Lizenz für den TSV 1860 München:Robert Schäfer und die gute Fee

TSV 1860 Muenchen - Press Conference

Überraschender Deal mit Infront: 1860-Geschäftsführer Robert Schäfer.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Das Schweizer Vermarktungsunternehmen Infront rettet den TSV 1860 München. Es zahlt eine Gebühr, um den Klub gegen Entlohnung zu beraten. Durch diesen Kniff erhalten die Löwen die Zweitliga-Lizenz - auch ohne Geld des weiter wütenden Investors Hasan Ismaik.

Von Markus Schäflein

Hep Monatzeder und Robert Schäfer genossen den Moment. Der von den Delegierten nicht bestätigte, aber amtierende Präsident des TSV 1860 München und der Geschäftsführer des Fußball-Zweitligisten durften auf einer eigens einberufenen Pressekonferenz verkünden, dass der Klub den nötigen Liquiditätsnachweis über rund zwei Millionen Euro erbracht hat und von der Deutschen Fußball Liga (DFL) die Lizenz für die kommende Saison erhalten wird. Und das, obwohl der verärgerte Investor Hasan Ismaik kein frisches Geld beigesteuert hatte.

"Während andere provokante, unlautere Kommentare und zum Teil auch Falschaussagen in die Welt gesetzt haben", sprach Monatzeder feierlich mit Grüßen nach Abu Dhabi, "haben wir im Gegensatz dazu gearbeitet. Es ist ein kleiner Durchbruch, dass wir die Lizenz aus eigener Kraft erhalten."

Aus eigener Kraft? Monatzeder bewies in diesem Fall feinen Humor. 1860 dürfte weltweit das einzige Unternehmen sein, das sich dafür feiern lässt, fehlendes Geld von jemandem anderen zu erhalten, als man es ursprünglich erwartet hatte: durch einen speziellen Deal mit der Firma Infront Sports & Media. Das Schweizer Unternehmen zahlt zunächst eine so genannte Signing Fee, Geld für die Unterschrift also, mit dem 1860 den Liquiditätsnachweis erbringen konnte - um anschließend pauschale Gebühren vom Klub "für Unterstützung und Beratung durch das weltweite Netzwerk" zu erhalten, wie Schäfer erläuterte. Ohne das Geld von Infront, gab der Geschäftsführer zu, hätte 1860 die Zulassung nicht erhalten: "Ganz klar, wenn wir nicht selbst aktiv geworden wären, wäre die Lizenz weg."

Das Konstrukt ist zunächst einmal ein stinknormales Darlehen mit anderem Namen. Doch es sickerte durch, dass für Infront zusätzlich noch Provisionen für etwaige vermittelte Sponsorenverträge abfallen könnten. Damit müsste 1860 zwei Stücke vom Kuchen abgeben; Schäfer beteuerte, Provisionen gingen auch bei Infront-Verträgen an die Vermarktungsfirma HI Squared, die Hasan Ismaik und seinem Berater Hamada Iraki gehört und schließlich die Exklusivrechte besitzt. "Wir kommen damit als KGaA unserer Verpflichtung nach, HI Squared bei der Vermarktung zu unterstützen", betonte Schäfer.

Infront jedenfalls muss erst einmal eine Signing Fee zahlen, um hinterher beraten zu dürfen. Das wäre für die Firma, bei der Philippe Blatter, ein Neffe des Fifa-Präsidenten Sepp Blatter, als Präsident und Günter Netzer als Verwaltungsratsmitglied agieren, nur dann eine unternehmerisch nachvollziehbare Entscheidung, wenn über die Pauschalzahlungen mehr Geld zurückfließt, als die Unterschrift gekostet hat - und/oder wenn eben Provisionen fließen können. Ob Infront bei Sechzig - über die Geldverschiebungskonstruktion hinaus - weitere Interessen verfolgt, war ein viel diskutiertes Thema an der Grünwalder Straße. Denkbar ist ja auch, dass die Firma auf eine Übernahme von HI Squared oder gar Ismaiks Klubanteilen schielt.

