Lügenvorwurf gegen den DFB:Ballack zieht in den Rosenkrieg

Wer lügt - Michael Ballack oder der DFB? Im Streit über den Rauswurf durch Bundestrainer Joachim Löw steht es Aussage gegen Aussage. Der Ex-Kapitän macht dem Verband schwere Vorwürfe. Der deutsche Fußball diskutiert jetzt seinen eigenen Kachelmann-Fall - in einer banalen Variante, aber ähnlich bitter.

Philipp Selldorf, Leverkusen

Michael Ballack ging am Sonntagnachmittag vorschriftsmäßig seiner Arbeit als Profi von Bayer 04 Leverkusen nach und absolvierte mit seinen Kollegen ein Übungsspielchen auf Hockeytore, als bei einem der vielen Reporter am Trainingsplatz eine Nachricht auf dem Telefon einging.

Bayer Leverkusen - Training Session

Leverkusen-Spieler Ballack (beim Training am Sonntag): Wer hat Recht, er oder Löw?

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Der Absender war Michael Ballack, allerdings nicht der Bayer-Profi, sondern der ehemalige Nationalspieler. Und wieder war die unschöne Geschichte um den Abschied des verdienten Capitano a.D. aus der DFB-Auswahl um eine Wendung reicher. Nun steht Aussage gegen Aussage, der deutsche Fußball diskutiert jetzt seinen eigenen Kachelmann-Fall - in einer banalen Variante, aber mit ähnlicher Erbitterung in der Öffentlichkeit betrieben.

Das Treffen im März

Nachdem am Samstag der Deutsche Fußball-Bund in Gestalt von Generalsekretär Wolfgang Niersbach geschildert hatte, wie der Bundestrainer Ende März seinem ehemaligen Kapitän die Nachricht vom Ende der Karriere in der Nationalelf bei einem Treffen in Meerbusch bei Düsseldorf sachlich klar beigebracht habe, konterte der Betroffene nun mit seiner Sicht: "Wenn der Bundestrainer Wolfgang Niersbach erzählt haben sollte, er habe bei unserem Gespräch am 30. März zu mir gesagt: ,Micha, das war's für dich, und lass das jetzt mal sacken', oder ,Ich plane nicht mehr mit dir', dann ist das schlichtweg nicht wahr. Das genaue Gegenteil war der Fall", schrieb Ballack in der persönlichen Erklärung, die der Sport-Informations-Dienst (sid) erhielt.

Damals habe er von Löw erfahren wollen, wie er mit ihm plane: "In diesem Gespräch vermittelte er mir, dass er mich nach meinen Verletzungen wieder auf einem guten Weg sieht und durchaus daran glaubt, dass ich es in jedem Fall noch einmal schaffen kann, in die Nationalelf zurückzukehren; dass ich ein Kämpfertyp sei. Er hat mich motiviert und aufgefordert, nicht hinzuschmeißen."

Niersbach hatte am Samstag eine andere Version erzählt. Er berichtete, dass nach Löws Treffen mit Ballack im März nur noch die Verkündung des Rücktritts offenblieb, und dass es danach "noch einige Telefonate zwischen dem Bundestrainer und Michael und seit Anfang Mai auch zwischen Michael und mir" gegeben habe. Man habe vereinbart, sich nach der Länderspielreise im Juni abschließend zu verständigen.

Dann legte Niersbach dar, wie Löw und er selbst versucht hätten, mit Ballack Kontakt aufzunehmen. Man habe Nachrichten und SMS auf Mobiltelefonen hinterlassen, doch "trotz aller Bemühungen" keine Antwort erhalten.

Niersbach war als Mittelsmann eingeschaltet worden, weil der eigentlich prädestinierte Mann für diese Aufgabe, Manager Oliver Bierhoff, aufgrund der bekannten Animositäten nicht in Frage kam. Jetzt verriet der Generalsekretär, dass man Ballack, 34, angeboten habe, "sowohl gegen Uruguay als auch gegen Brasilien zu spielen, um somit am 10. August in Stuttgart die außergewöhnliche Zahl von 100 Länderspielen zu erreichen.

"Michael kann stur sein"

Einen Einsatz gegen Uruguay wollte Michael aber nicht, weil ihm die Zahl nicht so wichtig war. So jedenfalls hat er es mir vermittelt. Zugestimmt haben wir dann seinem Wunsch, selbst seinen Rückzug aus der Nationalelf bekanntzugeben."

Michael Ballack und Joachim Löw

Derzeit unversöhnlich: Michael Ballack und Joachim Löw. 

(Foto: dpa)

Die Preisgabe dieser Details folgte Ballacks brüsker Replik zu seiner Verabschiedung in den Ruhestand, die Löw am Donnerstag hatte bekanntmachen lassen. In einer wohlformulierten Erklärung, die bezeichnenderweise durch eine Anwaltskanzlei verbreitet wurde, hatte der Leverkusener Profi geklagt: "Wenn jetzt so getan wird, als sei man mit mir und meiner Rolle als Kapitän der Nationalmannschaft jederzeit offen und ehrlich umgegangen, ist das an Scheinheiligkeit nicht zu überbieten", das Angebot eines Abschiedsspiels nannte er "eine Farce". Niersbach erwiderte, für diese Wertungen habe er "überhaupt kein Verständnis".

Die Lage ist also vollendet verfahren. Während die eine Partei mit ihrer Darstellung nahelegt, dass Ballacks Verhalten mindestens unlogisch bis irrational ist, zieht die Gegenpartei - der Spieler und sein Berater Michael Becker - mit dem Vorwurf von Täuschung und Lüge in den Kampf. In einem größeren Debakel hätte der Vorgang gar nicht enden können. Dabei ist das eigentliche Thema relativ unstrittig. Denn für die Ansicht, dass Ballack keinen Platz mehr finden wird im Nationalteam, dürfte Löw beim Publikum und bei seiner aktuellen Mannschaft überwältigende Zustimmung finden.

"Michael kann sehr stur sein"

Auch Rudi Völler hatte seine Rolle in dem nun vollends missratenen Scheidungsverfahren. Völler, bis 2004 Teamchef des DFB, sollte Anfang der vorigen Woche noch einmal vermitteln. Aber auch er brachte Ballack nicht dazu, sein strafendes Schweigen aufzugeben und wieder den Dialog aufzunehmen.

Am Sonntag hat Leverkusens Sportdirektor eingeräumt, dass er Ballacks Gesprächsverweigerung nicht gutheißt, "Michael kann sehr stur sein", hat er über den Angestellten von Bayer 04 gesagt, dem er seit Jahren quasi freundschaftlich nahesteht. Völler meint jedoch, dass auch Löw Fehler begangen habe: "Keiner der Beteiligten hat sich mit Ruhm bekleckert, die Entscheidung von Joachim Löw ist legitim, aber man hätte das besser lösen können."

Bloß wie? Darauf hat auch Völler keine Antwort gegeben. "Ich habe die Hoffnung, dass nach Tagen der Besinnung eine versöhnliche Variante in die Geschichte kommt", sagte er - aber Aussichten auf Frieden sind an keinem Horizont zu erkennen. "Mit dieser Erklärung möchte ich das Thema abschließen", hatte Ballack mitgeteilt, wenig später kam der nächste Konter. Diesmal von Löw: "Ich stehe zu meinen Aussagen.

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