Magdalena Neuner bei der Biathlon-WM:Heldenverehrung und Verklärung

Magdalena Neuner überstrahlt die Biathlon-WM in Ruhpolding. Der Umgang von Fans und Medien gleicht der Verehrung einer Heldin - die 25-Jährige erträgt das gelassen. Nur manchmal bricht eine andere Seite aus ihr heraus.

Carsten Eberts, Ruhpolding

Manchmal wirkt es, als hätte Magdalena Neuner ihren Nachnamen abgelegt. "Die Lena" oder gar "Gold-Lena" wird sie von vielen Fans gerufen, als wären diese Leute mit ihr zur Schule gegangen, oder würden seit Jahren mit ihr in einem Haus wohnen. Jeder ruft sie, jeder will sich mit ihr fotografieren lassen, jeder will ein Lächeln von ihr. Und Magdalena Neuner? Lächelt tapfer.

Biathlon-WM 2012

Magdalena Neuner und die Fans: Eine herzliche, aber nicht immer leichte Verbindung.

(Foto: dpa)

Es gibt viele Gründe, die Deutschlands beste Biathlon-Frau dazu bewogen haben, nur noch diese Weltmeisterschaften zu bestreiten und dann ihre Karriere mit 25 Jahren frühzeitig zu beenden. Obwohl sie gewiss noch viele Jahre auf Topniveau agieren könnte. Neuner hat alles erreicht. Sie will irgendwann eine Familie gründen. Ein Grund ist auch der ausufernde Trubel um ihre Person.

Im Dezember 2011, am Tag ihrer Rücktrittsankündigung, hatte Neuner viel von ihren Gefühlen gesprochen. Dass die Zeit reif sei für Veränderung. "Zum einen sehne ich mich nach Normalität, nach ein wenig mehr Ruhe", schrieb Neuner ihren Fans, "und danach, einfach mal die Dinge machen zu können, die ich in meinem Sportlerleben nie machen konnte."

Von Normalität ist in Ruhpolding dieser Tage nichts zu merken, wie auch: Neuner ist das alles überstrahlende Gesicht dieser WM, jeder will sich von ihr verabschieden. Sie hat bislang die meisten Medaillen gewonnen, prangt auf Plakaten und Werbewänden. Auch die Fans haben Plakate gemalt, viele Hunderte. Was darauf steht, kommt einer Heldenverehrung gleich. Und natürlich soll sie nichts weniger als alle Rennen gewinnen.

Nur: Ist das nicht schon Verklärung?

Nur manchmal bricht es aus Neuner heraus. Wenn sie das, was um sie herum geschieht, als allzu ungerecht empfindet. Am Sonntag etwa, nach dem Verfolgungsrennen, als Neuner hinter der Weißrussin Darja Domratschewa auf Platz zwei ins Ziel kam. Da wurde sie gefragt, ob für die beste Biathletin der Welt die Silbermedaille nicht bereits die erste Verlierer-Medaille sei.

Neuner antwortete ernst: "Das ist die Mentalität vieler Fans. Sie sind mit Silber nicht zufrieden. Und mit Bronze schon gar nicht." Sie hatte ausdrücklich Fans gesagt. Nicht Medien. Dann stellte Neuner noch mal klar: "Ich bin superzufrieden mit dieser Silbermedaille. Ich bin schon Weltmeisterin. Das ist alles, was ich wollte."

Kurz zuvor war sie noch über die Strecke gesprintet. Am Rand in der Menge stand ein älterer Mann, viel rief er Neuner nicht entgegen, nur: "Leeenaaaaa. Gooooold."

Magdalena Neuner sagt: "Ich teile die Mentalität der vielen nicht."

Nur noch wenige Tage

Schon nach ihrer Goldmedaille im Sprint hatte es eine solche Situation gegeben. Die obligatorische Pressekonferenz war beendet, als Neuner noch mal das Wort erhob und ihren Kopf zum Mikro senkte. "Ich möchte noch etwas loswerden", begann sie. In einer großen, bunten deutschen Tageszeitung war ihr Teamkollege Arnd Peiffer tags zuvor als "Panne-Mann" tituliert worden. Weil er Neuner, so die Schlagzeile, mit seinen Schießfehlern das erste Gold "verballert" hätte.

Neuner erklärte nun: "Der Arnd hat in der Mixed-Staffel einen tollen Job gemacht und uns die Bronzemedaille gerettet. Ich finde, dass das nicht in Ordnung ist. Die Leute sollten sich wirklich überlegen, was sie schreiben." Für ihre Worte gab es spontanen Applaus.

Ansonsten hat sich Neuner aber sehr gut im Griff. Es gibt natürlich auch die schönen Momente: Nach der Goldmedaille im Sprint, als sie unter dem Jubel der Zuschauer in die Ruhpoldinger Arena eingelaufen war, sagte sie: "Es ist gigantisch. Ich bin noch nie vor einem so tollen Publikum gelaufen." Das war ernst gemeint, denn es war der Moment, als sich die WM für Neuner selbst bereits gelohnt hatte. Der ersehnte Titel im eigenen Land.

Neuner befindet sich in einer komfortablen Situation: Sie hat ihr Karriereende frühzeitig angekündigt, hat in ihrem Sport genügend Geld verdient. Sie kann sagen, was sie will. Bald ist dieses aufgeregte Leben vorüber. Geduldig beantwortet sie deshalb alle Fragen, lässt sich fotografieren, winkt ins Publikum, zeigt sich als vorbildliche Sportlerin. Es sind ja nur noch wenige Tage im vordersten Rampenlicht.

Sie kann die Tage rückwärts zählen. An diesem Montag sind es noch genau sieben in Ruhpolding plus der Abschieds-Weltcup im abgeschiedenen Chanty-Mansijsk in Russland. Sie wird das schaffen.

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