Denn mit dem Investor haben sie bei 1860 endgültig gebrochen. "Er wollte die Fans instrumentalisieren, gegen die 50+1-Regel verstoßen und hat den Verlust der Lizenz billigend in Kauf genommen", sagte Schäfer, dessen Entlassung Ismaiks Hauptforderung ist. Der Geschäftsführer steht auf dem Standpunkt, der jordanische Investor hätte die zweite Rate aus dem Dreijahresplan zahlen müssen; dieser sei auch ohne Unterschrift faktisch in Kraft getreten.

"Er hat dem Plan öffentlich vorbehaltlos zugestimmt und ihn durch Zahlung der ersten Rate auch in Vollzug gesetzt", verlas Schäfer, der sich in dieser Phase genau ans Manuskript hielt. "Dass Ziele nicht erreicht wurden, ist schlicht kein Kündigungsgrund nach einem halben Jahr."

Ismaiks Anwalt klagt über Infront

Ismaiks Anwalt Michael Scheele konnte mit dieser Argumentation selbstredend nichts anfangen. "Das ist ja wie an Weihnachten", entgegnete er: "Kaum steht der Baum im Wohnzimmer, erheben die Kinder den Anspruch, dass was drunter gelegt wird." Ismaik habe bei der Lizenzierung "konkret zu einer Lösung beitragen" wollen. "Wir hatten auf ein vertrauliches Gespräch mit Herrn Monatzeder gehofft, das wir seit circa zehn Tagen gesucht haben - ergebnislos. Diejenigen, die sich um ein solches Gespräch bemüht hatten, haben ihre Mittlerfunktion resigniert aufgegeben."

Übers Geschäft mit Infront, klagte Scheele, "hätte man ja mit dem Mehrheitseigentümer vielleicht auch mal reden können". Zumal die KGaA, an der Ismaik 60 Prozent hält, ohne dessen Zustimmung einen Vertrag einging, der sie künftig zu regelmäßigen Zahlungen verpflichtet. Es sei nun zu prüfen, so Scheele, ob die Rechte von HI Squared wirklich unberührt blieben.

Der Anwalt ist aus Sicht der 1860-Verantwortlichen der Hauptverantwortliche für die Totaleskalation der vergangenen Wochen. "Die Frage ist natürlich, wie lange sich Herr Ismaik einen Rechtsberater namens Scheele noch leisten will und ob das förderlich ist für die Zusammenarbeit", sagte Monatzeder. Und Schäfer nannte Scheele einen "so genannten Staranwalt".

Mit alledem mochte sich Scheele nicht lange beschäftigen: "Natürlich wird dann der Anwalt angegriffen. Das ist ein untaugliches Ablenkungsmanöver", sagte er. Stattdessen klagte er über Schäfer: "Wenn der Geschäftsführer den Mehrheitsgesellschafter seiner Firma derart brüskiert, wie heute geschehen, hat er sich endgültig und nachhaltig disqualifiziert. Das gilt bedauerlicherweise auch für Herrn Hep Monatzeder, der in völliger Verkennung der Fakten dem Retter von 1860 München ,Erpressung' vorgeworfen hat."

Indem 1860 die Lizenz auch ohne Geld von Ismaik erhalten hat, ist dessen größtes Druckmittel wirkungslos - vorerst. Wie der Klub angesichts seines enormen strukturellen Defizits dauerhaft überleben will, ist völlig offen, denn Konstruktionen wie die Signing Fee von Infront werden sich nicht regelmäßig wiederholen lassen. Als gefragt wurde, ob der Verein denn selbst auf der Suche sei nach jemandem, der Ismaik die Anteile abkaufen könnte, blickte Schäfer zuerst zu Monatzeder, dann blickte Monatzeder zurück, dann einigten sie sich auf: "Nein."

Vielleicht sollten sie aber suchen. Denn Scheele stellte unmissverständlich klar, wie Ismaik die Lage in dem Klub sieht. "Weil dort jeder die Hand des anderen hält, wird nichts anderes möglich sein als eine Generalreinigung", sagte er: "Zu gegebener Zeit werden die Zahlen belegen, dass der Vorwurf des Missmanagements berechtigt ist und dass Herr Schäfer hierfür verantwortlich ist. Noch warten wir auf überfällige Antworten, die uns seit Wochen vorenthalten werden."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: