Teldafax:Insolventer Sponsor bringt Bayer Leverkusen in Bedrängnis

Bayer Leverkusen steht nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" eine Rückzahlungs-Aufforderung in Höhe von rund 16 Millionen Euro ins Haus. Der Verdacht: Bayer wusste lange vor der Insolvenz des Trikotsponsors Teldafax von der Finanznot des Stromanbieters.

Andreas Burkert und Christoph Giesen

Wer Wolfgang Holzhäusers Leben als Fußballfunktionär verfolgt hat, der wundert sich seit ein paar Jahren über ihn. Denn der 61-Jährige verrichtet seinen Job als Chef des Champions-League-Starters Bayer 04 Leverkusen inzwischen äußerlich entspannt und professionell, wie man es ihm früher nicht zutraute. Schon gar nicht in Leverkusen. Unterm Bayerkreuz stand der Hesse stets im Schatten des rheinischen Faxenmachers Reiner Calmund, ehe dieser als Sportgeschäftsführer wegen offenkundig diskutabler Geldflüsse als Volkstribun abzudanken hatte.

Neuer Vorstand beim Stromanbieter Teldafax

Leverkusens Sportdirektor Rudi Völler diente dem Stromversorger als prominente Werbefigur.

(Foto: ddp images/dapd)

Als Konsequenz folgte für die Werkself ein vom Konzern verordnetes Sanierungsprogramm, das Holzhäuser abarbeitete - die Liebe des Publikums gewann der Mann mit den runden Brillengläsern deshalb nicht. Doch nun ist grundsätzlich mehr Gelassenheit eingekehrt bei Bayer 04, die "Werkself"-Kampagne, von Holzhäuser abgesegnet, ist ein Beleg: Wer einst den Begriff "Werkself" benutzte, erhielt vom damaligen Sportbeauftragten des Konzerns wütende Anrufe.

Doch jetzt drohen dem Klub und seinem Geschäftsführer unangenehme Fragen: Denn Bayer 04 steht nach Informationen der Süddeutschen Zeitung eine Rückzahlungs-Aufforderung in Höhe von rund 16 Millionen Euro ins Haus. Der Verdacht ist: Der Klub wusste schon zwei Jahre vor der Insolvenz des bisherigen Trikotsponsors Teldafax von der Finanznot des Stromanbieters. Sollte dies zutreffen, könnte der Insolvenzverwalter sämtliche Sponsoringgelder der vergangenen zwei Jahre zurückfordern.

Die Grundlage dafür ist das Insolvenzrecht, vor allem der Paragraf 133. Dieser Passus im Gesetz erlaubt dem Insolvenzverwalter Zahlungen, die bis zu zehn Jahren zurückliegen, anzufechten, wenn er Belege dafür hat, dass Bayer 04 Leverkusen frühzeitig von einer finanziellen Schieflage bei seinem Sponsor wusste. Der Insolvenzverwalter Biner Bähr möchte sich dazu noch nicht äußern.

Holzhäuser sagte dazu am Freitag der SZ: "Bisher haben wir noch keine Forderung auf dem Tisch. Wenn sie käme, werden wir das sorgfältig und juristisch prüfen. Und dann werden wir weitersehen."

Seit dem Sommer 2007 liefen Rolfes, Kießling & Co. mit dem Logo des Stromhändlers auf der Brust auf, Sportdirektor Rudi Völler war in Spots und auf Anzeigen das Gesicht der Firmenkampagne, Motto: "Wechseln ist ein Klax mit Teldafax."

Teldafax hatte am 14. Juni 2011 Insolvenz angemeldet. Der Schaden: Mehrere hundert Millionen Euro. Mit rund 750 000 Gläubigern ist die Liste potentieller Gläubiger so lang wie nie zuvor - der Fall Teldafax ist von der Anzahl der Geprellten die wohl größte Insolvenz der deutschen Wirtschaftsgeschichte. Die entscheidende Frage in diesem Finanzkrimi ist: Wann war das Unternehmen tatsächlich zahlungsunfähig? Wirklich erst im Juni 2011 - oder viel früher? Und falls früher, wann wusste Bayer 04 Bescheid, und wann Holzhäuser, der seit Juni 2004 als alleiniger Sprecher und Geschäftsführer der Fußballfirma firmiert?

Dokumente, die der SZ vorliegen, legen nahe, dass Teldafax bereits im Sommer 2009 mit dem Rücken zur Wand stand. 500 000 Kunden hatte Teldafax seit dem Einstieg ins Stromgeschäft 2006 gewinnen können. Aber zu Konditionen, die abenteuerlich kalkuliert waren, teilweise verkaufte Teldafax den Strom unter Einkaufspreis. Die Schulden lagen schon 2009 bei rund 150 Millionen Euro. Um das Unternehmen zu retten, suchten die damaligen Gesellschafter nach einem Investor, der ihnen alles abkauft: die Firma und die Verbindlichkeiten. Doch sämtliche Interessenten winkten ab.

Im Juli 2009 schrieben deshalb die drei Teldafax-Vorstände einen Brief an ihren Aufsichtsrat. Wenn nicht bald frisches Geld fließe, heißt es dort, gebe es nur zwei Handlungsmöglichkeiten: die sofortige Insolvenz oder den Rücktritt des Vorstandes. Es gibt Hinweise, dass Bayer 04 über dieses Schreiben an den Aufsichtsrat im Spätsommer 2009 informiert war. Holzhäuser weist den grundsätzlichen Vorwurf, man habe die tatsächliche Lage des Geldgebers gekannt, jedoch zurück.

