Lukas Podolski:"Was heißt denn erwachsen?"

Nationalspieler Lukas Podolski über sein erstes Jahr bei Bayern, das Vertrauen des Bundestrainers und den See vor seiner Tür.

Philipp Selldorf

SZ: Herr Podolski, wahrscheinlich ist das eine überflüssige Frage, aber trotzdem: Sie sind froh über Ihre Berufung zur Nationalmannschaft?

Lukas Podolski: Lukas Podolski: Nationalmannschaft macht Laune.

Lukas Podolski: Nationalmannschaft macht Laune.

(Foto: Foto: AP)

Podolski: Klar bin ich froh. Ich war ja vier Monate weg. Da habe ich mich schon gefreut, als der Bundestrainer vor unserem Spiel in Zürich (vergangenen Dienstag mit Bayern München, die Red.) angerufen hat, um zu fragen, ob ich mich fit fühle. Ich hab' ja gesagt, und dann hat er mich eingeladen.

SZ: Hat Sie das erstaunt, dass Sie nach der langen Pause so schnell wieder nominiert worden sind?

Podolski: Erstaunt nicht. Ich denke, dass ich zum Team dazugehöre. Aber ich habe mich trotzdem gefreut. Das zeigt mir das Vertrauen des Trainers. Er hätte ja auch sagen können: 'Wir warten noch.'

"Es ist schade, dass Mehmet Scholl nicht mehr da ist"

SZ: Vertrauen ist wichtig. Bei Bayern München haben Sie gerade Ihren größten Fan verloren - Mehmet Scholl gehört nicht mehr zum Team. Vermissen Sie ihn?

Podolski: Es ist schade, dass er nicht mehr da ist. Er ist ein Super-Mensch. Aber wir treffen uns noch außerhalb des Platzes und telefonieren viel miteinander. Er fehlt natürlich bei Bayern - aber irgendwann geht jede Karriere zu Ende.

SZ: Hat er Ihnen etwas beibringen können über den FC Bayern? So viel wie Scholl hat ja kaum einer erlebt beim Klub.

Podolski: Er hat mir viel erzählt. Auch davon, dass es am Anfang für ihn schwierig war beim FC Bayern und dass er überlegt hat, wieder wegzugehen. Dass Uli Hoeneß ihn überredet hat zu bleiben und dass er sich dann durchgeboxt und durchgekämpft hat. Den Rest kennt man ja ...

SZ: Sie haben ihn schon zu Kölner Zeiten verfolgt?

Podolski: Er war halt eine Größe beim FC Bayern, die Erfolge hingen ja mit ihm zusammen. Ich habe Glück gehabt, dass ich ihn kennen gelernt habe, dieses eine, letzte Jahr. Wir hatten auch außerhalb des Trainings viel Spaß, ich bin froh, dass wir zueinander gefunden haben.

SZ: Hat er Ihnen Ratschläge gegeben, Ihnen geholfen im ersten Jahr?

Podolski: Klar, er hat mir das ganze System bei Bayern erklärt und mir erzählt, wie es bei ihm gelaufen ist. Aber was heißt geholfen? Ich will das ja selber kennen lernen und will es selber erfahren, ich will nicht von jemand anderen hören, wie es ist oder wird. Außerdem sind wir ja Spieler auf verschiedenen Positionen gewesen. Er war Mittelfeldspieler, ich bin Stürmer. Er kann mir ja nicht sagen: 'Du musst die Freistöße so oder so schießen.' Erstens kann ihm diese Freistöße sowieso keiner nachmachen, und zweitens sind Freistöße nicht meine Aufgabe.

SZ: Haben Sie sich mittlerweile in Bayern akklimatisiert?

Podolski: Über das erste Jahr braucht man ja gar nicht mehr zu reden. Es lief halt nicht bei der Mannschaft, das hat man bei jedem Spieler gesehen, nicht nur bei mir, und ich hatte es als neuer Spieler doppelt schwer. Nirgendwo in der Bundesliga ist es so schwer wie beim FC Bayern, da muss man kämpfen und kratzen. Jetzt fühle ich mich viel wohler, erst recht, nachdem ich die Verletzung hinter mir habe. Es ist alles etwas einfacher geworden. Und jetzt haben wir eine starke Mannschaft, die in allen Wettbewerben angreifen will - ich bin froh, ein Teil davon zu sein. Jeder freut sich doch, wenn der FC Bayern nicht Meister wird. Dann ist es doppelt schön, wenn man am Ende den anderen 17 Vereinen die Schale zeigen kann.

SZ: Sie sagen, es sei alles einfacher geworden. Im Vorjahr waren Sie neben Makaay der zweite Stürmer, jetzt scheinen Sie aber hinter Klose und Toni nur der dritte Mann zu sein.

Podolski: Das liegt ja auch an meiner Verletzung, ich konnte mich bisher nicht beweisen und nichts beeinflussen. Jetzt kann ich mich wieder rankämpfen, und mein Ziel ist es auf jeden Fall, wieder zu spielen. Sonst müsste ich ja sagen: 'Ich setze mich auf die Bank oder ich suche mir lieber einen neuen Verein.' Mein Ziel ist es, zu spielen. Und dafür werde ich kämpfen. Es ist aber auch klar: Diskussionen um die Plätze in der Mannschaft gibt es immer, wichtig ist, dass wir gemeinsam Erfolg haben. Wenn ich am Ende dastehe und gewinne den Uefa-Pokal und werde deutscher Meister, dann bin ich froh - selbst wenn ich nur 20 Spiele und zehn Tore gemacht habe.

SZ: Der Trainerwechsel in München, die ständige Ansprache durch Ottmar Hitzfeld tut Ihnen gut, oder?

