Lippis Nachfolge:Student des Pinselstrichs

Roberto Donadoni stellt sich Italien als Nationaltrainer in der Ausbildung vor.

Birgit Schönau

Man könnte jetzt wichtigtuerisch sagen, dass die großen Zeichen für Italien im Fußball gesetzt werden: Großreinemachen, Triumph, Generationswechsel. In einem Land, in dem der frisch gewählte Staatspräsident 81 Lenze zählt, der neue Regierungschef auch schon auf die 70 zusteuert und als Nationaltrainer bislang Großvater Lippi auf die Opas Trapattoni, Zoff und Maldini folgte, wurde tatsächlich ein 42-Jähriger auf die wichtigste Trainerbank berufen, die der Fußball zu bieten hat.

Roberto Donadoni, dpa

Roberto Donadoni

(Foto: Foto: dpa)

Roberto Donadoni, ehemals gefeiertes "Licht von San Siro", als Profi ein Held beim AC Mailand und in jener Nationalelf, die 1990 bei der WM im eigenen Land an Diego Armando Maradonas Argentinien scheiterte.

"Weiß, was er will"

"Donadoni kenne ich gut", sagte jetzt über ihn Azeglio Vicini, der damalige Nationaltrainer. "Das ist einer, der wenig redet, aber sich voll auf seine Arbeit konzentriert. Er wird seine große Erfahrung als Spieler schon einbringen. Jetzt braucht er ein bisschen Unterstützung, aber Roberto ist jung und weiß, was er will." Erinnert irgendwie an die Einführungsreden für - na, wen wohl?

Wie Jürgen Klinsmann, gegen den er mit dem AC Mailand im Derby spielte (der Deutsche war damals bei Inter), stammt Donadoni aus einer reichen Provinz, in der Fußball eine ernsthafte Arbeit darstellen kann.

Seine Heimat ist Bergamo, eine unspektakuläre Stadt im Schatten Mailands - aber mit eigenem Dialekt. Silvio Berlusconi berief ihn 1986, kaum dass er den AC Mailand gekauft hatte, an seinen Hof. Donadoni blieb zehn Jahre und gewann mit dem Milan des Trainers Arrigo Sacchi und mit Hilfe der Niederländer Gullit, Rijkaard und van Basten fünf Meisterschaften, drei Landesmeisterpokale nebst einigen Interkontinental- und Supercups.

Donadoni war ein Star und von sprichwörtlicher Schüchternheit. Als die Mannschaft einmal, ganz im Sinne Berlusconis, der sich als moderner Renaissancefürst verstand, vor Leonardo da Vincis Abendmahl-Fresko geführt wurde, studierte Donadoni abseits und stumm wie ein Fisch jeden Pinselstrich.

"Ich möchte so viel wie möglich lernen", sagte er nur - und das ist leider fast schon die einzige Anekdote, die man über den neuen Commissario Tecnico erzählen kann.

Als Spieler erlebte Donadoni zwei Weltmeisterschaften, wurde 1990 Dritter und 1994 Zweiter. Mit 32 zog er in die USA und belebte dort das Mittelfeld der New York Metrostars. Sein Trainer war Carlos Alberto Parreira, der später Brasilien dirigieren sollte.

Überzeugungstäter

Donadoni sollte sein Assistent werden, aber er zog weiter, nach Saudi-Arabien, zu Al-Ittihad Gedda. "Wenn sie mich gefragt hätten, ob ich in China Fußball spielen wollte, wäre ich auch dahin gegangen", gestand er später. Ein Überzeugungstäter also. Beten musste der gläubige Katholik vor den Spielen noch zu Hause, während die Teamkollegen den Gebetsraum neben der Umkleidekabine benutzen durften.

2001 kam Donadoni nach Italien zurück und wurde Trainer des Drittligisten Lecco. Es folgten der älteste italienische Fußballklub, FC Genua, bei dem er nach drei Niederlagen in Folge schnell wieder entlassen wurde, und Livorno. Ausgerechnet der Kultklub der italienischen Linken, dessen Fans Silvio Berlusconis AC Mailand auf das Inbrünstigste hassen.

Donadoni brachte Livorno 2005 auf Platz acht. In der letzten Saison stand er sogar auf dem sechsten Platz, als er mit seinem Präsidenten Spinelli überkreuz geriet. "In der zweiten Halbzeit spielen wir immer schlechter als vor der Pause", mäkelte der Patron und stichelte, die Mannschaft sei wohl gegen ihren Trainer. Da trat Donadoni zurück.

In den letzten Wochen wurde er als Nachfolger von Fabio Capello bei Juventus gehandelt, unterlag dann aber dem galligen Gallier Didier Deschamps. Demetrio Albertini, ehemals Teamkollege bei Milan und neuerdings Manager beim kommissarisch verwalteten Fußballverband Federcalcio, machte sich für Donadoni als Nationaltrainer stark, und überzeugte Kommissar Giudo Rossi: "Wir setzen auf einen jungen Mann, der noch Großes leisten kann."

Garantiert weiße Weste

Vor allem setzte der Verband bei seiner Berufung - vier Tage nach Gewinn des WM-Titels und am Tag vor dem mit Spannung erwarteten Urteil des Sportgerichts zum Manipulationsskandal - auf eine garantiert ganz weiße Weste. "Trainer ist mein Beruf", stapelte der stille Donadoni denn auch tief.

"Und jetzt werde ich mich mit viel Energie und Einsatz an die Arbeit machen. Was Lippi für die Mannschaft getan hat, war außergewöhnlich. Daran müssen wir anknüpfen." Staatstragend leere Worte.

Die Reaktionen der Experten waren überwiegend positiv - nur einige aus der Donadoni-Generation, die selbst gern gefragt worden wären, mäkelten über mangelnde Erfahrung des Neuen. Schattenwerfer Lippi aber sagte gar nichts zu seinem Nachfolger. Er befand sich mit seinem Boot schon irgendwo zwischen dem toskanischen Archipel und Korsika, mitten auf dem Meer.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: