Machtkampf beim TSV 1860:"Da wird eine Mär aufgebaut"

11 04 2015 Fussball 2 Bundesliga 2014 2015 28 Spieltag Eintracht Braunschweig TSV 1860 München; Basha Mayrhofer

Miteinander? Oder nur nebeneinander? 1860-Präsident Mayrhofer (links) und Investorenvertreter Basha.

(Foto: imago/MIS)

Von Markus Schäflein und Philipp Schneider

Am Wochenende hat sich Noor Basha mal wieder bei Instagram gemeldet. Diesmal nutzte der Cousin und Münchner Statthalter des jordanischen Investors Hasan Ismaik das soziale Netzwerk allerdings nicht für kryptische Drohbotschaften ans Präsidium des TSV 1860 München, sondern, innerlich fast schon romantisch gestimmt, als digitale Postkarte: Der 29-Jährige postete ein Foto des idyllischen Attersees im Salzkammergut, an dem er offenkundig Inspiration tanken wollte für den Machtkampf beim Fußball-Zweitligisten.

Dieser Machtkampf dreht sich um die Rolle des Sport-Geschäftsführers Gerhard Poschner, der den von Basha und dem Präsidium um Gerhard Mayrhofer gleichermaßen gewünschten großen Umbruch gestaltete - dabei aber derart scheiterte, dass der Klub beinahe in die dritte Liga abstieg.

Während die Vereinsvertreter die Personalie korrigieren und den früheren Spielervermittler entlassen wollen, bleibt Basha ihm treu, wie er in einem Interview mit dem Münchner Merkur am Montag noch einmal betonte. "Wir glauben an Poschner. Wir geben ihm Zeit", sagte Basha, "natürlich trägt er die Verantwortung, aber mir gefällt das Wort ,gescheitert' nicht." Er stehe "hinter Poschners starker Persönlichkeit, hinter seiner Philosophie und seiner Unabhängigkeit". Da hatte Basha die Punkte aufgelistet, an denen Mayrhofer, seine Präsidiumskollegen und der Verwaltungsrat des Vereins Zweifel hegen dürften.

Dass die Vereinsvertreter eine abweichende Meinung in der Personalie Poschner haben, führte dazu, dass Basha die Strukturen des Vereins als ungeeignet für ein großes Investment bezeichnete. "Bei 1860 fehlen die Sicherheiten", klagte er. "Wenn jemand richtig Geld investieren will, dann muss das Projekt solide, stabil sein. Das Problem ist: Bei Sechzig haben viele etwas zu sagen. Der Präsident spricht, der Verwaltungsrat spricht. Es gibt viele Einflüsse von außen. Wir sind einfach nicht Red Bull oder Hoffenheim oder Ingolstadt."

Das sollte eine Erklärung sein, weshalb Ismaik auch in der vergangenen Saison mal wieder nicht im erhofften und angekündigten Umfang investierte. Doch kein Präsidium hat Ismaik den roten Teppich derart schwungvoll ausgerollt wie das amtierende um Mayrhofer. Die ersten Monate seiner Amtszeit bestanden ausschließlich daraus, das gute Verhältnis zu beschwören und interne Strukturen anzupassen. Allein - investieren wollte Ismaik auch in der vergangenen Spielzeit nicht in größerem Stil.

"Da wird eine Mär aufgebaut", kontert Verwaltungsratschef Siegfried Schneider gegenüber der SZ Bashas Ausführungen: "Dieses Präsidium hat alles getan, um mit Hasan Ismaik in Partnerschaft zu arbeiten. Und der Verwaltungsrat und sein Vorsitzender haben eineinhalb Jahre keinerlei öffentliche Äußerungen getan, damit das Präsidium mit Hasan Ismaik in Ruhe arbeiten kann." Er habe sich nach dieser langen Zeit in der Sportchef-Frage "einmal geäußert - weil ich es für dringlich gehalten habe".

Bashas Einschätzung sorgte nicht nur in den Gremien für Aufregung, sondern auch in den zahlreichen Löwen-Foren, die es im Internet so gibt - natürlich möchten die Fans nicht, dass ihr Klub so wäre wie Red Bull, Hoffenheim oder Ingolstadt. "Wenn Noor Basha Red Bull als Vorbild sieht, hat er 1860 nicht verstanden", sagt Schneider, "1860 ist kein Investorenmodell, sondern eine Familie."

Protestmarsch der Fans gegen Poschner

Auch Mayrhofer kann Bashas Anmerkungen kaum nachvollziehen. "Dass Sechzig nicht vergleichbar ist mit einem normalen Unternehmen, ist nicht von der Hand zu weisen", sagt er, "aber ich halte es nicht für unmöglich, damit umzugehen. Ein investitionsfreundlicheres Präsidium als das jetzige kann man sich gar nicht wünschen, wir versuchen ja zu kooperieren, in jegliche Richtung."

Zum Showdown im Familienstreit könnte es nun kommen, wenn der Verein die allerletzte Karte zieht, die er hat: die von der Deutschen Fußball-Liga vorgegebene 50+1-Regel, nach der der Stammverein immer das letzte Wort hat. Der Verwaltungsrat müsste das Präsidium anweisen, den Beirat der Geschäftsführungs-GmbH faktisch außer Kraft zu setzen und Poschner an Ismaik und Basha vorbei zu entlassen. Es dauerte dem Vernehmen nach ein paar Tage, diese Möglichkeit juristisch zu prüfen und sich ein Meinungsbild der Räte zu verschaffen. Unter allen Mitgliedern des Verwaltungsrats herrscht mittlerweile offenbar Einvernehmen darüber, einen solchen Schritt notfalls zu gehen.

Zuvor strebt der Verein noch eine Last-Minute-Einigung mit Investor Ismaik an. Denn wie der Jordanier, der ja aus der Ferne einen rein rationalen Blick auf Poschners Werk werfen könnte, persönlich die Sache sieht, ist offen: Es spricht längst nur noch Basha für die Investorenseite. Mayrhofer hofft noch auf einen "kooperativen Weg", sagte er: "50+1 ist die allerletzte Konsequenz. Wenn man das macht, ist viel passiert vorher."

Ein Abschied von Poschner wäre angesichts eines noch zwei Jahre gültigen Vertrags mit Kosten verbunden, eine Abfindung im Bereich von mindestens 200 000 Euro wäre fällig. Womöglich hat Ismaik darauf schlicht keine Lust mehr. Doch ein Festhalten am Sport-Geschäftsführer könnte Folgekosten generieren und wird zudem immer schwieriger: Für Samstag haben 1860-Anhänger, angeführt von den Allesfahrern Franz Hell und Roman Wöll sowie verschiedene Fanklubs, einen Protestmarsch gegen Poschner am Trainingsgelände organisiert.

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