Machtverschiebung in der Bundesliga:So wie einst Bayern und Mönchengladbach

Der vierte Sieg der Dortmunder in Folge gegen die Bayern trägt eine langfristige Botschaft in sich: Es ist zwar kein Machtwechsel, aber die Liga darf sich auf einen neuen Dualismus einstellen, wie es ihn in den Siebzigern schon einmal gab. Dass die Schalker am Samstag noch zu Suppenspuckern werden könnten, ändert nichts daran.

Klaus Hoeltzenbein

Seit 2001 ist Jürgen Klopp nun schon Cheftrainer, und er weiß, wo die Gefahren lauern. In Erinnerung hat man den 44-Jährigen noch, wie er, aufgeweicht von den eigenen Emotionen, im Spielerkreis die Runde machte, um seine Mainzer zu trösten, die in letzter Sekunde den Aufstieg in die erste Liga verpassten. Zweimal geschah dies, 2002 und 2003, Dramatik, Tragik, Tränen - so etwas vergisst keiner, es konditioniert einen Pädagogen ein Trainerleben lang.

Und so hat Klopp am Mittwoch auch nur kurz den Affen gemacht, sich wie ein Orang-Utan mit den Fäusten auf den Brustkorb getrommelt, bald aber den Urtrieb gedrosselt und realistisch in die Zukunft, auf Samstag geschaut: "Schalke will uns in die Suppe spucken!"

Nichts wäre den Königsblauen lieber, würden sie den Titelkampf, den alle jetzt zu Gunsten von Klopps Dortmundern für entschieden halten, doch noch in ein Herzschlag-Finale überleiten können. Zwar ist es in dieser Liga nie zuvor gelungen, sechs Punkte Vorsprung zu verdaddeln, wenn ein Klub sie vier Spieltage vor Saisonende besaß, aber was nicht war, kann werden: Würden die Schalker ab 15.30 Uhr tatsächlich zu Suppenspuckern werden und könnten die Bayern dann ab 18.30 Uhr daheim gegen Mainz noch einen sauberen Konter fahren, dann, ja dann . . .

Das ist ein kurzfristiges Szenario; wichtiger aber für das Binnenklima der Bundesliga ist die langfristige Botschaft, die spätestens durch das 1:0 besiegelt wurde. Nach den drei Siegen der Borussen zuvor gegen den FC Bayern hieß es: Momentaufnahme, Betriebsunfall, ein Muster ohne Dauerauftrag, die Wirtschaftskraft des Südens schlage furchterregend zurück. Sieg Nummer vier in Serie aber muss als Dokument des Wandels akzeptiert werden, er entlarvt Botschaften wie jene des Dortmunder Kapitäns Sebastian Kehl ("Einen Machtwechsel wird es auf Jahre hinaus nicht geben") als Koketterie, hinter der sich Borussia künftig nicht mehr tarnen kann.

Nicht auf den Machtwechsel, wohl aber auf ein neues Machtgefüge, einen neuen Dualismus darf sich die Liga einstellen. Ähnlich wie im Dauerduell der siebziger Jahre zwischen den Bayern und Borussia Mönchengladbach. Denn im Gegensatz zu den Münchnern haben die Dortmunder ihr Haus bis 2016 bestens bestellt, unabhängig vom Vertragspoker mit den Offensivkünstlern Lewandowski und Kagawa.

Alternativen stehen schon bereit im Gladbacher Marco Reus oder Jungsiegfried Mario Götze, der, das wird oft vergessen, in der Rückrunde nur Zuschauer war. Noch nicht zur erfolgreichen Titelverteidigung, wohl aber zur schönen Perspektive darf man Dortmund bereits jetzt gratulieren - diesem Klub, der 2005 fast pleite war.

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