Podolski: Ich kenn das halt nicht anders. Es war in Köln bei meinen Trainern so und bei der Nationalmannschaft mit Rudi Völler, Jürgen Klinsmann und jetzt bei Jogi Löw: dass man miteinander redet und die Gespräche sucht. Die Mannschaft ist ja wie eine Familie, man will miteinander Erfolg haben. So sehe ich das. Dass man miteinander kommunizieren muss.

SZ: Und anders als Felix Magath tut Hitzfeld das?

Podolski: Er interessiert sich auch für den Alltag des Spielers. Er fragt halt auch, was außerhalb des Platzes ist, wie es der Freundin, der Familie geht. So etwas, finde ich, ist wichtig. Wenn man nur trainiert, trainiert, trainiert und kein Feedback vom Trainer bekommt, dann weiß man nicht, wo man steht. Aber das erste Jahr, das ist für mich Vergangenheit.

SZ: Haben Sie bei Hitzfeld auch taktisch dazugelernt?

Podolski: Klar. Ich kannte das zuletzt nur von der Nationalelf, da haben wir vor der WM viel einstudiert, Laufwege, Laufwege, Laufwege, aber das muss man ständig auffrischen. Am Anfang muss man sich da auch durchquälen, wenn man die Sachen zwanzig, dreißigmal wiederholt.

"Was heißt denn erwachsen?"

SZ: Man fragt sich immer, was eigentlich die richtige Position für Sie ist.

Lukas Podolski

"Links, rechts, Mitte - ich kann das, davon bin ich überzeugt."

(Foto: Foto: AP)

Podolski: Ich sehe mich nicht als Stoßstürmer oder als Stürmer, der vorne wartet und die Bälle ablegt. Ich sehe mich als Spieler, der auch aus dem Mittelfeld kommen kann.

SZ: In dem derzeit populären 4-2-3-1 würden Sie also gern in der Dreier-Reihe hinter dem einzigen richtigen Angreifer spielen wollen?

Podolski: So wie wir das in München zuletzt gespielt haben mit einem Stürmer. Links, rechts, Mitte - ich kann das, davon bin ich überzeugt. Wir haben das bei der Nationalelf auch schon gemacht, wenn ich hinter Miroslav Klose gespielt habe. Ich bin ein Spieler, der mit dem Ball was anfangen will und nicht nur ohne Ball in die Gasse läuft. Ich mag es nicht, nur vorne drin zu stehen und auf die Bälle zu warten, das ist nicht mein Spiel.

SZ: Sind Sie froh, dass Sie mit Klose jetzt auch im Verein zusammenspielen?

Podolski: Natürlich. Wenn man unsere Quote sieht - wir haben immer gut miteinander gespielt, das haben wir ja auch gut abgestimmt bei der Nationalmannschaft. So könnte es weitergehen.

SZ: Sie bekommen vermutlich jetzt eine Menge Ratschläge der Art: 'Das zweite Jahr bei Bayern, das ist das wichtigste.' Nervt das?

Podolski: Es gibt immer Leute, die von außen was sagen. Das gehört dazu. Mittlerweile ist mir das egal.

SZ: Hier ein zufällig aufgelesenes Beispiel. Lothar Matthäus, Anfang Juni: 'Podolski und Schweinsteiger müssen jetzt mehr tun.' Wirklich egal, wer was sagt?

Podolski: Mein Trainer ist Ottmar Hitzfeld. Wenn Lothar Matthäus, der keinen Verein trainiert, etwas sagt und in die Zeitung setzen lässt, dann kann ich damit nichts anfangen. Er wirft da einfach irgendetwas in die Luft.

SZ: Klaus Fischer, Torjägerlegende, nach dem Transfer von Miroslav Klose zum FCBayern: 'Poldi macht kein Spiel mehr bei den Bayern.'

Podolski: Am Sonntag habe ich in Hamburg mein erstes Spiel für Bayern gemacht. Basta. Fertig.

SZ: Haben Sie mal über das Angebot der Bremer nachgedacht, die Sie im Tausch mit Klose übernehmen wollten?

Podolski: Es gab Anfragen von mehreren Vereinen, nicht nur von Bremen. Klar, hat man da überlegt und ein bisschen geschaut, aber für mich war das nie ein Thema, nach einem Jahr bei Bayern weg zu gehen. Ich habe gesehen: Ich passe da hin, wir kriegen eine gute Mannschaft - warum soll ich das alles aufgeben und den Verein verlassen?

SZ: Hat Uli Hoeneß Einfluss genommen? Hat er Sie in sein Haus am Tegernsee eingeladen, vielleicht zum Baden?

Podolski: Nein, nein, ich habe selber einen See vor der Tür. Ist super. Da springe ich fast jeden Tag nach dem Training rein. Bei mir ist es schön ruhig. Ich fühl' mich einfach wohl in der Natur, und die Leute sind auch anders als in der Stadt.

SZ: Wenn es heißt: 'Bayern ist ein ernster Verein, Poldi muss jetzt erwachsen werden'. Denken Sie darüber nach?

Podolski: Was heißt denn erwachsen? Wenn ich meinen Spaß mache, dann mache ich meinen Spaß. Genau wie Franck Ribéry. Man muss als Typ so rüberkommen wie man ist, egal ob man damit erwachsen wirkt oder wie ein Kind. Ich weiß ja gar nicht, welchen Unterschied es da geben soll.

SZ: Mit Ribéry haben Sie sich seit dessen Ankunft einen Wettkampf der Streiche geliefert. Ist jetzt Frieden eingekehrt in der Kabine?

Podolski: Nein. Der Kampf geht weiter. Wenn er von der Nationalmannschaft zurückkommt, dann geht's wieder los. Wir haben uns gesucht und gefunden.

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