Manuel Neuer beim DFB:Der Mittelfuß besteht den Faktencheck

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Manuel Neuer kassierte zwar zwei Gegentore, aber er war weitgehend schuldlos. (Foto: AFP)
  • Beim 1:2 im letzten WM-Test kehrt Manuel Neuer nach langer Verletzungspause auf den Platz zurück.
  • Der Bundestrainer und die Nationalspieler-Kollegen sind froh, dass sie ihre Nummer eins wieder hinter sich haben.
  • Einen Keeper wird Joachim Löw noch aus dem Aufgebot streichen.

Von Martin Schneider, Klagenfurt

Irgendwann im Laufe des Abends verkündete der Deutsche Fußballbund offiziell, dass Manuel Neuer schweigen wird. Erst am Dienstag, so wurde verlesen, werde sich der Nationaltorhüter und Kapitän äußern. Auch Marc-André ter Stegen äußerte sich nicht, Kevin Trapp und Bernd Leno ebenso, und so sprach keiner der vier Torhüter an diesem Abend, an dem es neben der Aufarbeitung der ersten Niederlage gegen Österreich seit 32 Jahren hauptsächlich um den Torhüter ging.

Dafür äußerten sich andere, Bundestrainer Joachim Löw zum Beispiel. Der wurde im ZDF mit einer Umfrage konfrontiert: Mehr als 10 000 Menschen hätten abgestimmt und eine knappe Mehrheit (56 Prozent) würde Marc-André ter Stegen vom FC Barcelona als Nummer eins bei der Weltmeisterschaft aufstellen. Löw, normalerweise in allen Lebenslagen ein versierter Diplomat, grummelte vor sich hin, es interessiere ihn eigentlich nicht, was irgendwelche Leute abstimmen.

Neuer erledigt schon wieder Kapitäns-Pflichten

Was den Bundestrainer interessierte, waren die Fakten des Abends: Manuel Neuer, 32 Jahre alt, hat sein erstes Länderspiel seit Oktober 2016 absolviert. Er spielte 90 Minuten durch, war an beiden Gegentoren beim 1:2 schuldlos, hielt einen Schuss ins kurze Eck von Florian Grillitsch mit einem sehr guten Reflex, hielt einen weiteren Ball von Marko Arnautovic mit der Schulter (wobei nicht eindeutig zu erkennen war, ob das nun ein Reflex war oder ob er angeschossen wurde).

Neuer brachte viele Pässe zielsicher zum Mann, ein paar Pässe auch nicht - und als er nach dem Schlusspfiff vom Platz ging, unterhielt er sich lange mit Leroy Sané. Der hatte kein glückliches Spiel gemacht, und weil Neuer mit ihm sprach, konnte man auch einen Haken hinter den Aufgabenbereich "Kapitänspflichten" machen. Aber über wirklich all diesen Fakten und Beobachtungen stand die wichtigste Erkenntnis: Der Mittelfuß hält. Der Torwart mit dem dreimal gebrochenen Mittelfuß spielte und agierte überhaupt nicht wie jemand, der lange weg war oder sich gerade von einer Verletzungspause erholt hat. Von einer Pause, die - rechnet man die kurze Einsatzzeit im August/ September 2017 raus, als Neuer womöglich zu früh wieder Bundesligaspiele absolviert hatte - weit über ein Jahr gedauert hat.

Was man in Klagenfurt auf dem Rasen sah, war ein Manuel Neuer, als hätte es die vielen Bilder mit Krücken und voluminösen Fußschienen nie gegeben. Eines dieser Krücken-Bilder war ja auch sein Hochzeitsfoto mit Frau Nina, die ihn auch nach Klagenfurt begleitete und auf der Ehrentribüne in der ersten Reihe saß. Löw sagte im nicht grummeligen Teil seiner Ausführungen dann auch treffend: "Man hat ihm die Pause nicht angemerkt", aber man müsse jetzt eben noch abwarten, wie er sich am Sonntag fühle. Doch wenn Neuer nicht plötzlich verkünde: "Trainer, mir tut der Fuß weh" - dann fährt er entgegen der suggerierten öffentlichen Meinung als Nummer eins mit nach Russland. Ter Stegen wäre dann die Nummer zwei, Leno oder Trapp müssten nach Hause, respektive in den Urlaub.

Wirklich nichts deutete in Klagenfurt darauf hin, dass dieses Szenario nicht so eintreten könnte. Schon bei der ersten von drei Warmmach-Runden ließ Neuer Hagelkörner auf sich niederprasseln, ohne das Gesicht zu verziehen. Ter Stegen stand im Kreis der anderen Ersatzspieler, er hatte sich eine weiße Kapuze übergezogen, als wollte er sich darunter verstecken.

"Er ist ein Leader, der vorangeht"

Wer nicht in direkter Konkurrenz zu Neuer steht, sprach dagegen ehrfürchtig und bewundernd vom zurückgekehrten Chef im Tor. Stürmer Timo Werner meinte, jetzt wo er zum ersten Mal in seinem Leben mit Neuer zusammenspiele, wundere es ihn "gar nicht, dass dieser Mann Jahr für Jahr Welttorhüter wird". Julian Brandt sagte: "Er ist ein Leader, der vorangeht" - und der Münchner Teamkamerad Joshua Kimmich lieferte die längste und schwärmerischste Analyse. "Für mich ist das absolut beeindruckend, was er da abliefert, wenn man so lange verletzt war. Wie er die Bälle hält, dass er sie nicht abklatschen lässt ... aber auch am Fuß. Ich erinnere mich an die erste Halbzeit, wie er den einen Ball ins Mittelfeld chippt - das ist herausragend!"

Und es ist auch nicht so, dass Neuer die Situation nicht kennen würde. Vor der Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien fuhr er ebenfalls angeschlagen zum Turnier. Mit bekanntem Ergebnis. Aber wie es ihm nun ganz genau geht, das wird man dann am Dienstag erfahren.

© SZ vom 04.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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