Schalke - Leverkusen 0:1:90 Minuten in Unterzahl

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Schalke kämpft, rackert und malocht - doch eine Viertelstunde vor Schluss lassen die Kräfte nach. Am Ende ist es Angreifer Stefan Kießling, der in der 89. Minute nach einem umstrittenen Freistoß zum 1:0 Endstand für Leverkusen einköpft.

Von Philipp Selldorf, Gelsenkirchen

Außer dem tödlichen Pass gibt es auch den tödlichen Fehlpass. Als Schalkes Verteidiger Sead Kolasinac nach nicht mal drei Minuten in der Partie gegen Bayer Leverkusen einen leichten Ball zu seinem Nebenmann Naldo leiten wollte, wurde daraus genau das: ein tödlicher Fehlpass. Statt zum Mitspieler legte er den Ball in den Lauf des Leverkuensers Chicharito, und Naldos verzweifelte Bemühungen, den mexikanischen Angreifer aufzuhalten, ließen Schiedsrichter Deniz Aytekin keine Wahl: Tatbestand Notbremse - er musste Naldo die rote Karte zeigen.

So begann Bayer im wegweisenden Duell der beiden im Tabellenmittelfeld festsitzenden Topklubs mit einem riesigen Startbonus. Am Ende gewann Bayer 1:0 durch ein Tor von Stefan Kießling in der 89. Minute - und wusste selbst nicht genau warum, denn Schalke hatte in der Not eine starke Gemeinschaftsleistung geboten und war das bessere Team gewesen, das die besseren Chancen hatte. "Wir werden uns definitiv für den Sieg nicht entschuldigen - wir haben aber auch schon verdienter gewonnen", räumte Bayer-Sportchef Rudi Völler ein.

Der Verlust von Naldo bedeutete, dass aus der Dreierkette, mit der Schalke zuletzt eine vorzeigbare Hintermannschaft gebildet hatte, plötzlich keiner mehr übrig war: Auch Höwedes (gesperrt) und Nastasic (Adduktoren) fehlten. Mittelfeldspieler Bentaleb (Erkältung) musste ebenfalls passen, die verletzten Torjäger Embolo, Huntelaar und di Santo sowieso. Die verbliebenen Schalker begaben sich also erst mal in die Abwehrhaltung. Geis, Kolasinac und Kehrer bildeten die zentrale Deckung, der Rest verteidigte leidenschaftlich mit, angefeuert von einem wild mitgehenden Publikum, das den unschuldigen Schiedsrichter Aytekin für jeden nicht genehmen Pfiff geißelte. Leverkusen wusste in der ersten Hälfte mit dem gewaltigen Startvorteil nichts anzufangen. Weder schaffte es Bayer, Druck aufzubauen, noch Ballkontrolle zu wahren, um den dezimierten Gegner zu ermüden. Stattdessen gestattete Bayer durch zahlreiche Abspielfehler und nachlässiges Deckungsverhalten den Schalkern etliche Kontermöglichkeiten. Doch Konoplyanka und Choupo-Moting nutzten die Chancen nicht.

"Da hat uns einfach der letzte Ball gefehlt", haderte Manager Christian Heidel später. Bayer wurde lediglich einmal durch Kießling gefährlich, der knapp am Tor vorbeischoss (32.).

Zur Pause nahm Roger Schmidt den schwach spielenden Baumgartlinger sowie Arranguiz heraus und brachte Havertz und Yurchenko, doch das Bild änderte sich nicht, eher wurde es noch trüber aus der Sicht des Bayer-Trainers. Die Zahl der leicht vermeidbaren Fehler nahm zu, weder Tempo noch Spielfluss kamen zustande, Kießling und Chicharito warteten am Strafraum vergeblich auf ihren Einsatz. Schalke schaffte es mit seiner improvisierten Deckung, Bayer vom eigenen Tor fernzuhalten, und fand immer wieder Anspielstationen für eigene Angriffe. Besonders Baba und Konoplyanka inszenierten auf der linken Seite bedrohliche Momente, der überragende Goretzka trieb das Spiel aus der Mitte an.

Eine Viertelstunde vor Schluss ließen die Kräfte bei Schalke zunehmend nach, doch Bayer rannte sich weiterhin planlos fest. Dass das Tor des Tages nach einem Freistoß fiel, das muss die Schalker daher doppelt und dreifach ärgern. Choupo-Moting ließ Kießling freistehen - und all die aufopferungsvolle Arbeit war zunichte. Ähnlich ärgerlich: Der Freistoß, der dem Treffer vorausging, war gar nicht berechtigt gewesen, Kehrer hatte ein sauberes Tackling angesetzt. Im Grunde Aytekins einziger Irrtum - diesmal aber ein entscheidender.

© SZ vom 12.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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