Manchester City:Der Poker des Pellegrini

Lesezeit: 3 min

Wertvoller Mittelfeldstratege: Manchester Citys Yaya Touré schüttelt in gewohnt kraftvoller Art zwei Kiewer Gegenspieler ab. (Foto: Jason Cairnduff/Reuters)

Das Team vernachlässigt die Liga, um in der Champions League Erfolg zu haben. Pep Guardiola droht in England ein Start in der Europa League.

Von Sven Haist, London

Der Gesichtsausdruck von Manuel Pellegrini verriet, dass ihm die Situation unangenehm war. Mit einem prüfenden Blick musterte der Trainer von Manchester City die Umgebung, als wäre es ihm ganz recht gewesen, wenn ihm niemand zugesehen hätte. Dann ließ er die Teambetreuer mit seinem Handy hastig ein paar Erinnerungsfotos schießen: Er, Pellegrini, mit der Ligapokaltrophäe auf dem Rasen des Wembleystadions.

Vorgezogene Abschiedsbilder waren es, die von Pellegrini, 62, nach dem Finale im League Cup entstanden, das City Ende Februar im Elfmeterschießen gegen den FC Liverpool gewann. Der stolze Chilene wusste da längst, dass er zum Saisonende nicht in Ehren entlassen, sondern vom Hof gejagt werden dürfte, wenn sein tückisches Glücksspiel nicht aufgeht. Eines ist ja klar: Pellegrini wird gehen, Pep Guardiola wird im Sommer übernehmen. Und nun pokert er hoch vor aller Augen. Ziel: der Gewinn der Champions League. Nachteil: Das Spiel geht zu Lasten des Abschneidens in der Premier League, in der der Meister von 2014 nur noch eine minimale Titelchance hat. Der Poker wird zunächst fortgesetzt: Mit einem 0:0 stolperte City am Dienstagabend im Rückspiel gegen Dynamo Kiew ins Viertelfinale der Königsklasse, erstmals in der Klubgeschichte. Als "Breakthrough Night" haben sie den Sieg gedeutet, als Durchbruch. Doch die Frage bleibt: Geht Pellegrinis Kalkulation auf?

Nur fünf Klubs hatten zuletzt eine schlechtere Bilanz

Auf dem Weg nach Mailand zum Finale der Champions League hat sich Innenverteidiger Vincent Kompany gegen Kiew verabschiedet, mit seiner vierten Wadenverletzung in dieser Saison. Die Wade ist Kompanys Schwachstelle, seit seiner Ankunft in Manchester im Jahr 2009 ist sie schon zum 14. Mal lädiert. Die Sun titelte: "KO-mpany". Der Kapitän ist das soziale Rückgrat des Teams und im Gegensatz zu manchem austauschbaren Offensivspezialisten derzeit nicht zu ersetzen. Sein langer Ausfall macht den Triumph in der Champions League unwahrscheinlich. City müsste es ähnlich ergehen wie dem FC Chelsea 2012: Die Londoner bekamen den Pokal damals regelrecht in die Hand gedrückt.

Sollte das passieren, wäre Manchester als Titelverteidiger automatisch auch in der nächsten Saison für die Champions League qualifiziert. Pellegrini hat bereits angedeutet, dem internationalen Erfolg alles unterzuordnen, in der Meisterschaft aber die Flügel hängen zu lassen. Es ist somit gar nicht mehr so unwahrscheinlich, dass Pep Guardiola in der kommenden Saison in der Königsklasse fehlen wird, dass er in der zweitklassigen Europa League starten muss. Dass es Pellegrini mit seiner Strategie ernst meint, zeigen die jüngsten Ergebnisse: Im zweiten englischen Pokal-Wettbewerb, dem FA-Cup, schickte er ein besseres Jugendteam ins Duell mit dem FC Chelsea, das prompt 1:5 verlor. In der Liga rangiert sein Team gerade auf Rang vier, der nicht zur direkten Qualifikation für die Champions League genügt. Pellegrini hatte es äußerlich zunächst geduldig ertragen, dass die Klubeigentümer ihn trotz des 2014er-Titels wie eine Marionette behandelten, deren Fäden im Moment der lange geplanten Verpflichtung Guardiolas abgeschnitten wurden. Als die Ziellinie dieser Saison in Sichtweite geriet, bereitete Pellegrini dem unwürdigen Taktieren ein Ende, indem er die Trennung am 1. Februar selbst kundtat. Seitdem läuft es schlecht für City. Eine Negativserie mit nur sechs Punkten aus sieben Spielen katapultierte den Meisterschaftsanwärter aus dem Titelrennen, nur fünf Premier-League-Klubs haben in dieser Zeit eine schlechtere Bilanz. Jetzt warten die Himmelblauen geradezu darauf, auch noch von Rang vier verdrängt zu werden. Am Sonntag könnte es im Stadtduell mit Manchester United bereits soweit sein. Der Fünfte, West Ham United, lauert mit nur zwei Punkten Rückstand. Pellegrini scheint gemerkt zu haben, dass sich sein Kader offenbar nur noch für die Königsklasse begeistern lässt. Noch kein Spieler hat die Champions League gewonnen, abgesehen von Yaya Touré, 2009 mit dem FC Barcelona. Darin liegt auch ein Problem, denn es war Guardiola, der einst die Trennung von Touré besiegelte. Auch die meisten anderen Profis ahnen, dass sie keine Zukunft im Verein haben dürften. Bereits im Sommer 2015 zeigte die Verpflichtung der Flügelstürmer Kevin De Bruyne (vom VfL Wolfsburg) und Raheem Sterling (vom FC Liverpool), was Guardiola mit seinem langjährigen Vertrauten, dem City-Sportdirektor Txiki Begiristain, vorhat: den Kader massiv umzubauen.

Auf Basis finanzieller Schwerelosigkeit, die mit dem Einzug des Scheichs Mansour bin Zayed im Jahr 2009 einsetzte, hat City jedoch viele Profis mit langfristigen Verträgen ausgestattet. Das führt zu der kuriosen Situation, dass erst im Sommer 2017 sieben Verträge von Spielern auslaufen, die älter als 30 sind. Im Sommer 2016 endet nur der Kontrakt des früheren Münchners Martín Demichelis. Um die gewünschte Neustrukturierung schon nach der Saison einleiten zu können, muss der Klub Abnehmer finden für seine sperrigen Spieler. Es droht eine Kapitalvernichtung, sollten nicht die bei ManCity kürzlich eingestiegenen Zweit-Investoren aus China mit absurden Angeboten aushelfen.

Auf einer China-Reise soll Guardiola im Sommer als City-Trainer offiziell präsentiert werden. Es wäre ein Makel, würde der Klub nur als Europa-League-Starter auf große Werbetournee gehen.

© SZ vom 17.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: