US-Schwimmer Lochte und Phelps:Zu gut gelaunt für kritische Fragen

Die US-Amerikaner Ryan Lochte und Michael Phelps teilen die Medaillen im Schwimmen unter sich auf. Phelps' Karriere endet mit der Olympia-Teilnahme in London. Nach ihrem letzten Duell geben sich die beiden überragenden Athleten kumpelhaft - und lassen Gesprächen über Dopinggerüchte im Schwimmsport keinen Raum.

Jürgen Schmieder, London

Michael Phelps ist empört: "Warum darf er gehen? Der ist doch fertig! Der muss nicht mehr schwimmen!" Dann sieht er hinüber zu Ryan Lochte, der bereits das Podium verlassen hat. "Hallo? Ich habe noch zwei Rennen, er ist fertig. Er sollte hierbleiben müssen", ruft Phelps noch einmal. Aber er grinst. Klar also, dass die Empörung nur gespielt ist. Phelps versteht natürlich, warum Lochte gehen will: Er hat um Mitternacht Geburtstag, will mit seiner "Familie abhängen" und "definitiv bei McDonald's essen".

Olympia 2012: Schwimmen

Scherze nach dem letzten Duell: Olympiasieger Michael Phelps (r.) und Silbermedaillengewinner Ryan Lochte.

(Foto: dapd)

Ohnehin liefern Phelps und Lochte auf der Pressekonferenz eine atemberaubende Show: Die beiden sind gut gelaunt, werden ein wenig sentimental, reißen Witze. Es ist überaus unterhaltsam, nicht einmal László Cseh, der ebenfalls da oben auf dem Podium sitzt, jedoch keine Frage gestellt bekommt, langweilt sich. Alle sind bestens gelaunt - jedenfalls zu gut, um Lust auf die Aufarbeitung schwieriger Themen zu haben.

Die Show hatte zuvor schon im Pool des Aquatic Centre begonnen. Phelps gewann über 200 Meter Lagen - es war nicht nur die 20. Olympia-Medaille für Phelps und das erste Einzel-Gold bei den Spielen in London. Phelps ist auch der Einzige, der bei Olympischen Spielen drei Mal hintereinander im gleichen Wettbewerb gewonnen hat. Die Medaille findet Phelps "cool", den Anruf des amerikanischen Präsidenten "ziemlich cool", die drei Siege hintereinander "richtig cool".

Doch er bekräftigt auch, nach den Olympischen Spielen aufhören zu wollen: "Ich werde definitiv kein Rennen mehr schwimmen - außer natürlich, jemand wie mein Trainer Bob Bowman fordert mich beim Golfspielen heraus. Ich bin ein schrecklicher Golfspieler, vielleicht sage ich nach einer Runde: Und jetzt schwimmen wir um die Wette!"

Zweiter bei diesem Rennen: Ryan Lochte, der kurz zuvor Bronze über 200 Meter Rücken geholt hatte. Lochte kündigte nach seinem Sieg über 400 Meter Lagen an, "die Olympischen Spiele rocken" zu wollen. Er hat danach keine Einzel-Goldmedaille mehr gewonnen, kommt insgesamt aber auf fünf Medaillen. "Ich bin insgesamt sehr zufrieden mit dem, was ich in mein Heimatland mitbringen werde", sagt Lochte. Gerockt hat er diese Spiele nicht, wie er es wollte - aber darüber spricht niemand.

Erst in die Eiswanne, dann ins Bett

Lochte spricht lieber davon, dass er Phelps vermissen werde, wenn der nach den Olympischen Spielen seine Karriere beendet. Als er darauf hingewiesen wird, dass dies gerade sein letztes Rennen gegen Phelps gewesen sei, sagt er: "Daran habe ich gar nicht gedacht. Wenn Sie das nicht gesagt hätten, hätte ich das glatt vergessen. Wow, das war mein letztes Rennen gegen Michael Phelps. Es wird ziemlich komisch sein, ihn nicht mehr bei mir zu haben."

Lochte kündigt gar an, sein Trainingsprogramm reduzieren zu wollen: "Diese harten Einheiten, durch die ich meinen Körper in den vergangenen vier Jahren gejagt habe, wird es nicht mehr geben. Ich werde älter, ich werde definitiv einen Gang zurückschalten." Alles ein bisschen lockerer sehen also - und natürlich Fast Food essen.

Das amerikanische Team hat bislang starke Schwimmwettbewerbe gezeigt, "The Star-Spangled Banner" wurde überproportional häufig gespielt. Die USA haben bis Donnerstagabend 23 Medaillen (elf Gold, sieben Silber, fünf Bronze) geholt. China, die zweitbeste Nation, kommt derzeit auf gerade einmal neun Medaillen (vier/zwei/drei). Am Donnerstag siegten noch Tyler Clary über 200 Meter Rücken und Rebecca Soni über 200 Meter Brust.

Ohne irgendjemanden anklagen oder freisprechen zu wollen, erscheint es doch verwunderlich, dass die amerikanischen Trainer mit dem Finger auf die Chinesen zeigen und die Leistungen der chinesischen Schwimmerin Ye Shiwen für "lächerlich" erklären. Werfen die Leistungen der eigenen Athleten, die eine Medaille nach der anderen holen, doch ebenfalls Fragen auf. irritierend, dass die Amerikaner ausgerechnet an jenem Tag besonders laut protestieren, an dem ein amerikanischer Schwimmer den olympischen Medaillenrekord bricht.

Doch für solche Themen ist keine Zeit an diesem Donnerstag. Phelps darf noch ein paar Witze machen ("Der größte Unterschied in der Vorbereitung: Ryan musste vor unserem Rennen noch die 200 Meter Rücken schwimmen. Gott sei Dank!") und er darf berichten, wie erschöpft er nun sei: "Bei der Siegerehrung musste ich mich an die Wand lehnen, weil ich sonst umgefallen wäre."

Dann darf auch Phelps gehen. Nicht in einen Fast-Food-Laden und auch nicht zu seiner Familie, sondern "erst in die Eiswanne und dann ins Bett". Er muss ja noch zwei Rennen schwimmen: "Und dann ist Schluss."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: