Lewis Hamilton im Interview:"Ich bin 26, da wächst man nicht mehr"

McLaren-Pilot Lewis Hamilton über seine sportliche Entwicklung in der Formel 1, Eigenständigkeit in einem harten Geschäft und berühmte Klienten seines neuen Managers Simon Fuller.

René Hofmann

Er war der Jüngste - bis Sebastian Vettel kam. Kein anderer Fahrer legte je einen solchen Formel-1-Einstand hin wie Lewis Hamilton. In seiner Debüt-Saison wurde er 2007 gleich Zweiter der WM-Wertung, im Jahr darauf stieg er zum jüngsten Weltmeister der Rennserie auf. Diese Marke nahm dem Briten in der vergangenen Saison Sebastian Vettel ab, Hamilton wurde lediglich Vierter. Auch sonst lief das Jahr nicht, wie der inzwischen 26-Jährige es sich gewünscht hatte: Er trennte sich von seinem Vater Anthony, der ihn gemanagt hatte. Eine Rolle dabei soll auch seine Freundin gespielt haben: Nicole Scherzinger, Sängerin der Pop-Gruppe "Pussycat Dolls". "Ziemlich mäßig" nennt Hamilton 2010. Jetzt will der McLaren-Fahrer wieder angreifen. Beim Saisonauftakt in Melbourne war er der einzige, der Vettel folgen konnte. An diesem Wochenende begegnen sich die beiden beim Malaysia Grand Prix wieder (Qualifikation Samstag/Rennen Sonntag, Start jeweils um 10 Uhr).

Formel 1 - GP Malaysia - Hamilton

Mäßiges 2010, besseres 2011: Lewis Hamilton hat in diesem Jahr viel vor.

(Foto: dpa)

SZ: Herr Hamilton, das ist Ihr fünftes Formel-1-Jahr. Wird ein Saisonstart da schon zur Routine?

Lewis Hamilton: Absolut nicht. Vor dem Rennen in Australien war ich genauso voller Vorfreude wie vor meinem ersten Formel-1-Rennen dort.

SZ: Vergangenes Jahr haben Sie selten die Hauptrolle gespielt. Hat das Ihren Ehrgeiz angestachelt?

Hamilton: Auf jeden Fall fühle ich mich jetzt in vielen Bereichen stärker: Meine Fitness ist besser, meine mentale Vorbereitung lief besser. Auch jenseits der Rennstrecke habe ich einige Dinge geordnet. Das Verhältnis zu meiner Familie, einige Beziehungen - all das ist jetzt viel besser aufgestellt als vor einem Jahr. Ich bin viel glücklicher und genieße mein Leben viel mehr.

SZ: Im vergangenen Jahr hatten Sie keinen Manager. Mit Ihrem Vater, der den Job lange gemacht hatte, überwarfen Sie sich. Später haben sie darüber gesagt: Das habe einen Teil dazu beigetragen, dass Sie nicht wirklich in den Titelkampf eingreifen konnten. War das wirklich so?

Hamilton: Man will in diesem Sport immer, dass alles stimmt. Jedes noch so kleine Detail, auch im Privatleben. Als mein Vater mich gemanagt hat, hat er darauf geachtet, dass es auch aus der Familie heraus nie etwas gab, was mich störte. Vergangenes Jahr ist das dann alles etwas auseinandergelaufen. Ich habe mich mit meinem Bruder nicht mehr so gut verstanden, mit meiner Mutter waren wir nicht mehr so eng. In den vergangenen vier, fünf Monaten habe ich deshalb wieder viel Zeit mit meiner Familie verbracht.

SZ: Ihr Vater betreut nun einen anderen Formel-1-Fahrer, den Schotten Paul di Resta, der für das Team Force India fährt. Wie ist das für Sie, ihn jetzt in einer anderen Box zu sehen?

Hamilton: Cool. Am ersten Trainingstag in Melbourne habe ich ihn auf einem Fernsehschirm gesehen. Er war wie immer unglaublich konzentriert. Er treibt jetzt Paul an und nicht mehr mich. Wenn er in meine Box kommt, kommt er nur noch als Vater.

SZ: Das alles klingt nach Erwachsenwerden, mehr Entscheidungen treffen, einen eigenen Weg finden.

Hamilton: Ich würde es nicht Erwachsenwerden nennen. Ich bin 26, da wächst man nicht mehr. Aber je älter man wird, desto klüger wird man. Man möchte mehr Kontrolle übernehmen und lernt aus seinen Fehlern.

SZ: Ihre Karriere ist eng mit dem Rennstall McLaren verzahnt. Dessen Chef Ron Dennis hat sie lange gefördert und Sie 2007 in die Formel 1 geholt. Kürzlich haben Sie Gerüchte zurückgewiesen, Sie könnten das Team verlassen, wenn es dieses Jahr wieder nicht läuft. Was hat Sie dazu bewogen?

