Rouven Schröder bei Mainz 05:"Die Leute bei Laune zu halten, ist nicht einfach"

1. FSV Mainz - SV Darmstadt 98

Zwei, die ihren Marktwert gesteigert haben: die Mainzer Pablo de Blasis (links) und Yunus Malli.

(Foto: dpa)

Bayern-Gegner Mainz 05 fällt es schwer, seinen Fans Mittelmaß als Abenteuer zu verkaufen. Der neue Sportchef will die Großen trotzdem ab und zu ärgern.

Von Tobias Schächter, Mainz

Den Geschenkkorb nahm Rouven Schröder verblüfft an, den Absender kannte er nicht. Neben den italienischen Leckereien im Korb, so wurde dem Sportchef von Mainz 05 erklärt, habe es auch viele warme Worte bei der Abgabe der Präsente auf der Pressestelle gegeben. Auch diese kleine Geschichte zeigt: In Mainz gibt es derzeit niemanden, der ein schlechtes Wort über den 41 Jahre alten Sauerländer Schröder verliert. Zieht man die zwei Monate Einarbeitungszeit unter Vorgänger Christian Heidel ab, so ist Schröder an diesem Freitag, wenn der FC Bayern beim FSV Mainz antritt, ziemlich genau ein halbes Jahr bei Nullfünf im Amt.

Wird Schröder beschrieben, dann fallen Adjektive wie kompetent, fleißig, offen, ehrlich und höflich. Schröder ist erst der zweite hauptamtliche Manager des FSV überhaupt. Vorgänger Heidel prägte den Klub fast ein Vierteljahrhundert und war einer der angesehensten Manager der Liga, bevor er in Schalke eine neue Herausforderung annahm. Schröder, 1, 87 Meter groß, Glatze, kickte einst für Bochum und Duisburg. Nach der aktiven Laufbahn war er Co-Trainer (Bochum II), Video-Analyst und Scout (Nürnberg), Koordinator und Sportlicher Leiter (Greuther Fürth) und Direktor Scouting (Werder Bremen).

Die Chance, in Mainz hauptverantwortlich zu arbeiten, wollte er "unbedingt ergreifen", dafür verließ er Werder. "In meinem Lebenslauf ist alles drin", sagt Schröder, der auch mal kurz "für ein geringes Gehalt" im Außendienst der Gastronomie gearbeitet hat. Nun also ist der Vater von drei Kindern, dessen Familie weiter in der Nähe von Lübeck lebt, Sportchef in Mainz.

"Ich bin keiner, der sofort Mauern einrennt"

Er habe von Anfang an einen großen Vertrauensbonus gespürt, erzählt Schröder. Und: Er habe erst einmal zugehört - dem Trainer Martin Schmidt, den Spielern, der langjährigen Führungscrew, den Klubangestellten, den Fans und den Menschen in Mainz. Er sagt: "Ich bin keiner, der sofort Mauern einrennt."

Im Gegensatz zu Heidel ist Schröder ein eher leiser Motor des Klubgeschehens. Und doch hat er behutsam, aber bestimmt Akzente gesetzt. Während Heidel bei der Spielersuche auf sein gewachsenes Berater- und Informanten-Netzwerk baute, installierte Schröder in Siegfried Marti, 57 und zuletzt bei Werder, einen hauptamtlichen Chefscout. Zudem arbeiten jetzt zwei Honorarkräfte fest im Scouting und auch der Nachwuchs hat in David Leiter, 31, einen neuen Chefscout bekommen: "Das ist keine Revolution", erklärt Schröder, "sondern ein erster Schritt, um mit ein paar Augen mehr auch mehr zu sehen."

Aus der Debatte über die jahrelang verborgene Entlohnung des ehrenamtlichen FSV-Präsidenten Harald Strutz (23 000 Euro pro Monat) hielt sich Schröder ebenso raus wie aus den Diskussionen über die Umstrukturierung des Vereins. "Das Wichtigste für mich war, im Sport meine Hausaufgaben zu erledigen", sagt Schröder. Trotz des vorzeitigen Ausscheidens in der Europa League habe Mainz die Liga dort ansprechend vertreten, findet er - bis auf das 1:6 in Anderlecht. Das Aus im DFB-Pokal ärgerte Schröder, in der Liga aber sei die Ausbeute mit 17 Punkten nach zwölf Spielen "ordentlich bis sehr ordentlich".

Schröder weiß um die Probleme bei Mainz 05

Rund fünf Millionen Euro hat der FSV in der Europa League eingenommen, in der neuen Saison erwartet der Klub durch den neuen TV-Vertrag Mehreinnahmen zwischen zehn und 15 Millionen. Im vergangenen Geschäftsjahr setzte Mainz erstmals mehr als 100 Millionen Euro um und konnte sich aufgrund von Transferüberschüssen der Vergangenheit erstmals ein Sommertransfer-Defizit von rund 17 Millionen Euro leisten. Hinzu kommt: Entwicklungsfähige Zugänge wie Cordoba, Öztunali, Clemens oder der französische U 21-Nationalspieler Gbamin könnten in Zukunft ebenso wie zuletzt de Blasis, Jairo oder Malli im Marktwert steigen.

Das Konzept, Spieler besser zu machen und dann teurer zu verkaufen, generierte in Mainz das Wachstum und half bei der Bezahlung der 2011 bezogenen neuen Arena. Auch künftig wolle man nicht nur in Beine investieren, sagt Schröder. Es gibt Pläne zum Ausbau der Infrastruktur, die am Bruchweg Geschäftsstelle und Trainingszentrum vereinen sollen.

Mainz kann auch Nein sagen

Zudem betont Schröder, Mainz müsse kein Verkäuferverein mehr sein: "Wir sind in der Lage, Nein zu sagen, wenn wir einen Spieler nicht abgeben wollen" - wie im vorigen Winter, als der FSV ein Zehn-Millionen-Angebot von Dortmund für Yunus Malli ausschlug. Diesen Winter wäre die Wechselsumme für den türkischen Nationalspieler (Vertrag bis 2018) frei verhandelbar, im Sommer würde eine 10-Millionen-Euro-Ausstiegsklausel greifen: "Schauen wir, was passiert", sagt der Manager.

Schröder setzt auf Kontinuität bei den Klubkonzepten. Aber auch in Mainz wird es schwieriger, den Fans Mittelmaß als Abenteuer zu verkaufen. Gegen die Bayern ist das Stadion des Karnevalsvereins erstmals in dieser Saison ausverkauft, im Schnitt bleiben rund 8000 Plätze pro Heimspiel leer, in der Europa League war der Besuch noch schwächer: "Die Leute bei Laune zu halten, ist nicht einfach", weiß Schröder. Der Sportchef ist aber überzeugt, dass es "trotz großer Budgetunterschiede möglich ist, die Lücke zu den Großklubs immer mal wieder zu schließen". Aus der Underdog-Rolle heraus weiterhin Erfolge anzustreben, hält Schröder für den richtigen Weg: "Wir wollen realistisch sein, aber uns nicht kleiner machen, als wir sind."

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