Manchester City in der Champions League:Der Scheich zweifelt

Manchester City ist mit viel Geld vom Klub-Chef aus der Wüste gescheitert: In der Champions-League-Partie gegen Dortmund geht es höchstens noch um einen Platz in der Europa League. Das schlechte Abschneiden des Klubs gilt als Indiz dafür, dass die vielgelobte Premier League an Niveau verloren hat.

Von Raphael Honigstein

Fußball Manchester City Roberto Mancini

Manchester-City-Trainer Roberto Mancini grübelt über die Prioritäten: Europa League oder Premier League?

(Foto: AFP)

Zwei Wochen hatte Manchester City nach dem frühzeitigen Aus in der Champions League Zeit, um die passende Einstellung zur Reise an die Ruhr zu finden. Aber auch diese Übung ist dem englischen Meister gründlich misslungen. Mit einem Sieg in Dortmund könnten sich die Hellblauen noch für die Trostrunde in der Europa League qualifizieren. Aber ob das wirklich erstrebenswert ist? Trainer Roberto Mancini rätselt in diesem Punkt, genau wie über Gründe für das peinliche Scheitern im zweiten Anlauf.

Einerseits könne man ohne internationale Termine "mehr Anstrengung" auf die Liga verwenden, gab der 48-Jährige zu. Mit drei Punkten Rückstand auf Tabellenführer Manchester United hat sein in der Meisterschaft noch ungeschlagenes Team vor dem Stadt-Derby am Sonntag gute Chancen auf die Titelverteidigung. Andererseits würde Klub-Besitzer Scheich Mansour aus Abu Dhabi einen Erfolg im kleineren der zwei europäischen Wettbewerbe aus Prestige-Gründen schon goutieren, und Mancini würde mit einem erfolgreichen Lauf Pluspunkte sammeln.

"Die Europa League kann wichtig werden, wenn wir ins Finale kommen, deswegen wollen wir in Dortmund gewinnen", so Mancini. United-Boss Alex Ferguson wusste nicht so recht, ob er seinem Kollegen nun lieber viel Erfolg oder mehr Schmerzen am Dienstagabend wünschen sollte. "City muss Dortmund schlagen, man kann als großer Klub nicht verlieren", sagte der Schotte, "ohne Europa League sind sie vielleicht frischer, aber sind dann alle Spieler zufrieden?"

Dieses Problem stellt sich beim Spiel in Dortmund nicht, zahlreiche Verletzungen und die Gelbsperre von Mittelfeldspieler Yaya Touré machen eine sinnvolle Rotation unmöglich. "Wir müssen alles auf eine Karte setzen und hoffen, dass wir uns bis Sonntag wieder erholen", sagte Assistenztrainer David Platt, der nach dem schmeichelhaften 1:1 gegen Everton vor die Presse trat. Mancinis Verhältnis zu den britischen Reportern ist äußerst gespannt.

Viermal so viel Gehalt wie in Dortmund

Die Ungewissheit über Sinn und Zweck des Besuchs bei den Schwarz-Gelben ist dabei nicht das einzige Problem für den früheren Stürmer. Der Trip taugt in vielen Belangen zum unvorteilhaften Kontrastprogramm. Dortmunds beeindruckender Erfolg in der Gruppe konterkariert etwa Mancinis Schutzbehauptung, es sei "verrückt", nach nur zwei Jahren in diesem Wettbewerb den Gewinn der Champions League zu erwarten; zahlreiche Spieler seiner Elf hatten ja bereits langjährige Erfahrung in der Königsklasse. Zudem gibt der seit 2008 mit etwa 1,5 Milliarden Euro aus der Wüste alimentierte Klub in dieser Saison im Vergleich zu Dortmund knapp das Vierfache für Gehälter (274 Millionen Euro) aus. Mancini hat aus den gewaltigen finanziellen Mitteln extrem wenig gemacht.

Der Trainer muss sich vorwerfen lassen, dass er ohne Not - und ohne die notwendige Gründlichkeit in der Vorbereitung - mit einem 3-5-2-System experimentierte, das die Spieler laut eigener Aussage verunsicherte. Die Idee dahinter war, dem schwächelnden Touré möglichst viele Mitstreiter an die Seite zu stellen, doch der Leidtragende war Kapitän Vincent Kompany - der Innenverteidiger hat im Zuge der ständigen Umstellungen völlig die Form verloren.

Insbesondere nach Standardsituationen ist City in dieser Spielzeit enorm anfällig; Torwart Joe Hart wirkt mitunter, als ob ihm die Lobeshymnen aus der vergangenen Saison zu Kopf gestiegen sind. David Silva, im Vorjahr der beste Mann im Kader, tritt kaum in Erscheinung. Ohne die Ideen des Spaniers funktionieren aber die Versorgungswege in die Offensive nicht, wo sowieso institutionelle Unzufriedenheit herrscht. Mancini schafft es nicht, die Granden Edin Dzeko, Carlos Tévez, Sergio Agüero und Mario Balotelli von den Vorzügen der Schichtarbeit zu überzeugen.

"Uns fehlen die kleinen Dinge", behauptete Silva nach dem K.o. in der Gruppenphase, "wir hätten gegen Real Madrid auch zweimal gewinnen können." Das ist nicht ganz falsch, weist aber gleichzeitig auf das gesunkene Niveau in der Premier League hin. Ein bedingt funktionierendes City ist auf der Insel absolut konkurrenzfähig, weil es dort derzeit keine Spitzenmannschaft der Güteklasse "Dortmund" oder "Madrid" gibt, die auch die kleineren Schwächen unnachgiebig bestrafen. Im FC Chelsea könnte am Mittwoch ein zweiter englischer Vertreter ausscheiden, damit wäre die Liga wie im Vorjahr nur noch mit zwei Klubs im Achtelfinale vertreten.

Vom City-Vorstand kann Mancini noch etwas Geduld erwarten. Er hatte im Sommer auf die Verpflichtungen von Robin van Persie (damals Arsenal, heute Manchester United), Daniele De Rossi (AS Rom) und den später vom FC Bayern gekauften Javi Martínez gepocht - alle wurden jedoch für zu teuer befunden. Ob er über das Saisonende hinaus tätig sein darf, ist allerdings offen. City hat in Geschäftsführer Ferran Soriano und Sportdirektor Txiki Begiristain kürzlich zwei ehemalige Barcelona-Funktionäre installiert. Der nächste Schritt liegt da auf der Hand. Berufsurlauber Pep Guardiola, derzeit im New Yorker Exil, kann sich dem Vernehmen nach eine Amtszeit beim finanzkräftigsten Leichtgewicht der Champions League durchaus vorstellen.

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