Mainz:Die 90-Minuten-Handwerker

1. FSV Mainz 05 - Hamburger SV

Trost vom Vorgänger: Der Mainzer Torwart René Adler, früher beim HSV, baut den aktuellen Hamburger Keeper Christian Mathenia auf.

(Foto: Arne Dedert/dpa)

Der FSV zeigt dem unterlegenen Hamburger SV, dass Engagement belohnt wird.

Von Christoph Ruf, Mainz

Der Hamburger Torwart schüttelte nur den Kopf. Nein, das Spiel, das da gerade zu Ende gegangen war, wollte er nicht kommentieren. Auch den Ordnern, die ihm aufmunternde Worte zusprachen, nickte er nur kurz zu. Christian Mathenia wurde am 31. März 1992 in Mainz geboren, er hat lange beim FSV 05 gespielt. Wenn man mit solch einer Biografie einen entscheidenden Gegentreffer verursacht, kann der eigene Manager noch so ritterlich für einen in die Bresche springen - man will dann nur noch weg.

Der Sportdirektor des Hamburger SV hingegen musste dableiben "Das war vielleicht keine Top-Leistung heute von Christian", antwortete Jens Todt auf eine entsprechende Frage. "Aber wir haben kein generelles Torwartproblem." Das mag sein, zumindest hat Mathenia die meisten seiner bislang 22 Bundesligaspiele für den HSV ordentlich bis gut über die Bühne gebracht, so dass man die generellen Hamburger Probleme anderswo suchen muss. Nämlich dort, wo sie auch der genervte Trainer Markus Gisdol ausgemacht hat: vorne und hinten. Vor dem eigenen und vor dem gegnerischen Tor fehle seiner Elf die "Konsequenz", monierte der Trainer. Und meinte dabei nicht nur Mathenias Fauxpas beim Mainzer Treffer zum 3:1, als er einen harmlosen Schuss von Danny Latza durch die Finger gleiten ließ. Auch bei den beiden anderen Mainzer Toren durch Alexandru Maxim und Stefan Bell durfte sich der Schütze so unbelästigt wie beim Garten-Kick mit den eigenen Kindern fühlen. Und tatsächlich wäre es spannend gewesen zu sehen, wie die Partie verlaufen wäre, wenn André Hahn kurz vor der Halbzeit einfach das Naheliegende getan und den Ball völlig freistehend ins kurze Eck geschoben hätte. Stattdessen wählte er den Brachial-Schuss gegen die Laufrichtung des Keepers - und traf die Latte. "Das ist ja unser altes Thema, die Chancenverwertung", sagte der reuige Sünder nach dem Spiel. Und hätte dabei auch noch hinzufügen können, dass die Auswärtsbilanz auch so ein altes Thema ist.

Der HSV hat eines der letzten 13 Spiele in der Fremde gewonnen. Da ist es eigentlich kein Wunder, dass die Fans in der erneut ausverkauften Gästekurve einen gewissen Zynismus entwickeln: "Heute woll'n wir saufen, bis der Schipplock trifft", sangen sie nach dem Spiel im Mainzer Hauptbahnhof. Wohlwissend, dass das bei der Torquote des Einwechsel-Stürmers - kein Treffer in 24 Einsätzen für den HSV - nichts Gutes für die eigenen Leberwerte bedeuten kann. Viertletzter ist der Hamburger SV nun; weil der SC Freiburg hoch beim FC Bayern verlor, blieb der Absturz auf die Abstiegsränge erst einmal erspart. Doch zum kommenden Heimspiel werden die Münchner erwartet, die gegen den HSV gerne noch höher gewinnen als nur 5:0 wie gegen Freiburg. Da sollte man aus Hamburger Sicht jetzt nicht zwingend von einer Trendwende ausgehen.

In Mainz, wo man vor der Partie noch punktgleich mit dem HSV im unteren Tabellendrittel verharrte, passte die Stimmung derweil zum T-Shirt-Wetter. Danny Latza, der im Dezember drei Mal gegen den HSV getroffen hatte, konnte wieder eine Torprämie kassieren, Keeper René Adler blieb gegen den alten Arbeitgeber fehlerfrei. Und, was noch viel wichtiger ist: Es gab mal wieder eine Bestätigung für die Weltsicht der Mainzer, dass sie durchaus konkurrenzfähig sind, wenn sie so engagiert und konzentriert ihrem Job nachgehen wie sie das am Samstag getan haben. Es ist kein Zauberfußball, der da unter Sandro Schwarz geboten wird. Den gab es auch unter Vorgänger Martin Schmidt nur selten zu sehen. Aber wer in Mainz ins Stadion geht - und gegen den HSV waren das endlich mal wieder über 30 000 Menschen -, bekommt 90 Minuten lang hoch engagiertes Handwerk zu sehen.

Besonders gut gelaunt war der frühere HSV-Profi René Adler

Und neuerdings haben sie im Tor ja auch noch einen Mann stehen, der überregional bekannter sein dürfte als der Rest des Teams zusammengenommen: René Adler jedenfalls ging nach dem Spiel gelöst und gut gelaunt vor die Mikrofone. Und musste vor jedem einzelnen noch mal wiederholen, dass er sich - Überraschung - tatsächlich keinen Sieg des ehemaligen Arbeitgebers über den aktuellen gewünscht hätte: "Ich bekomme mein Geld von Mainz 05 und nicht vom HSV, da freue ich mich jetzt über die drei Punkte für unsere Mannschaft", sagte er. Etwas gefühliger schob er dann nach, dass er den Hanseaten natürlich dennoch eine prima Saison wünsche. "Aber die nächsten Spiele können die Hamburger von mir aus natürlich gerne gewinnen." Das dürften die HSV-Fans auch so sehen, egal, ob dann auch Schipplock trifft oder nicht.

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