Machtkampf bei 1860 München:Ende eines unwürdigen Schauspiels

1860-Präsident Dieter Schneider verliert den Machtkampf mit Investor Hasan Ismaik - und tritt zurück. Gezwungen hat den scheidenden Präsidenten niemand, im ewigen Intrigantenstadl TSV 1860 München laufen solche Prozesse sehr viel subtiler ab.

Von Sven Haist und Philipp Schneider

Diejenigen, die dabei sein durften bei diesem durchaus bizarren Schauspiel, sollten sich sehr viel später noch fragen, wie genau sich der Präsident seine Entscheidung überlegt, wie lange er an seinen Worten gefeilt hatte. Denn wenn ein Mensch ankündigt, sein Amt abzulegen, an dessen Macht und Vorzüge er sich über die Jahre gewöhnt hatte, dann plant er eher jedes Detail und ganz gewiss auch den Ort seiner Verkündung. Dieter Schneider entschied sich für den Container.

Der TSV 1860 München unterhält ja an der Grünwalder Straße dieses kleine metallische Kabuff, räumlich ausgelagert von der Geschäftsstelle fristet es seit Jahren ein tristes Dasein auf dem Gelände. Es ist eine Art Notunterkunft für Journalisten, die hier jede Woche den Worten der Fußball-Trainer lauschen, wenn mal wieder ein Spiel ansteht in der zweiten Liga, gegen Aalen oder Aue etwa.Und so lange man sich auch zurückbesinnen mag: Worte von, nun ja, historischer Dimension sind hier noch nie gesprochen worden.

Bevor der 1860-Präsident am Donnerstag seine Niederlage im seit eineinhalb Jahren schwelenden Machtkampf mit dem ersten arabischen Investor im deutschen Profi-Fußball bekanntgeben musste, vernahm er also noch des Trainers Weisheiten über den SV Sandhausen. "Nach vorne schauen", verkündete Alexander Schmidt, "Sandhausen positiv angehen", solche Dinge.

Schneider saß in der zweiten Reihe, mit den Fingern fuhr er noch durch das Informationsblättchen "Zahlen und Fakten zum Duell gegen die Sandhäuser", das es offenbar dringlich zu Studieren galt. Erst am Ende der Konferenz erhob er sich, trat auf das Podium und verlas mit Ruhe seine Stellungnahme.

"Das Thema Präsidiumsbesetzung hat inzwischen ein Niveau erreicht, das für das ohnehin angeschlagene Ansehen des Vereins schädlich ist", hob Schneider an, "die vom Aufsichtsrat nun wiederum aufgeschobene Entscheidung über die Besetzung des Präsidiums" mache "offensichtlich", dass ein "Vertrauen nicht in dem Maße vorhanden ist, wie es für eine gedeihliche Zusammenarbeit nötig ist." Deshalb, so Schneider weiter, habe er "nach reiflicher Überlegung den Entschluss gefasst, nicht mehr für eine weitere Periode zu kandidieren".

Nicht sein persönliches Zerwürfnis mit Vereins-Investor Hasan Ismaik also sei der Grund für seinen Amtsverzicht, sondern die bis dato ausgebliebene Nominierung durch seine einstigen, langjährigen Vertrauten im Aufsichtsrat des Vereins - die zuletzt von Schneider politisch abgerückt waren, indem sie sich eine wochenlange Bedenkzeit zur Nominierung des neuen Präsidiums erbeten hatten. Obwohl sie wussten, dass der Präsident für eine weitere Amtszeit zur Verfügung stehen würde.

Deshalb "ist es meines Erachtens nach an der Zeit, dass das unwürdige Schauspiel, das wir in dieser Frage der Öffentlichkeit bieten, beendet wird", sagte Schneider. Um seine eigene Würde zu wahren, musste er am Ende auch diesen unwürdigen Ort erwählen. War es für ihn ja die letzte Gelegenheit, aus einer Position der Stärke auf das Amt zu verzichten.

Flug zum Investor als Vorentscheidung

Bevor er wohl nicht nominiert worden wäre an diesem Freitag, den sich der Aufsichtsrat als Stichtag gesetzt hatte. Ein Eindruck übrigens, an dem auch jene am Nachmittag verschickte Pressemitteilung nichts mehr änderte, in dem die Ratsherren "Respekt und Bedauern" für Schneiders Rückzug bekundeten. Denn auch dort hieß es nur, 1860 verliere einen "Kandidaten" für das Amt - nicht aber seinen Wunschpräsidenten.

Es war ja so: Schon im Februar hatten sich Vertreter des Rats auf einen Trip nach Abu Dhabi begeben. Ohne das Präsidium, das ausdrücklich unerwünscht gewesen war, verbrachte die Delegation einen harmonischen Tag im Gästehaus des Investors. Sie speisten "arabische Köstlichkeiten", wie sie berichteten - und mitgebracht hatten sie einen Koffer mit Präsenten: Nymphenburger Porzellan, einen bayerischen Löwen und Spielzeug für Ismaiks Töchter.

So wurde dieser Flug in die Heimat des Investors zum vorentscheidenden Politikum. Weil in Abu Dhabi wohl auch die künftige sportliche Ausrichtung des Vereins besprochen wurde. Und weil Schneider nicht dabei war, der eine massive Verschuldung der Profifußball-KGaA zum Leidwesen des mit geliehenem Geld in die Bundesliga strebenden Jordaniers stets blockiert hatte. Die Reise markierte die Abwendung von einer kritisch kontrollierten Partnerschaft, für die der Präsident eingestanden war. Fortan sollten Entscheidungen abgesprochen werden, hieß es.

"Wir haben uns viel Mühe gemacht, um der DFL gegenüber Mitspracherecht für Herrn Ismaik einzuräumen", hielt Schneider nun dagegen - um klar zu machen, dass er dem Investor stets so weit entgegen gekommen sei wie rechtlich erlaubt war.

Der Aufsichtsrat hat sich nun zeitlichen Aufschub bis kommenden Donnerstag erbeten. Offenbar soll der Eindruck erweckt werden, der Rückzug des Präsidenten sei überraschend erfolgt - und Schneider womöglich doch noch nominiert worden. Doch wundern würde es kaum, würden die Räte nun recht zackig einen Kandidaten aus den eigenen Reihen benennen. Die politische Posse erhielte dann das Geschmäckle eines Umsturzes, der in Abu Dhabi erdacht wurde. "Einen Schneider zwingt man nicht", sprach Schneider zwar noch, doch auch dies entsprach nur seinem Versuch, einen Hauch von Würde zu wahren.

Und gezwungen hatte den scheidenden Präsidenten ja tatsächlich niemand. Im ewigen Intrigantenstadl TSV 1860 München laufen solche Prozesse sehr viel subtiler ab.

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