Manuel Neuer beim FC Bayern:Endlich ist der Buer-Bayer so richtig angekommen

FC Bayern Muenchen Celebrate Winning Bundesliga, Champions League and DFB Cup

Manuel Neuer auf dem Rathausbalkon.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Torwart Manuel Neuer fiel am Ende der Münchner Rekord-Saison endlich mal auf: Mit spielentscheidenden Paraden - und beachtlicher Ausdauer bei den Partys. Der Gelsenkirchener scheint in der Landeshauptstadt endgültig angekommen zu sein.

Von Andreas Burkert

Man sah ihm auf dem Rathausbalkon natürlich an, dass er die Nacht durchgemacht hatte, dass er bei der Party am Berliner Alexanderplatz vor den Augen der zwischenzeitlich ebenfalls anwesenden Vorgesetzten wie Karl-Heinz Rummenigge und Jupp Heynckes ein beinahe enthemmter Animateur gewesen ist: Es waren ja keine Augen, aus denen Manuel Neuer tags darauf beim verregneten Empfang für die Triple-Gewinner auf dem Marienplatz in die Menge blickte, sondern eher schmale Schlitze.

Und doch konnte jeder sehen, wie überwältigt gerade er worden war vom großen Erfolg der Bayern. Wie ein Flummi war er schon bei der Meisterfeier nach dem letzten Heimspiel über den Balkon gesprungen, und auch diesmal übertrumpfte allenfalls der irre Clown und Conférencier Franck Ribéry den Nationaltorhüter mit seinen Emotionen.

Seine zweite Saison hat Neuer, 27, nun hinter sich bei den Bayern. Die erste Spielzeit musste auch er als enttäuschend verbuchen, aus vielerlei Gründen. Er hatte seinen Herzensklub Schalke 04 ja auch deshalb nach zwei Jahrzehnten verlassen, um endlich mal Titel zu gewinnen - doch dann wurden die Bayern mit ihm dreimal Zweiter. Der Empfang war zudem frostig, zumindest vom harten Kern: Die "Koan Neuer''-Extremisten aus dem Südrang wollten ihm sogar vorschreiben, wie er sich ihnen gegenüber zu verhalten habe.

Dass er dummerweise in Gelsenkirchen-Buer geboren wurde und deshalb stets zu Königsblau hielt und nicht per se für den Großklub des tollsten Millionendorfs der Welt, galt bei dieser Minderheit als Verbrechen. Zwar sind diese Ultras in der Münchner Arena dann rasch niedergepfiffen worden, doch Ressentiments bleiben: Beim ersten Meisterkorso durch die Stadt wurde Neuer von einigen Krakelern wieder desavouiert.

Manuel Neuer sagt, er habe diese Tiraden gar nicht mitbekommen, und weil er ja selbst mal in einer Kurve gestanden habe, betont er: ,"Ich habe Verständnis dafür, bis zu einem gewissen Punkt.''

Neuer hat aber längst keine Scheu mehr, sich mit seinen Kollegen und den Trophäen den Tribünen zu stellen. Er mag das zwar nicht, weil er ungern im Mittelpunkt steht, wie Menschen berichten, die ihn sehr gut kennen. Eher lässt Neuer die anderen vor, wie in London, als er nach dem Champions-League-Triumph über Dortmund seinem Stellvertreter Tom Starke den Vortritt ließ. Wenn Kapitän Philipp Lahm und sein Vize Bastian Schweinsteiger als Spitzenvertreter der neuen flacheren und jetzt auch erfolgreichen Hierarchien gelten, so ist nun auch Neuer endgültig auf diese Ebene hinzugestoßen.

Der stille Wortführer

Intern ist Neuer neben den beiden Spielführern schon seit seiner Ankunft ein Wortführer, sportlich ist sein Glück jetzt ebenfalls vollständig. Nicht nur wegen der drei Titel, sondern weil man ihn nun endlich auch auf dem Rasen als relevanten Faktor wahrnahm. Lange ist es ja so gewesen, dass der blonde Keeper nur auffiel, wenn er sich mal einen Fehler leistete, etwa einen übermotivierten Ausflug.

In seiner Münchner Debütsaison gab es ein paar Malheurs dieser Art, und solche Eindrücke überlagerten am Ende irgendwie alles, auch seine Elfmeter-Paraden im Halbfinale bei Real Madrid oder den Mut, im Heimfinale gegen den FC Chelsea selbst einen Penalty zu schießen - und zu verwandeln. Noch in diesem Frühjahr klagte Neuer darüber, dass trotz der Münchner Siegesserien sein Beitrag unterschätzt werde, dass er sein offensives Torwartspiel doch habe umstellen müssen und das Harren auf rare Chancen des Gegners eine mentale Belastung sei - und eine Umstellung erfordere.

Ein paar Monate später ist gerade der Triumph von London über seine alten Feinde vom BVB mit seinen Paraden in der starken Auftaktphase der Dortmunder verbunden, Neuers Reflexe entschieden das Spiel. Auch am Samstag in Berlin verhinderte er früh einen Rückstand gegen Pokalfinalist Stuttgart und wirkte nicht nur bei hohen Bällen unheimlich präsent. Die Rekord-Saison der Bayern ist auch seine, denn so wenig Gegentore wie er in dieser Spielzeit (18) kassierte noch keiner. Neulich, in Dortmund (1:1), hat er sogar erstmals einen Elfmeter für die Bayern pariert, seine Quote hier übrigens spektakulär: Neuer hielt in seiner Karriere bisher 17 von 51 Elfmetern, das macht eine Quote von 33,33 Prozent.

Tief befriedigt und erleichtert hat sich Manuel Neuer also nicht nur auf dem Rathausbalkon mal so gegeben, wie er offenbar ist. Das erfordert allerdings Erholung, nach dem internen Abschluss am Sonntag hat er sich bereits in die Ferien verabschiedet. Fern von Europa wird jetzt vor allem: ausgeschlafen.

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