Hamilton: Ich hätte das nicht tun müssen, aber ich bin der Meinung: Wenn ein Problem auftaucht, ist es immer am besten, ihm offensiv zu begegnen. Wenn jemals Geschichten auftauchen würden: McLaren sucht einen neuen Fahrer, wünsche ich mir, dass das Team zu mir kommt und mir sagt - stimmt, oder stimmt nicht. Dann weiß ich, woran ich bin. So habe ich es nun auch gehalten.

"Entscheiden will ich"

SZ: Im Winter sah es gar nicht gut aus. In den Testfahrten war Ihr neues Auto weder schnell noch zuverlässig. Wie schwierig war diese Zeit für Sie?

Hamilton: Die Zeit war, was das Testen betrifft, die schwierigste, die ich mit dem Team je hatte. Aber wir haben immer weitergekämpft, und die Weiterentwicklungen, die wir zum Rennen in Australien dann noch hatten, haben das Blatt tatsächlich gewendet.

SZ: Wie erleichtert sind Sie?

Hamilton: Mit Erleichterung hat das nichts zu tun. Es ist viel mehr eine Bestätigung: Es funktioniert. Natürlich können wir uns noch verbessern. Aber das Auto fühlt sich phantastisch an, mit ihm können wir im Wettbewerb bestehen - und bald wohl Siege anpeilen.

SZ: Sie haben einen neuen Manager: Simon Fuller, der die Spice Girls herausgebracht hat und Victoria und David Beckham betreut. Wie kam es dazu?

Hamilton: Es war ein langer Prozess. Es gab viele Kandidaten, Management- Firmen, aber auch Einzelpersonen. Vergangenes Jahr wollte ich mich von der Suche nicht allzu sehr ablenken lassen. Ich habe einfach allen Interessenten gesagt, sie sollten sich an meinen Anwalt wenden. Irgendwann habe ich mich dann mit der Liste hingesetzt und alles analysiert, alles studiert, was mir jeder offeriert hat, Seite um Seite. Und es waren viele Seiten. Dann habe ich mich mit den Kandidaten getroffen, die in Frage kamen, Notizen gemacht, mich nochmal mit ihnen getroffen...

SZ: ... das haben Sie alles alleine gemacht? Aus eigenem Antrieb?

Hamilton: Ja. Mit Simon hat es gleich gepasst. Er hat gute Referenzen.

SZ: Wird die Formel 1 jetzt einen neuen Lewis Hamilton erleben?

Hamilton: Nein, das ist nicht der Plan. Der Plan ist, dass alles so weiterläuft. Nur ruhiger, so dass ich mich auf meinen Job konzentrieren kann.

SZ: Sind die Beckhams denn ein Vorbild für Sie?

Hamilton: Nein. Das interessiert mich nicht. Simon soll mir die Möglichkeiten aufzeigen, entscheiden aber will ich.

SZ: Sie haben gerade sehr nüchtern geschildert, wie Sie die Angebote analysiert haben, die das Geschäftliche betreffen. Wie ist das mit dem Sportlichen? Setzen Sie sich nach einer Saison auch hin und beurteilen die eigenen Leistungen?

Hamilton: Das Team stellt ein Dokument für mich zusammen, in dem die Expertise von vielen zusammengetragen wird: Wie waren meine Starts? Wie gut waren die Anfahrten zu den Boxenstopps? All das lese ich mir dann durch. Dazu schaue ich mir vieles noch einmal auf Video an und überlege, wo ich besser werden kann. Zu dem Thema gibt es dann auch Meetings mit dem Team.

SZ: Und, was hat die Analyse ergeben?

Hamilton: Davon, dass man etwas nur liest oder noch einmal sieht, hat man nichts. Man hat etwas davon, es noch einmal zu erleben. Das hilft einem, seinen Erfahrungsschatz auszubauen. Wenn man über eine Schwelle stolpert, möchte man beim nächsten Mal an der gleichen Schwelle nicht noch einmal stolpern. Wenn man sich mit einem Fehler auseinandersetzt, ist es sehr unwahrscheinlich, dass er sich wiederholt. Und: So wenige Fehler wie möglich zu machen - das ist in der Formel 1 ein Schlüssel zum Erfolg.

SZ: Welche Note würden Sie sich denn selbst für die vergangene Saison geben?

Hamilton: Die vergangene Saison war eine ziemlich mäßige. Uns sind einige Siege geglückt, aber das Jahr hat mir keinen Spaß gemacht und ich hatte nicht das Gefühl, dass ich mein Bestes gezeigt habe. Das wird dieses Jahr anders.

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