Lindsey Vonn bei der Ski-WM:Der A-Celebrity ist glücklich

Lesezeit: 3 min

Lindsey Vonn nach ihrem dritten Platz im Super-G. (Foto: dpa)

Sie sah in allen Gegner, auch in ihren Teamkolleginnen. Nach zwei schweren Verletzungen präsentiert sich Lindsey Vonn bei ihrer Heim-WM in Vail nun entspannt. Dabei richten sich die Blicke der Amerikaner auf sie.

Von Johannes Knuth, Vail/Beaver Creek

Die Kameras schwenkten auf Tiger Woods, er hob den rechten Arm, und dann war sie wieder da: Die Tiger-Woods-Faust, die der Golfer in vielen Jahren gepflegt hatte wie ein Markensymbol. Woods hatte zuletzt miserabel Golf gespielt, sein Jubel war verständlich, wobei sich sein Anteil am freudigen Ereignis in Grenzen hielt. Lindsey Vonn, Woods' Freundin, war beim Super-G in Beaver Creek am Dienstag gerade im Ziel angekommen, zu diesem Zeitpunkt war sie Erste.

Am Ende war sie Dritte, das entsprach nicht dem Drehbuch, das sie entworfen hatten für die große Vonn-Show bei der ersten WM-Entscheidung. "Schade für das Publikum", sagte die 30-Jährige, sie weiß ja: Die Amerikaner deuten dritte Plätze gerne als Niederlagen, vor allem dann, wenn die Drittplatzierte Lindsey Vonn heißt.

Vonn ist die große Nummer dieser 43. Alpinen Ski-WM in Beaver Creek. Das amerikanische Fernsehen überträgt jede Entscheidung live, in Bezahlkanälen zwar nur, aber selbst das ist in den USA ein Novum. Damit möglichst viele Amerikaner zuschauen, benötigen die TV-Stationen Siege von heimischen Fahrern, am besten einen von Vonn an diesem Freitag in der Abfahrt (19 Uhr/ZDF, Eurosport). Aber das reicht natürlich noch nicht.

Damit sehr viele Amerikaner zuschauen, benötigt das Fernsehen Stars, "A-Celebrities", wie sie hier sagen, und im alpinen Sektor gibt es in den USA derzeit nur einen: Lindsey Vonn, vermarktet durch Siege, Fotoshootings und Schauspielauftritte, Freundin eines milliardenschweren "A-Celebrity", hübsch, schnell, charismatisch.

Im US-Team sind auch Bode Miller und Mikaela Shiffrin. Beide sind Olympiasieger, Shiffrin ist ebenfalls hübsch, ehrgeizig und schnell, aber Shiffrin präsentiert sich dezenter. Wenn sie sich in einer amerikanischen Stadt fortbewegt, kann es sein, dass sie niemand erkennt.

Karriere von Lindsey Vonn
:Speed-Queen mit Hang zur Diva

Olympisches Gold, WM-Titel, die meisten Weltcupsiege: Lindsey Vonn ist die erfolgreichste Skifahrerin der Geschichte. Doch auch Depressionen und Drama prägen ihr Leben. Ihre Karriere in Bildern.

Vonn tut den Ausrichtern der WM zudem den Gefallen, eine herzerwärmende Geschichte zu liefern. Vor zwei Jahren riss ihr zwei Mal das Kreuzband, sie quälte sich zurück in den Sport, von Depressionen war die Rede. Im Januar, kurz nach ihrem Comeback, überbot sie die 62 Weltcupsiege der Österreicherin Annemarie Moser-Pröll. Seitdem gilt sie in der Branche als erfolgreichste Athletin der Geschichte. Die Rennen in Vail und Beaver Creek sollen ihr Comeback veredeln, es ist ja nicht irgendeine WM für sie.

Vor 16 Jahren, als die WM zuletzt in Vail war, wurde Vonn gerade im örtlichen Skiklub ausgebildet, die 14-Jährige fuhr als Rutscherin den Hang hinunter, um die Spur zu säubern. "Die Leute hier schauen zunächst einmal Lindsey zu, dann uns", sagt die Österreicherin Anna Fenninger, die den Super-G gewann, sie ergänzt: "Es ist sehr wichtig für unseren Sport, dass Lindsey dabei ist." Vonn sagte dann, dass sie zufrieden mit der Bronzemedaille sei, "passt schon". Passt schon?

Vonn hatte zuletzt 2011 bei einer Großveranstaltung das Podium betreten, man könnte ihr die Zufriedenheit fast abnehmen. Andererseits hat es im Leben der 30-Jährigen bislang nur Raum für Erfolg gegeben, für alles andere hatte sie wenig bis nichts übrig. Im September 2007 heiratete sie Thomas Vonn, spätestens da, erinnerte sich ihre Teamkollegin Julia Mancuso im Interview mit der New York Times, "hat sich ihre Karriere komplett verändert".

Mancuso war zwölf, als sie Vonn kennenlernte, sie fuhren Jugendrennen zusammen, "wir hatten viel Spaß". Thomas Vonn trennte das Leben seiner Frau vom Rest des Teams. Er organisierte eigene Trainingseinheiten, eigene Betreuer, eigene Trainer, Thomas stand dem Team vor, das war ihm offenbar wichtig. "Lindsey war nur darauf fokussiert zu gewinnen. Es war ein heftiger Abschnitt in ihrem Leben", so Mancuso. Lindsey und Thomas Vonn trennten sich 2011. Zwei Jahre später stürzte Vonn bei der WM in Schladming im Super-G, sie kam bald zurück, sie wollte unbedingt zu den Winterspielen, der amerikanische Olympiasender NBC brauchte sie. Dann riss ihr Kreuzband erneut.

Seit Dezember nimmt Vonn wieder am Weltcup teil. Sie ist noch immer ehrgeizig, nachdem sie im Januar in Cortina d'Ampezzo die Abfahrt gewann, sagte sie: "Entweder ich stürze oder ich gewinne." Sie hat sich diese Mentalität auch nach ihren Verletzungen bewahrt, nicht alle hatten ihr das zugetraut. Doch von der früheren Verbissenheit ist nicht mehr allzu viel zu erkennen. Ihre Teamkameraden trainieren mit Vonn, sie essen zusammen, schauen die Rennen zusammen.

"Früher war jede eine Gegnerin. Ich glaube, sie ist durch ihre Erfolge milder geworden", sagt Mancuso, "sie hat ja ein Level erreicht, auf dem sie unantastbar ist." Vonn sei in einer ruhigeren Phase in ihrem Leben angekommen, bestätigt Teamkameradin Stacey Cook.

Und Vonn selbst? "Ich bin viel entspannter und glücklicher als früher. Wegen der Verletzungen wertschätze ich alles viel mehr", sagt sie, "jetzt bin ich in meiner Heimatstadt und fahre eine WM, das ist etwas, was die meisten nie erleben." Anscheinend ist Vonn nicht nur in ihrer Stadt angekommen, sondern auch bei sich selbst. 

© SZ vom 06.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: