Mainz - Schalke (15.30 Uhr):Tritte in den Hintern

FC Schalke 04 v Borussia Moenchengladbach - UEFA Europa League Round of 16: First Leg

Eine Bereicherung für die Schalker Offensive: Stürmer Daniel Caligiuri (rechts), hier im Duell mit dem Gladbacher Timothee Kolodziejczak.

(Foto: Dean Mouhtaropoulos/Getty Images)

Anfangs beäugten die Schalker den Winter-Zugang Marco Caligiuri kritisch. Er hat sich jedoch schnell als Stütze in der Offensive etabliert. Weil er auch als 29-Jähriger noch von seinem Lehrmeister profitiert.

Von Philipp Selldorf, Gelsenkirchen

Selbstverständlich hat auch die Taktik eine wichtige Rolle gespielt bei Schalkes 2:2-"Sieg" in Mönchengladbach. Ein wesentlicher Grund für die Steigerung in der zweiten Halbzeit und den deutlichen Zugewinn an Kreativität war die Neuformierung des Mittelfeldes: Johannes Geis musste seinen Platz als Sechser räumen, an seine Stelle rückte aus der vorgelagerten Spielmacherposition Leon Goretzka, der eingewechselte Max Meyer nahm die Rolle des Zehners an und entfaltete dabei gute Wirkung. Auch Daniel Caligiuri veränderte seinen Standort: Er wechselte vom Stammsitz auf der rechten Seite in die Mitte, behielt aber die Nähe zum rechten Flügel bei, während er zugleich regelmäßig die Tiefe des Strafraums ansteuerte, als Anspielstation auf der linken Seite aushalf sowie im defensiven Mittelfeld Abräumerdienste leistete.

Insgesamt ließ sich sagen: Daniel Caligiuri machte sich mehr oder minder überall nützlich - und seinem Trainer damit viel Freude.

Ursprünglich hatten Manager Christian Heidel und Trainer Markus Weinzierl den Vielzweck-Spieler schon im Sommer aus Wolfsburg nach Schalke holen wollen. Caligiuri, 29, war zum Wechsel liebend gern bereit, er wertet Schalke als eine Adresse, die seiner Biographie und Karriere schmeichelt. Das Problem war allerdings, dass VfL-Manager Klaus Allofs die Offerte aus Schalke mehr oder weniger ignorierte. Caligiuris Berater Thomas Strunz intervenierte vergeblich im Namen seines Mandanten, schließlich bemühte sich Caligiuri selbst um einen Termin beim Sportchef. Vergeblich. Dabei war die Offerte aus Gelsenkirchen großzügig, Heidel bot angeblich zehn Millionen Euro Ablöse, denn es herrschte Termindruck auf dem Transfermarkt.

Im Winter holten Schalke und der VfL den ausgefallenen Handel nach. Caligiuri, dessen Vertrag mit dem VfL im Sommer auslief, kostete jetzt deutlich weniger als ein halbes Jahr zuvor, 2,5 Millionen Euro. Schuldzuweisungen an den verantwortlichen Manager erübrigten sich - Allofs war in Wolfsburg längst beurlaubt worden.

Caligiuri hat sich als Routinier neben den jungen S04-Offensivkräften festgespielt

Doch auch in der Schalker Anhängerschaft rief der Transfer keine spontanen Freuden-Kundgebungen hervor. Ein 29-Jähriger Liga-Routinier aus Wolfsburg, das regte die Fantasie der königsblauen Anhänger allenfalls bedingt an. Die Kritiker in der heimischen Presse sahen in der Personalie ein Symbol für die Probleme von Manager Heidel, sich auf die Schalker Ansprüche und Größenverhältnisse einzustellen. Caligiuri sei ein Transfer, wie ihn Heidel zu Mainzer Zeiten für den FSV 05 getätigt hätte, hieß es nach den ersten Einsätzen des Neulings. Die Abqualifizierung hatte allerdings weniger mit Caligiuris Leistungen zu tun, sondern mehr mit Schalkes zähem Start ins neue Jahr. Es herrschte wieder mal Krisenstimmung.

Inzwischen schimpft niemand mehr über Daniel Caligiuri, der sich auf Anhieb in der Stamm-Elf etabliert hat und mit seiner umfassenden Effektivität genau den Zweck erfüllt, den sich Heidel und Weinzierl von ihm versprochen hatten. Einerseits wollte man einen routinierten Mann an der Seite der jungen Kreativen Goretzka, Meyer und Bentaleb; andererseits wollte man einen kampfkräftigen Allrounder, der Tempo und hohen Einsatzwillen garantiert.

Diese Anforderungen erfüllt Caligiuri. Er gibt dabei nicht nur die familienbedingte Leidenschaft fürs Spiel zu erkennen - sein Bruder Marco spielt bei Greuther Fürth, und auch sein Onkel Karl-Heinz Wöhrlin war bereits Bundesliga-Profi. Die erstklassige Schulausbildung ist dem schwäbischen Italiener ebenfalls anzumerken: Beim SC Freiburg war Christian Streich Lehrmeister in der U 19 und im Profiteam, offenbar hat er seinem Schüler ein umfassendes taktisches Verständnis mitgegeben. "Streich habe ich extrem viel zu verdanken, das sage ich ihm immer wieder, wenn ich ihn sehe", erzählte Caligiuri kürzlich. In den frühen Jahren habe er "einige ungemütliche Gespräche" mit dem Trainer geführt, der ihm "zum Glück einige Male sprichwörtlich in den Hintern getreten" habe. Schmerzhafte Erfahrungen, von denen Schalke 04 jetzt profitieren darf.

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