Lewis Hamilton in der Formel 1:Vollgas zur Frustbewältigung

Lewis Hamilton

Will wieder ganz nach vorne: Lewis Hamilton in Kanada

(Foto: AP)
  • Der Strategiefehler von Monaco hat Probleme ins Mercedes-Team gebracht. Der Ärger war für den Perfektionisten Lewis Hamilton riesig.
  • In Kanada will der Weltmeister aus Großbritannien zurückschlagen - und den ersten Sieg für Mercedes in Montréal holen.

Von Elmar Brümmer, Montréal

Anhalten müssen, das ist das schlimmste für einen Rennfahrer, jedenfalls, wenn man den Beruf so definiert wie Formel-1-Weltmeister Lewis Hamilton: als Ausdruck eines permanenten Vorwärtsdrangs. Und dann sieht man Bilder von der letzten Etappe des umstrittenen Straßenrennens Gumball 3000, die der Mercedes-Werkspilot im Supersportwagen Koenigsegg Agera HH bestreitet: Hamilton steht im US-Nationalpark Death Valley mit dem Benzinkanister am Straßenrand und muss den Tank des knallblauen 1030-PS-Monsters auffüllen.

Die ohnehin peinliche Situation bekommt bei Hamilton tragikomische Züge: Keine Woche war es her, als ihm ein Reifenwechsel samt Strategiefehler von Mercedes den sicher geglaubten Sieg beim Großen Preis von Monaco geraubt hat. Sportlich hat der 30-Jährige zwar gerade einen Lauf, aber außerplanmäßige Boxenstopps sind wohl seine Sache nicht.

Fauxpas als Chance für Rosberg

Anders als bei der Nonsens-Rallye im Westen der USA kann der verlorene Sieg von Monte Carlo weitreichende Folgen für seine Titelverteidigung haben, Teamkollege Nico Rosberg als Nutznießer ist vor dem Großen Preis von Kanada an diesem Wochenende bis auf zehn Punkte an den Führenden herangerückt.

Drei Fragen gibt es vor dem siebten WM-Lauf: Kippt die Saison zu Gunsten des deutschen Herausforderers? Gerät der bislang so nervenstarke Champ ins Wanken? Kommt der ohnehin durch den dauernden internen Zweikampf gestresste Mercedes-Rennstall nach dem Fehler mit dem neuen Druck klar?

Die Vertrauensfrage in allen Richtungen bewegt das seit anderthalb Jahren überlegene Team. "Monaco war für uns alle schwer zu verkraften", gesteht Teamchef Toto Wolff. Die Konsequenzen für die strategische Abteilung, in der nach Wunsch von Aufseher Niki Lauda neue Entscheidungsrichtlinien gelten sollen, sind das eine. Die Balance der Fahrer ist das andere, das Entscheidendere. "Ich habe vollstes Vertrauen in mein Team, daran hat sich nichts geändert", bekräftigt Hamilton in Montréal. Bei der x-ten Nachfrage nach den Geschehnissen, reicht es ihm dann: "Ich guck' nicht zurück, nur nach vorn. Die Vergangenheit kann ich nicht verändern, aber ich kann meine Zukunft formen."

Erst frustriert, dann kampflustig

Auf der Auslaufrunde nach dem verlorenen Sieg, aus dem mit Rang drei seine schlechteste Saisonplatzierung resultierte, machte Lewis Hamilton einen kurzen Stopp in der Portierskurve. Es sah so aus, als wolle er sein Auto abstellen, um nicht zur Siegerehrung zu müssen. Die Demütigung vor der Fürstenloge ertrug er nur schwer, ließ bei der deutschen Hymne zunächst die Kappe auf, wollte dann sofort flüchten.

Bei allem Frust ist der Brite aber reifer geworden. Vor drei Jahren noch wäre er wohl sofort verschwunden. Diesmal kam er schnell wieder, auf all seinen Verlautbarungskanälen in den sozialen Medien. Die Floskel, "wir lernen daraus und blicken gemeinsam nach vorne", kann man getrost überlesen. Entscheidend ist das Bild, dass er dazu postet: Mit nacktem Oberkörper Klimmzüge machend, dazu nur ein Wort: stärker. Der Adressat dieser Botschaft war eindeutig Nico Rosberg.

Rosberg ist gewarnt

Der Hattrick von Monaco sollte dem Deutschen Auftrieb geben, immerhin hat er zum ersten Mal in seiner Formel-1-Karriere zwei Grand Prix nacheinander gewonnen. In einer Kolumne tat er jedoch seine Besorgnis kund: "Ich muss in Kanada noch eine Schippe drauflegen, denn Lewis wird noch stärker zurückkommen. Mit Wut im Bauch ist er noch gefährlicher!"

Hamilton hat ein gutes Gespür für die eigene Stärke und die Schwächen anderer, insofern gewinnt das Brems-Spektakel auf der Ile de Notre-Dame zusätzliche Spannung. Für ihn war die Panne von Monte Carlo der größte Rückschlag seit dem Crash mit Rosberg im Spätsommer 2014 in Spa, danach kam er in der Tat besser zurück. Das ist es, was Rosberg fürchtet: die mentale Energie Hamiltons.

In Montréal, wo es noch nie einen Silberpfeil-Erfolg gab, hat der Brite 2007 seinen ersten Grand Prix gewonnen. Wenn der Weltmeister die Angelegenheit auf sportlichem Weg regeln kann, wäre das besser, als jetzt - oder später - vermeintliche moralische Schulden einzuklagen. Aber Lewis Hamilton ist längst wieder im Angriffsmodus, er will die Kontrolle zurückgewinnen, über sich, seinen Teamkollegen, am besten über alles: "Wer der Beste sein will, der muss das Verlieren hassen."

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