Manipulations-Eklat bei Olympia:"Sie haben dem Sport Schaden zugefügt"

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Olympia 2012 hat den ersten großen Aufreger: Der Badmintonverband sperrt acht Spielerinnen, weil sie versuchten, im Doppel absichtlich gegeneinander zu verlieren. Der vermeintliche sportliche Vorteil brachte die Spielerinnen dazu, ihr Schlechtestes zu geben - doch auch der neue Spielmodus wird kritisiert.

Raphael Honigstein, London

Die Klimaanlage muss in der Wembley-Arena ausbleiben, um den Flug des Federballs nicht zu beeinträchtigen. Die stehende Hitze in der Halle hatte wohl ihren Anteil daran, dass die Stimmung beim Publikum am Dienstagabend regelrecht zum Kochen kam. Es ging zu wie bei einem Fußballspiel, allerdings in negativer Hinsicht: Die Leute buhten und pfiffen sich den letzten Hauch von Sauerstoff aus der Lunge. "Es war deprimierend, wer will sich so etwas anschauen?", sagte Sebastian Coe, Chef des Organisationskomitees LOCOG, verärgert.

Badminton ist auf der Insel kein Volkssport, doch dass zwei der letzten Vorrunden-Spiele verschoben waren, hatten auch Nicht-Experten auf den Rängen bemerkt. Dabei war das Match des an Nummer drei gesetzten Frauen-Doppels Ha Jung-Eun und Kim Min-Jung zunächst ja nach Plan gelaufen. Die Südkoreanerinnen hatten den ersten Satz sehr geschickt und relativ unauffällig mit 18:21 abgeschenkt. Doch Meiliani Jauhari und Greysia Polii aus Indonesien spielten in der Folge dermaßen schlecht, dass Ha/Kim trotz unzähliger Fehler und Aufschläge ins Netz es einfach nicht mehr schafften, als Verliererinnen vom Platz zu gehen.

Die Zuschauer quittierten den unsportlichen Wettstreit um die Niederlage mit gewaltigem Unmut, denn im Match zwischen dem zweiten südkoreanischen Doppel, Jung Kyung-Eun und Kim Ha-Na gegen die an Nummer eins gesetzten Chinesinnen Wang Xiaoli und Yu Yang hatte sich zuvor ja bereits ähnlich Schändliches ereignet. Beide Teams wollten auch in diesem Match so offensichtlich verlieren, dass Schiedsrichter Torsten Berg ihnen die Disqualifikation androhte. Am Ende gewannen Jung/Kim - gegen ihren Willen.

Wenn die Chinesinnen anständig gespielt hätten, wäre diese Situation nicht entstanden", versuchte Südkoreas Trainer Sung Han-Kook später zu rechtfertigen, "also haben wir das genauso gemacht." Alle vier Doppel wurden von der Badminton World Federation (BWF) wegen unsportlichen Verhaltens angeklagt und drei Stunden vor dem Viertelfinale aus dem Doppelwettbewerb ausgeschlossen. "Sie haben sich unsportlich verhalten und dem Sport Schaden zugefügt", sagte BWF-Generalsekretär Thomas Lund, von dem Skandal sichtlich angefasst. Südkorea und Indonesien legten Einspruch ein, doch Südkorea zog seinen Protest später zurück, der Einspruch Indonesiens wurde abgewiesen.

Vor Olympia hatte das IOC angekündigt, mit aller Härte gegen Spielmanipulationen vorzugehen. Ob es dabei auch Badminton im Visier hatte? Nicht etwa ein unlauterer Wettgewinn, sondern der banale sportliche Vorteil hatte die acht betroffenen Frauenn am Dienstagabend dazu gebracht, ihr Schlechtestes zu geben. Sowohl Ha/Kim als auch Jauhari/Polii wollten mit einer Niederlage im letzten Gruppenspiel vermeiden, schon im Viertelfinale auf die Chinesinnen Wang/Yu zu treffen; die Favoriten auf den Titel und Jung/Kim spekulierten ebenfalls, als Gruppenzweite im weiteren Verlauf des Turniers auf leichtere Gegner zu treffen.

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Drei Medaillen, zwei davon Gold: Schwimmerin Ranomi Kromowidjojo ist die erfolgreichste Athletin aus den Niederlanden. Serena Williams deklassiert ihre Gegnerin Maria Scharapowa im Tennis-Finale und gewinnt zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen in Wimbledon, Triathletin Nicola Spirig siegt im Fotofinish.

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Das Pech der Athletinnen war, dass sie den Misserfolg sehr schamlos suchten. "Es war schon dumm, wie offensichtlich die Chinesinnen sich beim absichtlichen Verlieren angestellt haben", stellte der deutsche Mixed-Spieler Michael Fuchs fest. Vielleicht war das deshalb so, weil ihnen die Erfahrung fehlte: Im Badminton wird traditionell von Anfang an im K.o.-Modus gespielt, die Gruppenphase gab es in London erstmalig.

Für Olympia disqualifiziert: Kim Ha-Na, Ha Jung-Eun, Kim Min-Jung, Jung Kyung-Eun (obere Reihe von links nach rechts), sowie Greysia Polii, Meiliana Jauhari, Wang Xiaoli und Yu Yang. (Foto: AFP)

Das Gruppenformat wurde eingeführt, um mehr Spielern und Ländern eine Chance zu geben", sagt BWF-Mann Lund. In erster Linie aber dürften die Gründe für die Änderung eher sportpolitischer und kommerzieller Natur sein. Das neue Format beschert schwächeren Startern und ihren Verbänden mehr Spiele und damit mehr TV-Präsenz; und LOCOG konnte mehr Karten verkaufen. Lund hält das Format "grundsätzlich für einen großen Erfolg", allerdings müsse man "dafür sorgen, dass die beiden besten Mannschaften erst im Finale aufeinander treffen können, so dass es keinen Vorteil gibt, zu verlieren".

Die Erkenntnis kommt spät - die Verantwortlichen hätten das Imagedesaster kommen sehen müssen, sagte etwa die ehemalige britische Badmintonspielerin Gail Emms der BBC. "Badminton wird nie mit Gruppenphase gespielt, immer nur in der K.o.-Runde", so Emms. "Nachdem für London das Format geändert wurde, war mir klar, dass es zu Manipulationen kommen würde." In einem Treffen am Montagabend hätten einige Trainer sogar explizit vor verschobenen Matches gewarnt. "Wir kennen unsere Spieler", hätten diese laut Emms gesagt, der Turnier-Schiedsrichter habe aber nur abfällig gelacht.

Der deutsche Teamchef Martin Kranitz bestätigt diese Schilderung. "Es war die einzig richtige Entscheidung, die vier Doppel zu disqualifizieren, alles andere wäre ein Witz gewesen", sagt Kranitz im Pressezimmer der Wembley-Arena. Da es in der Vergangenheit bei Spielen zwischen Chinesen schon öfter "vorher klar" gewesen sei, wie diese ausgehen würden, hatten vor Olympia alle Athleten einen Verhaltenskodex unterschrieben, gegen diesen hätten die acht ausgeschlossenen Spielerinnen eklatant verstoßen. Der Turniermodus sei allerdings auch nicht ideal, "das kann man sicher verbessern", sagt Kranitz.

Das gilt für die gesamte Organisation des Turniers. Der ursprünglich vom BWF entworfene Spielplan zum Beispiel stimmte nicht mit IOC-Regularien ein, er war erst einen Tag vor Beginn verändert worden.

© SZ vom 02.08.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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