Leverkusen-Debakel in der Champions League:Sogar der Aufzug klemmt

Bayer Leverkusen's Kiessling reacts after losing to Manchester United in Champions League soccer match in Leverkusen

Schwer enttäuscht: Leverkusens Stürmer Stefan Kießling.

(Foto: REUTERS)

Da überträgt endlich mal das öffentlich-rechtliche Fernsehen eine Partie, und dann klappt nichts: Bayer Leverkusen ereilt gegen Manchester United die höchste Heimniederlage der Klubgeschichte. Trainer Sami Hyypiä erinnert das an alte Zeiten in Finnland.

Von Andreas Morbach, Leverkusen

Am Mittwochabend klemmte in der BayArena sogar der Aufzug. "Da kommt nix", klagte im Kellergeschoss des Leverkusener Stadions jene junge, dunkelhaarige Frau, die ungeduldig auf den Fahrstuhl für Sami Hyypiä und seine kleine Entourage wartete. Bayers Teamchef nahm die kurze Verzögerung im klubinternen Transportwesen mit unbewegter Miene hin. Und irgendwann wurde der 40-Jährige dann erfolgreich die paar Stockwerke bis hinauf in den Pressekonferenzraum befördert, wo er über die 0:5-Haue für seine Mannschaft durch Manchester United sprechen musste.

"Es ist nicht angenehm, hier zu sitzen - nach so einem Spiel", startete Hyypiä. Denn: "Fünf Tore zu kassieren, das ist natürlich eine große Nummer." Dabei hatten sich die Leverkusener vor der Partie - ganz entgegen ihrer Natur - selbst schon als eine recht große Nummer verkauft.

"Zu Hause sind wir eine Macht, da muss uns erst einmal einer schlagen", hatte Goalgetter Stefan Kießling getönt. Sein Trainer hatte dem Besuch von der Insel vorab ausrichten lassen: "Es wird nicht einfach, gegen uns zu gewinnen."

Für diesen Satz müsste Sami Hyypiä nun eigentlich zum Ehrenvorsitzenden aller Hochstapler ernannt werden. Als Strafe für seinen tonnenschweren Irrtum musste der frühere Verteidiger darüber nachdenken, wann er als Spieler je eine derartige Abreibung verpasst bekommen hatte. Hyypiä überlegte kurz, dann fiel ihm ein: "So eine heftige Niederlage habe ich bisher nur mit der finnischen Nationalmannschaft erlebt."

Das zumindest haben ihm viele seiner frisch gedemütigten Spieler voraus. Sieben Akteure aus der Startelf vom Mittwoch waren im März 2012 dabei gewesen, als die Rheinländer im Camp Nou von Barcelona mit 1:7 verprügelt worden waren. Zum Beispiel Mittelfeldmann Stefan Reinartz.

Gegen ManUnited betätigte sich der ruhige Zeitgenosse aus dem Bergischen Land Mitte der ersten Halbzeit mit einem missratenen Hackentrick in der gegnerischen Hälfte als Türöffner für die Gäste. Später sollte der 24-Jährige erkennbar apathisch, aber durchgehend höflich über das böse Bayer-Erwachen gegen die ersatzgeschwächten Engländer sprechen.

"So vermessen sind wir nicht"

Doch als einer für den Auftritt der Leverkusener den derben Qualitätsstempel "peinlich" in den Mund nahm, wurde der nette Reinartz plötzlich etwas ungehalten. "Nein, peinlich war das für mich nicht", murrte er - und schnaubte hinterher: "Das ist immer noch Manchester United. Und so vermessen sind wir nicht, dass wir dieses Spiel jetzt als peinlich erachten."

Andere Mitglieder der Bayer-Gemeinde waren da weniger zimperlich. Das 0:5 bedeutet immerhin die höchste Heimniederlage der Vereinsgeschichte - und zwar wettbewerbsübergreifend. Zuvor war dies ein 0:4 gegen Rot-Weiß Lüdenscheid in der 2. Bundesliga 1977 gewesen. Außerdem stellte die Mannschaft die höchste deutsche Heimniederlage in der seit 1992 ausgetragenen Champions League ein. 0:5 auf eigenem Platz hatte bis dahin nur Werder Bremen am 30. März 1994 gegen den FC Porto verloren.

"Vielleicht ist unser Respekt gegen solche Mannschaften zu groß, da müssen wir dazulernen", überlegte Sportdirektor Rudi Völler und hielt unverblümt fest: "Wir dürfen uns nicht so abschlachten lassen." Eine angemessene Forderung. Denn kaum lagen die Leverkusener, die mit einem Sieg das Achtelfinal-Ticket sicher gehabt hätten, zurück, war die Energieversorgung für die Werkself gekappt.

"Das 0:1", rekapitulierte Simon Rolfes, "war für uns schon ein schwerer Schlag, von dem wir uns nicht mehr erholt haben." Das war umso ärgerlicher, hatten sich die öffentlich-rechtlichen TV-Macher doch endlich mal entschieden, ein Leverkusener Königsklassenmatch live zu übertragen. "Das war eine gute Gelegenheit, uns zu zeigen", seufzte Kapitän Rolfes: "Und die haben wir natürlich völlig verpatzt."

Zwar kann sich Bayer - allerdings nur noch mit Unterstützung von Manchester - beim letzten Gruppenspiel in San Sebastián nach wie vor für die K.-o.-Runde qualifizieren. Doch der Imageschaden ist angerichtet. Das wusste auch Rudi Völler, der in seiner bodenlosen Enttäuschung zunächst viel zu benommen war, um sich über Hyypiäs Hasenfüße richtig empören zu können.

"Nach den ersten beiden Toren war bei uns der Wille gebrochen. Ein 0:5 ist natürlich eine Blamage, damit haben wir sicher nicht gerechnet", murmelte Bayers Sportdirektor, der beobachtet hatte: "Es war ein wenig Angst dabei."

Die war auch dem Teamchef des vorgeführten Ensembles nicht verborgen geblieben. "Ja, vielleicht ist das eine mentale Sache", antwortete Sami Hyypiä auf die Frage, ob die Leverkusener mal wieder das Opfer ihrer eigenen psychologischen Verstrickungen geworden seien. Dann legte er sich fest: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass es an etwas anderem liegt."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: