Madrids Niederlage gegen Juventus:Real scheitert an sich selbst

Lesezeit: 3 min

Diesmal kein Finale für Cristiano Ronaldo. (Foto: Getty Images)
  • Eine Halbzeit lang hat Real Madrid Chance um Chance, doch es reicht nur zum Führungstreffer durch Cristiano Ronaldo. In der zweiten Halbzeit gleicht Álvaro Morata aus.
  • Damit steht Juventus Turin im Finale der Champions League und trifft in Berlin auf den FC Barcelona.
  • Hier geht es zu den Halbfinal-Partien der Champions League.

Von Carsten Eberts

Das Ziel lautete: Geschichte schreiben. Kleiner ging es bei Real Madrid mal wieder nicht. Noch nie konnte ein Titelverteidiger in der Champions League im darauf folgenden Jahr erneut den silbrigen Henkelpott gewinnen - und wo wäre dieses Novum besser aufgehoben gewesen, als in den Annalen des aufgeregtesten Klubs der Welt.

"La Décima", den zehnten Sieg in der Königsklasse, konnte Real 2014 feiern, im Finale gegen den Stadtrivalen Atlético. "La Undécima", der elfte Titel, bleibt Madrid jedoch verwehrt. Real kam im Halbfinal-Rückspiel nicht über ein 1:1 (1:0) gegen Juventus Turin hinaus - Cristiano Ronaldo hatte per Elfmeter zur Führung getroffen (23. Minute), Álvaro Morata den Ausgleich erzielt (57.). Zu wenig für Real, zu wenig für "La Undécima".

"Es ist heute so gelaufen, wie wir das gehofft hatten", jubilierte Juve-Torwart Gianluigi Buffon, "aber wir fahren nicht als Touristen nach Berlin, wir haben dort eine Partie zu spielen." Richtig, wenn auch gegen einen bockstarken Gegner: gegen den FC Barcelona.

Juventus spielt weniger defensiv als erwartet

Dagegen dürfte die Stimmung in Madrid in den kommenden Tagen noch ein wenig schlechter werden, als sie es ohnehin schon war. Da hatte Real gegen Valencia fast sicher die spanische Meisterschaft verspielt. Da wurde der Disput zwischen Vereinsikone Iker Casillas und den eigenen Fans hochgekocht, so dass sich das Madrider Blatt Marca veranlasst sah, zumindest für das Juve-Spiel eine "Waffenruhe" auszurufen. Und da war die Angst, nach dem suboptimalen Hinspiel-Ergebnis auch noch das Finale der Champions League zu verpassen.

Diese Angst schien wohlbegründet, gereichte dem Gegner doch ein Unentschieden zum Weiterkommen, sogar ein 0:0. Da ist es Pech, wenn es gegen ein italienisches Team geht - und besonderes Pech, wenn der Gegner Juventus Turin heißt. Kein einziges Gegentor hatte Juve in den vorherigen drei Auswärtsspielen in der Champions League kassiert; Reals Auftakt geriet trotzdem stürmisch. Schon nach 34 Sekunden setzte Gareth Bale einen Kopfball drüber, kurz darauf drehte sich der genesene Karim Benzema im Strafraum, drosch den Ball aber ebenfalls vorbei (5.).

Auch Ronaldo stellte früh klar, dass mit ihm heute zu rechnen war: Seinen ersten Freistoß ließ er nur knapp über das Tor von Juve-Keeper Gianluigi Buffon zischen (11.). Juventus schaute zunächst hinterher, reagierte aber weit weniger defensiv als erwartet. Keine Spur von zehn Feldspielern neben ihrem Torwart auf der Torlinie, die zudem am liebsten den Mannschaftsbus im Fünfmeterraum parken würden. Flink schoben die Italiener ihre Reihen nach vorne, die beste Chance hatte zunächst Arturo Vidal, dessen Schuss Casillas (übrigens mit Applaus empfangen) aus der rechten, unteren Ecke fischte (14.)

Doch Real übernahm sofort wieder. Bale schickte einen krachenden Linksschuss auf Buffons Tor, den der Italiener mit Mühe entschärfte (20.). Kurz darauf der verdiente Führungstreffer: Chiellini und James Rodriguez kollidierten im Strafraum, wohl ein berechtigter Strafstoß. Ronaldo stellte sich breitbeinig auf, lief starren Blickes an - und haute den Ball mittig unter die Latte (23.). Auch im 24. Champions-League-Heimspiel in Serie hatte Real getroffen.

Der Plan der Madridistas schien da noch aufzugehen. Ronaldo hätte gar erhöhen müssen, als er, von Benzema im Konter herrlich bedient, den Ball im Strafraum glockenfrei vertrödelte (29.). Kurz vor der Pause wollte Real dann das Ergebnis endgültig in die Höhe schrauben. Binnen Sekunden trafen Ronaldo und Benzema jeweils das Außennetz. Real hätte zu diesem Zeitpunkt gut und gerne 4:0 führen können. Juve hatte unverschämtes Glück in dieser Phase.

Pressestimmen zur Champions League
:"Barça hat einen zweiten Messi"

Die spanischen Zeitungen sind überwältigt von Barcelonas Sturmtrio, vergessen aber auch Torwart Marc-André ter Stegen nicht. Eine italienische Zeitung hat einen Messi-Klon gefunden. Die Pressestimmen zum Champions-League-Halbfinale.

In der zweiten Halbzeit wurde Real für ebendiese Nachlässigkeiten bestraft. Juventus gelang es sehr italienisch, das Spiel zu beruhigen, Madrid einzulullen. Und plötzlich stand es 1:1. Nach einer Ecke bekam Real den Ball nicht aus der Gefahrenzone, ehe sich Morata das Spielgerät am Elfmeterpunkt schnappte und per Aufsetzer ins Netz schickte (57.). Morata also, der geburtige Madrilene, 2014 vom Hof gejagt - es war der Moment, als im Estadio Santiago Bernabéu die Luft entwich. In diesem Moment stand nicht Real, sondern Juventus im Finale.

Real reagierte wütend - und kopflos. Das Madrider Spiel bestand nun aus Distanzschüssen und verstolperten Bällen (hier tat sich besonders Bale hervor). Auf der Gegenseite hätte Marchisio gar alles klar machen können, doch er scheiterte aus der Nahdistanz an Casillas (68.). Auch Pogba hätte noch treffen können (88.). Juventus mauerte offensiv, und tat dies ungemein gut. Die Schlusspointe liefert dann noch Iker Casillas, der in der Nachspielzeit einen falschen Einwurf fabrizierte und Juventus somit den Ball schenkte. Der Titelverteidiger ist damit mal wieder raus, die Italiener stehen im Finale.

Dabei wollte doch Real Madrid in Berlin Geschichte schreiben.

© Süddeutsche.de/ebc - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: