Magdalena Neuner kündigt Rücktritt an:Abschied einer genervten Strahlefrau

Mit nur 24 Jahren erklärt Magdalena Neuner überraschend ihren Rücktritt, nach der Heim-WM 2012 in Ruhpolding soll Schluss sein. Das passt zu einer Frau, die ihren eigenen Sport nie zu wichtig nehmen wollte - und trotzdem als Gesicht des deutschen Biathlons genutzt wurde. Für den Verband ist es der erwartet harte Schlag.

Carsten Eberts

Die Geschichte des Rücktritts von Magdalena Neuner begann bereits vor mehr als einem Jahr. Im Herbst 2010, bei der offiziellen Einkleidung des deutschen Biathlon-Teams, sprach sie erstmals über Rücktrittsgedanken. Sie wolle nicht ewig in ihrem Sport verhaftet bleiben, sagte Neuner, wolle sich ihr Ende als Leistungssportlerin offen lassen. Das überraschte: Denn Neuner war nicht bereits 30 Jahre alt. Sondern erst 23.

Ein Jahr lang hielten sich nun die Gerüchte, mal lauter, mal leiser. Zuletzt im Sommer, als die Zeitungen über Biathlon wenig Neues zu schreiben hatten, wurde Neuners zögerliche Haltung offen debattiert. Würde die beste deutsche Biathletin tatsächlich frühzeitig ihre Karriere beenden? Etwa nach der Heim-WM 2012 in Ruhpolding, dem Großereignis für die deutschen Biathleten schlechthin? Oder wäre dieser Zeitpunkt nicht viel, viel, viel zu früh?

Am Dienstagmorgen veröffentlichte Neuner auf ihrer Homepage einen langen Brief - und beendete damit die Spekulationen: "Eigentlich hatte ich geplant, Euch das schon vor zwei Wochen zu sagen, aber leider war mir das aus organisatorischen Gründen nicht möglich und ich musste einen späteren Termin wählen. Das war mir sehr unangenehm, weil ich eigentlich von Anfang an ehrlich und offen mit dem Thema umgehen wollte", schreibt Neuner.

Und kündigte umgehend ihren Rücktritt an: "Ich werde meine Karriere als Biathletin nach dem Winter beenden. Ich habe eine Entscheidung getroffen, die für mich persönlich richtig und auch sehr gut überlegt ist, und ich bin froh, dass ich endlich ehrlich das aussprechen kann, was ich denke."

Der Zeitpunkt ihres Rücktritts überrascht. Neuner ist erst 24 Jahre alt, hätte auch ohne allergrößte Anstrengung noch locker zwei, drei Jahre die Biathlon-Weltspitze dominieren können. Sie hatte zuletzt ihr Management gewechselt, außerdem einen guten Weg gefunden, sportlich mit den hohen Erwartungen an ihre Person zurechtzukommen. In Östersund, beim Weltcup-Auftakt, gewann sie gerade das 25. Einzel-Weltcuprennen ihrer Karriere.

Neuner entschied sich trotzdem gegen den Sport - und für das Privatleben. Der Hype um ihre Person wurde ihr offenbar zu viel. Sie zeigte sich oftmals genervt über die Ausmaße des Interesses an ihrer Person, wollte sich nicht als Heldin feiern lassen, was im Zuge ihrer Erfolge trotzdem geschah. Neuner prangte auf Plakaten, gab unzählige Interviews, strahlte überall. Das Gesicht ihrer Sportart wollte sie nie sein - und wurde es dennoch.

"Ich habe einfach das Gefühl, dass die Zeit reif ist für eine Veränderung und mich nach dem Sport etwas Neues, ganz Tolles erwartet", schreibt Neuner nun. Sie ist zehnfache Weltmeisterin, dazu doppelte Olympiasiegerin. Die nächsten Winterspiele, 2014 in Sotschi, waren kein Anreiz mehr für sie.

Kein Geheimnis machte Neuner zudem daraus, dass auch das eigene Privatleben ein schwerwiegender Grund für ihre Entscheidung ist. "Irgendwann spielt auch das Thema Familienplanung für mich eine Rolle", schreibt Neuner auf ihrer Homepage, "das können bestimmt gerade die Frauen unter Euch gut nachvollziehen."

Schock für den Verband

Neuner sieht sich nicht als Mutter, die nebenbei versucht, in ihrem Sport wieder Fuß zu fassen und ständig Kompromisse machen muss. So wie die Norwegerin Liv Grete Poirée, die zwar stets mit ihrem Mann Raphael, jedoch auch mit eigener Babysitterin zu den Weltcups anreiste. "Zum einen sehne ich mich nach Normalität, nach ein wenig mehr Ruhe und danach, einfach mal die Dinge machen zu können, die ich nie machen konnte", schreibt Neuner. Mit ihrem Leben als Profisportlerin war dieser Wunsch nicht vereinbar.

Für den Deutschen Skiverband (DSV) ist Neuners Rücktritt die erwartet harte Nachricht. "Wir verlieren eine Athletin, die nicht zu ersetzen ist. Das ist natürlich ein schwerer Schlag für uns, aber wir müssen das akzeptieren", sagte Frauen-Bundestrainer Gerald Hönig: "Für unsere Mannschaft gibt es keinen Ersatz. Wir müssen nun versuchen, vor den Olympischen Spielen in Sotschi Athletinnen zu entwickeln, die dort konkurrenzfähig sind, aber zu ersetzen ist Magdalena nicht."

Enttäuscht äußerten sich auch andere Weggefährten. Doppel-Olympiasieger Michael Greis etwa, der sagte: "Sie hat ja immer schon gesagt, dass sie Biathlon nicht ewig machen will. Es ist eigentlich schade, weil sie die Person ist, die das in Deutschland hochhält, die Strahlefrau sozusagen."

Verständnis zeigte hingegen ihre frühere Teamkollegin Kati Wilhelm: "Magdalena ist keine, die auf Superlative aus ist. Sie weiß, dass sie das, was sie wollte, geschafft hat. Sie hängt an zu Hause. Andere sind gern unterwegs, sie ist am liebsten daheim. Ich habe erst gemerkt, als ich aufgehört habe, welchen großen psychischen Druck man das ganze Jahr über hat. Als ich das nicht mehr hatte, habe ich gemerkt, wie schön das ist."

Die WM in Ruhpolding soll das letzte Großereignis sein. Dem Eindruck, sie lege mit ihrem Rücktritt einen Schatten auf die gesamte Saison, will Neuner aber entgegenwirken: "Jetzt freue ich mich erst einmal sehr auf den bevorstehenden Winter, vor allem natürlich auf die WM in Ruhpolding, auf Euch Fans, die tolle Stimmung in den Stadien und die schönen Dinge, die ich im Sport noch erleben darf. Es wird für uns alle bestimmt eine ganz schöne Saison und ich würde sagen: Lasst sie uns einfach so richtig genießen und zusammen feiern."

Danach soll jedoch Schluss sein. Mit gerade erst 25 Jahren.

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