"Den Sachverhalt wird das Gericht zu prüfen haben"

Selbst wenn er das brisante Vorstandspapier tatsächlich nicht gekannt haben sollte, so wurde er spätestens am 17. September 2009 offiziell über die missliche Lage von Teldafax informiert. Gegen 14 Uhr fand damals - im Büro von Holzhäuser - ein Krisentreffen statt: Das Teldafax-Management hatte um den Termin gebeten und war mir vier Vertretern angerückt. Gut eine Stunde dauerte die Sitzung. Was im Detail besprochen wurde, wissen nur die Teilnehmer, protokolliert wurde das Gespräch nicht - zu brisant war wohl der Inhalt.

Doch jetzt, zwei Jahre nach dem Treffen, bestätigen Teilnehmer der Sitzung, worum es damals ging: Die mögliche Insolvenz von Teldafax. Angesprochen auf die Sitzung in seinem Büro, betont Holzhäuser, dies sei "ein normales Gespräch gewesen: Damals gab es bei Teldafax einen Gesellschafterwechsel, das war eine Art Kennenlern-Gespräch", erklärt er. Doch die Akten, die der SZ vorliegen, bestätigen das nicht. Einen Gesellschafterwechsel gab es 2009 nicht. Erst im März 2011 versuchten russische Investoren, die Firma vergeblich zu retten.

Worum es in dem Gespräch am 17. September tatsächlich ging, deutet auch ein Fax an, das Holzhäuser fünf Tage später an den damaligen Vorstandschef von Teldafax, Klaus Bath, schickt. Darin schlägt er eine Änderung des Sponsorvertrags vor. Zahlungen sollten gestundet werden, und statt einer halbjährlichen Abrechnung sollte Teldafax nun monatlich an Bayer 04 überweisen; außerdem wollte Leverkusen Teldafax eine Sonderkündigungskondition einräumen.

Eigentlich hätte Leverkusen also spätestens seit dem September 2009 bewusst sein müssen, dass Teldafax am Ende ist und im Falle einer aufgeschobenen Insolvenz ein Insolvenzverwalter die Gelder von Bayer zurückfordern könnte. Dass Teldafax trotz der hohen Schulden zwei Jahre lang weitermachen konnte, liegt daran, dass das Geschäftsmodell der Firma irgendwann zu einem Schneeballsystem mutierte. Die laufenden Rechnungen, die Steuern und auch die Sponsorengelder für Bayer 04 konnten nur noch beglichen werden, weil das Unternehmen immer mehr Kunden akquirierte, die bereit waren, ihren Strom per Vorkasse zu bezahlen. Wächst ein solches Schneeball-Unternehmen irgendwann nicht mehr, kommt es zu einer finanziellen Lawine, die nicht mehr zu stoppen ist.

Im Oktober 2010 berichteten Medien über den bevorstehenden Abgang der Lawine. Hätte Leverkusen nicht spätestens jetzt alarmiert sein müssen? Mit Presseberichten sei das so eine Sache, entgegnet Holzhäuser: "Mit welcher Begründung sollten wir uns umsehen nach einem neuen Sponsor, wenn der Vertrag doch stets erfüllt wird?", fragt er: "Gefühle sind doch nicht justitiabel. Teldafax hat mit einer einzigen Abweichung, das war eine kleinere Summe und eine Verzögerung von etwa zwei Wochen, die Zahlungen immer pünktlich und korrekt erfüllt. Und dass umgestellt wurde auf monatliche Zahlungen, ist ja nichts Unübliches. Es hat kein Argument gegeben, den Vertrag vorzeitig zu beenden. Es sei denn, man hat per Klausel die Option, unter Umständen vorzeitig auszusteigen - und das haben wir jetzt getan."

Dass sich Teldafax korrekt verhalten habe, verbreitet Bayer 04 auch in Pressemitteilungen. Es seien "sogar Zahlungen vor der jeweiligen Fälligkeit geleistet worden". Dokumente belegen das Gegenteil: Am 15. Oktober 2009 beschwert sich Holzhäuser in einem erneuten Fax bei Teldafax über die Zahlungsmoral des Unternehmens: "Da die erste Stundungsvereinbarung aus September 2009 von Teldafax nicht eingehalten wurde, sehen wir keine Veranlassung, eine weitere Stundung zu gewähren." Holzhäuser möchte den Fall aus juristischen Gründen nicht im Detail bewerten. "Den Sachverhalt wird das Gericht zu prüfen haben, nicht der Insolvenzverwalter", sagt er.

16 Millionen Euro - das wären in etwa die Mindesteinnahme, mit der Bayer 04 derzeit in der Champions League rechnen kann. Zuletzt hat Holzhäuser in Leverkusen mit dem Verkauf von Arturo Vidal an Juventus Turin gepunktet, weil er den Profi nicht zum nationalen Rivalen FC Bayern ziehen ließ. Die rund zehn Millionen Euro Ablöse sind noch nicht investiert worden. Das Ärgernis Teldafax sei daran aber nicht schuld, versichert Holzhäuser: Bei diesem Thema sei er "ganz gelassen, und wir sind vorbereitet".

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