Lewis Hamilton:Lässig nach Hause

Inmitten des Rummels, der vor seinem Heim-Grand-Prix in Großbritannien um ihn entfacht wird, bleibt Formel-1-Wunderkind Lewis Hamilton erstaunlich gelassen.

Elmar Brümmer

Auf alle Arten von Fragen ist Lewis Hamilton gefasst, nur auf das, was ihm der Fernsehreporter am Rande der Kartbahn Daytona dann tatsächlich an den Kopf wirft, nicht: Plötzlich landet ein gefalteter Union Jack vor seinen Füßen. Etwas verlegen knetet der Rennfahrer von McLaren-Mercedes das Banner Großbritanniens in der Hand. Bis der Chor der Kameraleute übermächtig wird: "Lewis, hiss' die Fahne!'' Brav tut das 22 Jahre alte Wunderkind der Formel 1 seine Schuldigkeit dem Vaterland gegenüber und drapiert das blau-weiß-rote Tuch um seine Schultern. Das Bild des Wochenendes ist im Kasten. Flagge zu zeigen, wird auf der britischen Insel gerade gern gesehen als Zeichen gegen die Terrorbedrohung.

Lewis Hamilton

Lewis Hamilton: stets gut gelaunt.

(Foto: Foto: dpa)

Als würde es nicht genügen, dass er seine ersten acht Formel-1-Rennen alle auf dem Podium beendet hat, souveräner WM-Tabellenführer ist und sich anschickt, jüngster Weltmeister der Geschichte zu werden: Lewis Hamilton, der erste dunkelhäutige Grand-Prix-Rennfahrer, hat gefälligst auch Nationalheld zu sein. Im Nebenjob hat er den durch den Spionageskandal um zwei britische Techniker ramponierten Ruf der Sportnation wiederherzustellen. Der Große Preis von Großbritannien am Wochenende gerät zum Ausnahmezustand für einen Ausnahmefahrer. Es geht nicht nur um den nächsten Sieg oder um den ersten Fehler - es geht um die Ehre. 200000 Zuschauer werden am Wochenende in der Grafschaft Northhamptonshire erwartet, ihre Sehnsucht soll gestillt werden. Lewis sei Dank: Wir sind wieder wer!

"Ich mag keinen Champagner!''

Der Veranstalter in Silverstone hat die letzten Tickets mit dem Hinweis an den Mann gebracht, dass man miterleben könne, wie Großvater Davidson Hamilton erstmals seinen Enkel in einem Formel-1-Auto verfolgt. In der Gegend, in der Hamilton groß geworden ist, wurde unlängst ein Vierjähriger unter Vertrag genommen, Investoren sehen in ihm das nächste große Motorsport-Talent. Den Inszenierungen um Hamilton scheint derzeit keine Grenze gesetzt zu sein.

Die Affäre um gestohlene Ferrari-Dokumente und die Verwicklung des McLaren-Chefdesigners werden neben dem Hamilton-Theater nur als Begleiterscheinungen wahrgenommen. "Ich war zu beschäftigt, um davon etwas mitzubekommen", sagt Hamilton, was man glauben kann oder nicht. Zumindest beweist er damit abermals seine herausragende Fähigkeit, sich schnell an neue Situationen anzupassen - nicht nur im Rennwagen. Zwischen seinem Auftritt auf der Kartbahn, wo er ein paar Runden mit den Piloten der Zukunft drehte, und dem Einzug ins Fahrerlager der Formel 1 lag nur ein kurzer Hubschrauberflug. Zehn Meilen, aber eine Reise zwischen zwei Welten. Immer noch wirkt Lewis Hamilton dabei unverbraucht, bleibt erstaunlich natürlich. Gut, dass dort niemand von dem schockierenden Geständnis wusste, dass er bei den Nachwuchsfahrern abgelegt hat: "Ich mag gar keinen Champagner!'' Man muss es nur richtig deuten, da will einer einfach nichts anderes als nur siegen.

Ruhm und Rummel sind ja nicht immer was Schlechtes. Neben den Musikern, die er bis vor ein paar Monaten nur von seinem ipod kannte, lümmelt er jetzt im Fonds einer Limousine - Rapper P.Diddy, Sängerin Natasha Bedingfield oder Pink-Floyd-Schlagzeuger Nick Mason. Und die wollen sich mit ihm zeigen, nicht umgekehrt. "Ich habe gedacht, dass ich auf der Party ein Nobody bin. Aber alle kamen, und wollten meine Telefonnummer - und boten mir ihre an'', erzählt Hamilton. Anfällig für diese Begleiterscheinungen des Showgeschäfts scheint er dennoch nicht zu sein: "Das war cool, aber es war auch eine sehr merkwürdige Erfahrung. Nur weil ich die Nummer von P.Diddy habe, bin ich doch nicht sein Freund.''

Versteck in der Spiegelburg

Sein Ruhm ist noch frisch, er hat ihn sich selbst verdient, und er hat ihn seiner Gabe zur Fokussierung zu verdanken. Er wirkt außergewöhnlich reif und gefestigt für sein Alter und den rasenden Aufstieg: "Meine Welt wurde in den letzten Monaten komplett auf den Kopf gestellt. Aber an meiner eigenen Sichtweise hat sich nichts verändert.'' Auch wenn die Massenblätter mutmaßen, dass er der erste britische Sportler sein wird, der in seiner Laufbahn eine Milliarde Pfund verdienen kann. "Es ist wie ein Film mit einer unglaublichen Story, der da abläuft'', sagt Mercedes-Sportchef Norbert Haug, "nur dass sie wahr ist.'' Das britische Magazin F1 Racing hat dem Aufstieg eine 36-seitige Beilage gewidmet. Ein einziges kritisches Statement findet sich darin: Eine 20-Jährige aus seinem Heimatort Stevenage beklagt, dass der Londoner Vorort durch Hamilton besser erscheint als er tatsächlich ist.

Sie muss sich nicht weiter sorgen. Auf dem Weg zu seinem Traum, als erster Neuling Formel-1-Weltmeister zu werden, ist der lokale Held eine Autostunde weiter gezogen. Hamilton lebt jetzt in einer eingezäunten Wohnanlage nahe der Rennfabrik von McLaren-Mercedes. Höflich spricht er von "einer neuen Erfahrung, die Aufmerksamkeit zu kontrollieren''. Das klingt abstrakt, aber so denkt das Wunderkind der Formel1. Im Fahrerlager hat McLaren-Mercedes dazu passend eine neue dreistöckige Residenz eröffnet. Selbst das überlebensgroße Bild Hamiltons würde hinter die Fassade aus spiegelndem Glas passen - sie ist 13,5 Meter hoch. Wenn er Versteck spielen will, kann er das in der Spiegelburg gut tun - mit eigenem Ruheraum samt drahtloser Spielkonsole, MP3-Player und Dusche. Wenigstens dort hat Hamilton Stille um sich herum.

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