Manchester-United-Trainer David Moyes:Genügsamer Zauderer

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Vor dem Champions-League-Spiel bei Bayer Leverkusen murren die Fans rund ums Old-Trafford-Stadion: David Moyes, Nachfolger von Trainer-Legende Alex Ferguson, hat Manchester United einen vorsichtigen Stil verpasst. Zum Selbstverständnis des Klubs passt das nicht.

Von Raphael Honigstein, London

Nächste Woche kommt "The Class of '92" in die britischen Kinos, eine Dokumentation über die goldene Generation von Manchester-United-Talenten (Paul Scholes, Ryan Giggs, Nicky Butt, David Beckham, Gary Neville und Phil Neville), die zusammen mit Trainer Alex Ferguson den Aufstieg des Vereins zur Weltmarke begründete.

Der Zeitpunkt für das von den Kritikern hochgelobte Werk ist gut gewählt: Die Vorstellungen der "Red Devils" lassen momentan arg viel Raum für Nostalgie.

Der Meister reist als Tabellensechster in der heimischen Liga zum Champions-League-Spiel gegen Leverkusen, sieben Punkte beträgt der Rückstand auf Spitzenreiter FC Arsenal. Diese Zwischenbilanz vier Monate nach Ende der Ferguson-Ära fällt gerade noch in den Bereich des Akzeptablen, doch rund ums Old Trafford murren die Fans. Sie hatten sich vom neuen Trainer David Moyes doch etwas mehr erhofft.

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Dass es unter dem 50-Jährigen nicht einfach so erfolgreich weitergehen würde wie unter seinem Vorgänger, war zu erwarten. Verstörend auf die Anhänger des englischen Branchenführers wirkt jedoch die Genügsamkeit, die aus Moyes' öffentlichen Einlassungen und oft genug auch seiner Taktik spricht.

In elf Jahren auf der Bank des ewig klammen FC Everton hat der Schotte eine auf Vorsicht ausgerichtete Philosophie entwickelt, die nicht zum Selbstverständnis von United als Bewahrer des britischen Hurra-Fußballs passen mag.

Typisch war in dieser Hinsicht Moyes' Kommentar nach dem unnötigen 2:2 bei Aufsteiger Cardiff City am vergangenen Sonntag. "Es ist nicht einfach, hier nach einer Länderspielpause zu bestehen, aber vor dem Spiel hätte ich ein Remis unterschrieben", sagte der einst als Teenager beim isländischen Klub Íþróttabandalag Vestmannaeyja (IVB) zum Profi gereifte Coach.

Eine ähnliche Aussage hätte man vom stets verbissen siegeshungrigen Sir Alex nie gehört. Es lag an Kapitän Patrice Evra, später die Dinge zurechtzurücken. "Wir sind Manchester United!", sagte der französische Außenverteidiger und Torschütze des zweiten United-Treffers der BBC. "Ich mag es nicht, nach Entschuldigungen zu suchen. Wir haben nicht genug Manchester United in unserem Spiel gezeigt. Mehr als ein Unentschieden haben wir nicht verdient."

Das größte, auch bei dem Match in Wales zu beklagende Problem ist der Mangel an aus dem Spiel heraus kreierten Torchancen. United vertraut seit Saisonbeginn auf Standardsituationen oder Einzelaktionen der Stürmerstars Wayne Rooney und Robin van Persie, da aus dem Mittelfeld so gut wie keine Impulse kommen. "Bis 20 Minuten vor dem Ende hatten wir eigentlich gar keine Gelegenheiten", sagte Evra.

Moyes selbst gab schon im September zu, "etwas beunruhigt" von der spielerischen Einfältigkeit seiner Elf zu sein, redete sich die fehlende Durchschlagskraft aber seltsam schön. "Manchmal ist es gut, dass man nicht alle Tore auf einmal schießt", behauptete er, "man will sich noch ein paar (für den Rest der Saison) aufbewahren."

Der frühere Liverpool-Profi Alan Hansen brachte in seiner Kolumne für den Daily Telegraph die Malaise auf den Punkt. "United ist die Zwangsläufigkeit abhanden gekommen", schrieb der 58-Jährige, "David Moyes muss diese Urkraft, diese Aura der Unbesiegbarkeit erst wiederherstellen."

Der verlorene Nimbus scheint die Gegner in der Tat zu beflügeln, doch Uniteds Defizite sind auch von profanerer Natur. Dem in den vergangenen drei Jahren (zwei Meisterschaften, ein zweiter Platz) von Ferguson zu erstaunlich guten Ergebnissen gepeitschten Team fehlt einfach die spielerische Substanz.

Im Sommer hatte Moyes um Spielmacher Cesc Fàbregas (Barcelona), Thiago Alcántara (einst Barcelona, jetzt FC Bayern), Flügelstürmer Gareth Bale (von Tottenham zu Real Madrid) und den baskischen Antreiber Ander Herrera (Bilbao) geworben - bei den Bemühungen stellte sich Moyes im Verbund mit dem neuen Geschäftsführer Ed Woodward mehr oder minder dilettantisch an.

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An der Mersey war der Coach als "Dithering Davey" (Zaudernder Davey) bekannt, weil er Transfers oft so lange abwägte, bis die Auserkorenen woanders anheuerten.

Am letzten Transfer-Tag kam als Notlösung Marouane Fellaini von Moyes' früherem Klub Everton, der aber mehr zum hängenden Stürmer als zu dem dringend benötigten Ideengeber in der Zentrale taugt. "Er ist kein typischer United-Spieler", schrieb Hansen, das war sehr vornehm ausgedrückt. Der Belgier fehlt in der Bay-Arena gesperrt, van Persie wegen Leistenproblemen, und ob Defensiv-Allrounder Phil Jones (Leiste) und Verteidiger Nemanja Vidic (Gehirnerschütterung) fit für Leverkusen sein werden, ist noch unklar.

Gerade für Moyes ist das Match vor dem Auftakt des irrwitzigen Weihnachtsprogramms auf der Insel immens wichtig. Eine Niederlage würde das Weiterkommen in Frage stellen und große Debatten über seine Führungsqualitäten auslösen - ein Sieg hingegen vorzeitig die Qualifikation fürs Achtelfinale garantieren. Wie man Moyes kennt, könnte er sich wohl auch mit einem Unentschieden bestens arrangieren.

© SZ vom 27.11.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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