt wieder wie Marin Cilic, er weiß das auch: "Ich muss jetzt nicht mehr nachdenken. Ich treffe den Ball wieder besser und schlage viel, viel besser auf. Das gibt mir Selbstvertrauen für die kommenden Partien." Ja, er verwendet tatsächlich den Plural. Das ist angesichts der Ereignisse im vergangenen Jahr durchaus als Drohung zu verstehen - nicht nur an Tsonga, sondern auch an alle anderen.

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