Leverkusen weiter erfolgreich:Orkan oder Flaute

Die Harmonie des Duos Helmes/Kießling tarnt Bayers Schwächen. Das 3:2 beim VfL Bochum zeigt, wie sich die Leverkusener an Bremens Hurra-Fußball annähern.

Ulrich Hartmann

Früher war alles besser. Früher, als die Verhältnisse in der Bundesliga noch klarer waren und Bayer Leverkusen zumindest auf die Qualifikation für den Uefa-Pokal einigermaßen vertrauen konnte. "Früher", sagt Bayers Sportdirektor Rudi Völler, "wurdest du selbst nach einer durchschnittlichen Saison oft Fünfter oder Sechster und warst im Uefa-Cup. Doch das ist vorbei. Mittlerweile musst du schon eine richtig gute Saison spielen, um Fünfter zu werden!"

Leverkusen weiter erfolgreich: Bereits sieben Saisontore: Bayers Nationalspieler Patrick Helmes erzielte das 3:0 gegen Bochum.

Bereits sieben Saisontore: Bayers Nationalspieler Patrick Helmes erzielte das 3:0 gegen Bochum.

(Foto: Foto: dpa)

Während man in Leverkusen versuche, sich Bayern, Bremen und Schalke anzunähern, so Völler, drängen von hinten Wolfsburg und Hoffenheim nach. Die Hamburger, die seit Samstag wieder Tabellenführer sind, hatte Völler in jenem Moment noch nicht mal auf seiner Rechnung. Es sind also schon mindestens sieben sehr ernsthafte Kandidaten, die sich um die besten fünf Plätze in der Liga streiten, und dass Leverkusen im Gegensatz zur vergangenen Saison wieder mit dazu gehört, dafür hat es am Samstag beim - trotz einer 3:0-Führung - nur knappen 3:2-Sieg beim VfL Bochum etliche gute Argumente gegeben; aber wie so oft bei Bayer auch ein paar Zweifel. "Unsere Gefahr ist immer, in Schönheit zu sterben", sagte Völler und verriet damit: Auch unter dem neuen Trainer Bruno Labbadia laviert Bayer Leverkusen zwischen Orkan und Flaute.

Werder als warnendes Beispiel

Zumindest in einer Hinsicht wähnt Völler seine Leverkusener bereits auf Topniveau: bei der Launenhaftigkeit. "Das ist bei uns ähnlich wie bei den Bremern", sagte er nach dem Spiel, als im Kabinentrakt auf dem Monitor gerade die Tore aus Werders 5:4 gegen Hoffenheim gezeigt wurden. Die dort ersichtliche Diskrepanz zwischen offensiver Kraft und defensiver Anfälligkeit passte auch zum Spielverlauf in Bochum, wo Arturo Vidal (6.), Renato Augusto (21.) und Patrick Helmes (61.) die Leverkusener bereits in die Sorglosigkeit geschossen hatten, ehe Stanislav Sestak (79.) und Sinan Kaloglu (81.) ihnen unerwartet noch die Zerbrechlichkeit des Glücks vor Augen führten.

"Es kann fatal ausgehen, wenn du glaubst, du bist schon durch", sagte Völler, führte den mittelmäßigen VfL Bochum als Indiz für die gewachsene Allgemeinstärke der Bundesliga heran und erkor die Arbeit an der spielerischen Solidität zur wichtigsten Herausforderung für Bayers Zukunft. Diesen "schönen Offensivfußball, der aber leider oft auf Messers Schneide steht", wie Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser sagt, soll der Trainer festigen. "Die Fehleranalyse vom Spiel in Bochum wird umfangreich", sagte Labbadia kurz nach dem Schlusspfiff entsprechend, "wir haben eine junge Mannschaft, die von ihrer Euphorie lebt, aber es gibt noch einiges zu verbessern, weil sie nach klaren Führungen manchmal fahrlässig wird."

Bayers Fahrlässkeit

Von seiner Euphorie wird das Team aber weiter zehren, zumal Leverkusen am Samstag erstmals seit 13 Monaten wieder auf dem zweiten Tabellenplatz stand und in Patrick Helmes (sieben Tore) erstmals seit zwölf Jahren (damals Ulf Kirsten, sechs Tore) zu diesem Zeitpunkt der Saison wieder einen Spieler an der Spitze der Torjägerliste besitzt. "Seine Quote ist unglaublich", schwärmt Holzhäuser und lobt explizit das Zusammenspiel zwischen den Stürmern Helmes und Stefan Kießling. Helmes hat sieben Tore geschossen und eines vorbereitet, Kießling hat drei geschossen und vier vorbereitet. Weil er auch Helmes zu zwei Toren verholfen hat, sind sie zusammen mit 13 Toren und damit zu mehr als zwei Dritteln am besten Sturm der Liga beteiligt. 18 Tore in den ersten sechs Spielen hat Leverkusen in den 30 Jahren seiner Bundesliga-Zugehörigkeit noch nie erzielt.

Dass der Konkurrent Werder Bremen in der laufenden Spielzeit auch schon 18 Tore geschossen hat und die Leverkusener sich diese Bestmarke derzeit also teilen müssen, ist im Gegensatz zur Launenhaftigkeit eine Ähnlichkeit mit Werder, die den Leverkusenern gefallen dürfte. In dieser Rubrik haben sie sich dem Vorbild mithin bereits sehr erfolgreich angenähert.

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