Leverkusen:Trennung nach Kopfnuss

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Bayers ansehnliches 3:2 in Mainz wird überschattet von einer brutalen Attacke von Emir Spahic gegen Ordner. Der Verteidiger wird von der Klubführung suspendiert, die Staatsanwaltschaft ermittelt sogar.

Von Tobias Schächter, Mainz

"Ich bin schon ein bisschen stolz", sagte Bernd Leno. Als der Torwart zu seinem neuen Rekord befragt wurde, schlich sofort ein genießendes Lächeln in sein Gesicht. Noch nie gelang es einem Torhüter von Bayer Leverkusen länger ohne Gegentor zu bleiben als diesem Leno. Am Samstag, 16.06 Uhr, war die alte Marke aus der Saison 1983/84 gebrochen, der heutige Fanbeauftragte Rüdiger Vollborn blieb damals 485 Minuten unüberwunden. Und hätte Bayer beim 3:2 (1:0) beim FSV Mainz in der Schlussphase nicht zwei Elfmetertore durch Ja-Cheol Koo hinnehmen müssen (78., 90.), stünde Leno nun nicht mit 528 Minuten ohne Gegentreffer in den Geschichtsbüchern, sondern mit 540.

In den Geschichtsbüchern der Liga hat Stürmer Stefan Kießling in Mainz sogar einen Weltmeister von 1990 überholt, der in Leverkusen nun sein Sportchef ist. Mit seinem 2:0 erzielte der Stürmer sein 132. Bundesligator - eins mehr also als Rudi Völler. Und wie schon nach dem Elfmeter-K.o. in der Champions League gegen Altético Madrid gewann Bayer auch diesmal ein wichtiges Ligaspiel (damals 1:0 auf Schalke) im Anschluss an eine Pleite. Am Mittwoch schieden die Leverkusener im Elfmeterschießen aus dem DFB-Pokal aus. "Wir vergessen schnell die Spiele, die wir verlieren", erklärte Hakan Calhanoglu. Der Spielmacher hatte nicht nur Sons Führung vorbereitet (15.), sondern auch einen Freistoß zum 3:0 verwandelt (73.).

Auch der in dieser Saison gehemmte Torjäger trifft wieder: Stefan Kießling erzielt das 2:0 für Leverkusen in Mainz. (Foto: imago)

All diese vielen Erfolgsgeschichten - es hätte so ein schönes Wochenende werden können für Bayer Leverkusen. Doch all das Schöne wurde von der elenden Geschichte überlagert, die Emir Spahic, 34, nach dem Pokalspiel gegen Bayern zur Aufführung gebracht hatte. Spahics Gewaltausbruch gegen einen Ordner ist nicht so leicht zu vergessen wie eine Niederlage. Sie hat Spahic, der in Mainz ohnehin verletzt gefehlt hatte, am Sonntag den Job als Verteidiger in Leverkusen gekostet. Am Sonntagnachmittag erklärte die Bayer AG, der Vertrag mit Spahic sei "in gegenseitigem Einvernehmen mit sofortiger Wirkung aufgelöst" worden.

Die Fakten: Nach dem Spiel gegen Bayern wollten Bekannte des bosnischen Nationalspielers in dessen Loge kommen, manche hatten keinen Ausweis und befanden sich auf einem Weg, für den sie keine Zugangsberechtigung hatten. Es kam zu einer Schlägerei mit dem Ordnungsdienst. Spahic selbst ließ die Fäuste fliegen und verpasste einem Ordner mit Anlauf eine Kopfnuss. Der Mann verlor vier Zähne, er erstattete Anzeige, die Staatsanwaltschaft Köln ermittelt wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung. Der Vorgang ist auf einem Video dokumentiert und seit Donnerstag im Internet auf diversen Nachrichtenseiten zu sehen.

"Nachdem filmische Dokumente aufgetaucht sind, die uns alle geschockt und sehr betroffen gemacht haben, konnten wir nicht länger auf den Ausgang der juristischen Untersuchung bzw. eines Strafverfahrens warten", so erklärte Bayer-Geschäftsführer Michael Schade die sofortige Vertragsauflösung, man habe "keine andere Wahl gehabt". Tatsächlich war die Trennung unausweichlich: Wie sollte man sonst Stadionverbote gegen schlagende Ultras und Hooligans erklären? Wie sollte man eine andere Entscheidung den Nachwuchsfußballern erläutern? Die Anwälte des Vereins und des Spielers stehen in Verhandlungen, der Vertrag des Bosniers in Leverkusen läuft noch bis 2016. Bayer will auf jeden Fall vermeiden, dem Schläger noch eine Abfindung zu zahlen.

Zwar hat Spahic versucht, sich bei "allen Beteiligten zu entschuldigen. Aber wir wissen natürlich, dass es so schwierig ist, in irgendeiner Form weiterzumachen", erklärte Sportchef Rudi Völler. Einen Weg zurück ins Bayer-Trikot wird es für Spahic nicht geben. Bayers erfahrenster Spieler Simon Rolfes erklärte am Samstag mit eindeutiger Haltung: "Wir wünschen dem Ordner gute Besserung. Er gehört auch zu unserem Verein. Der Sieg ist auch für ihn."

In Mainz deutete der erst 19 Jahre junge Kroate Tin Jedvaj an, Spahic als Innenverteidiger ersetzen zu können. Aber auch diese sportliche Erkenntnis wird von einer düsteren überdeckt, die mit dem enthemmten Gewaltausbruch von Spahic zu tun hat. In Mainz hing ein Banner am Zaun der Leverkusener Fankurve, auf dem zu lesen war: "Emir, einer von uns".

Die Gesinnung hinter diesem Banner dürfte viele schmerzen - erst recht jenen Ordner, der am Mittwoch vier Zähne verloren hat.

© SZ vom 13.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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