Leverkusener 2:1-Sieg:Zurück ins Grüne

Nach einem hart erkämpften Erfolg auf dem mit Abstand schlechtesten Rasen der Bundesliga ist Bayer 04 plötzlich Dritter - und trotz Pokal-Aus ziemlich zufrieden mit der Gesamtsituation.

Von Frank Hellmann, Darmstadt

Täuschte der Eindruck oder hatten die Fußballer von Bayer Leverkusen die ans Böllenfalltor mitgebrachte Lautsprecheranlage nach dem Abpfiff noch ein bisschen lauter gedreht? Auf jeden Fall drang die Musik, für die dem Vernehmen nach der Deutsch-Türke Hakan Calhanoglu zuständig ist, bis in den Presseraum des maroden Stadions. Offenabar herrschte unter den Leverkusener Spielern große Freude darüber, den Charaktertest bei widrigen Bedingungen beim SV Darmstadt 98 mit einem 2:1 (0:1)-Erfolg bestanden zu haben.

"Wir haben in der zweiten Halbzeit den Kampf angenommen und Herz und Leidenschaft bewiesen", konstatierte der Fleißarbeiter Kevin Kampl. Aus seinen Worten schwang genauso viel Erleichterung mit wie bei Sportchef Rudi Völler: "Mit Schönspielerei war hier nichts zu gewinnen. Wichtig war, wie wir nach dem Rückstand zurückgekommen sind."

"Wir sind jetzt sogar Dritter", freut sich Kevin Kampl

Vier Tage nach dem Aus im DFB-Pokal gegen Werder Bremen und fünf Tage vor der Europa-League-Aufgabe bei Sporting Lissabon hielt die Werkself wenigstens in der Bundesliga die Spur. "Wir sind jetzt sogar Dritter", entfuhr es Kampl, "das hat uns doch vor ein paar Wochen keiner zugetraut." Sein Trainer Roger Schmidt bemühte auf der Pressekonferenz die eher leise Tonart. "Wir sind sehr glücklich, dass wir diese schwierige Aufgabe gemeistert haben. Das war der erwartete Kampf um jeden Quadratzentimeter, aber wir haben eine Halbzeit gebraucht, um in den richtigen Modus zu kommen."

SV Darmstadt 98 v Bayer Leverkusen - Bundesliga

Getümmelt, gewühlt, getroffen: Julian Brandt (links) schießt Bayer zum 2:1-Erfolg in Darmstadt.

(Foto: Matthias Hangst/Getty Images)

Dazu trugen die Platzverhältnisse, die eher an eine profane Qualifkationspartie zur Europa League im Kaukasus denn an die bestens präparierte Bundesliga-Bühne erinnerten, ein großen Teil bei. Dass Darmstadts Präsident Rüdiger Fritsch meinte, der Rasen sei anderswo "auch nicht viel besser", ist schlichtweg falsch: So wenig Grün liegt nirgendwo wie bei den Südhessen, die wohl erst nach dem Heimspiel gegen Borussia Dortmund (2. März) neuen Rollrasen verlegen lassen.

Erst nach Schmidts deutlicher Halbzeitansprache wacht Bayer 04 auf

Und so schien sich auf dem zerfurchten und matschigen Untergrund (Kampl: "Ehrlich gesagt: Der Platz ist nicht bundesligatauglich") Leverkusens nächste Pleite anzubahnen. Spätestens als Sandro Wagner im Nachsetzen seinen siebten Saisontreffer zum vielumjubelten Führungstreffer per Kopfball erzielte (28.), lief bei der Heimelf zunächst alles nach Plan. Den Gästen fehlte der Esprit, aber auch die Einstellung, um das Spiel in die richtige Bahn zu lenken. Bezeichnend wie Torwart Bernd Leno nach seiner Abwehraktion gegen den Drehschuss von Jan Rosenthal nicht rechtzeitig aus seiner Sandkuhle hervorkroch, um Wagner beim Kopfball zu stören.

Schema & Statistik

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Erst nach Schmidts Halbzeitansprache - von der Phonstärke gar noch lauter als die Stereoanlage - leisteten die Gäste angemessen Widerstand. Es bedurfte jedoch eines "Dreckstores" (Kampl), um zum Ausgleich zu kommen: Der eingewechselte Calhanoglu flankte und Darmstadts Kapitän Aytac Sulu lenkte die Kugel ins eigene Tor (62.). Damit des Unglücks für die Lilien nicht genug: Nach eigener Ecke und einem angeblichen Foul gegen Mario Vrancic ("Ich spüre einen Körperkontakt"), forderten die Darmstädter einen Elfmeter. Derweil schloss Julian Brandt einen mustergültigen Konter nach Vorlage des ansonsten fast unsichtbaren Stefan Kießling mit dem Siegtreffer ab (72.).

Vor allem Brandt, der zu seinem ersten Startelfeinsatz im Jahr 2016 kam, fiel eine Last von den Schultern - es sollen jetzt für das Talent bessere Zeiten anbrechen. "Wir haben die Reaktion gezeigt, die man zeigen muss", sagte Brand. "Für mich persönlich war das Tor aber auch wichtig." Trainer Schmidt versicherte, er werde aufgrund der anstehenden Terminhatz in den nächsten Wochen "jeden Spieler" brauchen.

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