Leverkusen-Aus in der Champions League:Trauriges Trio nach der Fußball-Schlacht

  • Nach einem intensiven Gebolze verliert Bayer Leverkusen im Achtelfinal-Rückspiel der Champions League gegen Atlético Madrid.
  • Im Elfmeterschießen scheitern Calhanoglu, Toprak, Kießling.
  • Der Klub streitet darüber, ob er alles richtig gemacht hat.
  • Hier geht es zu den Ergebnissen der Champions League.

Von Andreas Morbach, Madrid

Bernd Leno hielt es von allen Leverkusenern am längsten am Ort der Trübsal. Es war halb eins in der Nacht, als der 23-jährige Torhüter in der zugigen nordwestlichen Ecke des Estadio Vicente Calderón finale Aufmunterungen von spanischen Berufskollegen entgegen nahm. Vom Rasen her wehten die letzten Konfettischnipsel der Atlético-Fans herüber - die da schon längst in den Bars der spanischen Metropole debattierten. Über den wüsten Abnutzungskampf zweier Teams, den Roger Schmidt als "Schlacht" titulierte. Als "Schlacht um die zweiten Bälle".

Um die ersten Bälle, legte die Analyse des Bayer-Trainers nahe, kümmerte sich in diesem Achtelfinale dagegen kaum einer. Die 50 000 Zuschauer bekamen stattdessen das übliche Atlético-Abendmahl vorgesetzt: Ein hemdsärmeliges Malocher-Team mit dem Habitus einer Piratenbande, das bevorzugt weite Pässe in die gegnerische Hälfte schlägt, seinen Widersachern kaum Zeit zum Atmen lässt - und am Ende meist gewinnt.

Auch wenn diesmal ein Elfmeterschießen nötig war, das die Gastgeber mit 3:2 für sich entschieden. Und an dessen Ende Stefan Kießling getröstet werden musste. Der Stürmer hatte den letzten Strafstoß in den Madrider Nachthimmel gedonnert.

"Kießling ist sicher in der Lage, bei einem Elfmeterschießen zu treffen. Heute hat es leider nicht sollen sein", sagte Roger Schmidt. Und in einer anderen Ecke der von der Zeit angenagten WM-Arena von 1982 klagte Sportdirektor Rudi Völler: "Calhanoglu ist normalerweise ein sicherer Schütze, der den Torhüter ausguckt. Diesmal hat es nicht geklappt."

Und zwar überhaupt nicht: Sein Strafstoß, der Leverkusen nach dem Fehlschuss von Madrids Raúl García zum Auftakt in eine glänzende Position hätte bringen können, kullerte Ersatzkeeper Jan Oblak regelrecht entgegen. Nach Calhanoglu verschoss dann auch Ömer Toprak nach einem Anlauf, der eher an einen Watschellauf erinnerte. Ehe Kießling zur tragischen Figur in diesem traurigen Trio avancierte.

Bei der Einordnung des schmerzhaften Showdowns drifteten die Meinungen der Unterlegenen danach weit auseinander. "Elfmeterschießen hat immer mit Nerven zu tun. Dafür muss man ein bisschen was erlebt haben", betonte der 48-jährige Schmidt und meinte mit Verweis auf die vielen jungen Spieler in seinem Team: "Dass wir es in dieser Atmosphäre überhaupt ins Elfmeterschießen geschafft haben, ist bemerkenswert und nicht normal." Sportchef Völler hingegen fauchte: "Wir haben einen Elfmeter zu viel verschossen. Mit einer Reifeprüfung hat das überhaupt nichts zu tun, das ist völliger Schwachsinn."

War die Spielweise richtig?

Uneins war man sich in der Bayer-Familie auch darüber, warum es trotz der guten Vorlage des 1:0-Hinspielsiegs nicht zum Sprung unter die besten Acht des Kontinents gereicht hatte. Denn während Schmidt ("Man kann sich der Spielweise von Atlético nicht entziehen, muss da mitgehen") ein ehernes Gesetz erkannte, beklagten einige seiner Profis fehlenden Mumm in den eigenen Reihen.

Bei Simon Rolfes ("Madrid war die gesamte Partie über die aktivere Mannschaft, das hat sich dann auch im Elfmeterschießen gezeigt") war die Skepsis wohl auch mit seiner Rolle als Ersatzmann zu erklären - der 33-Jährige kam erst nach 77 Minuten ins Spiel. Doch auch Mittelfeldkollege Gonzalo Castro, von der ersten bis zur letzten Sekunde auf dem Platz und neben Rolfes einziger Leverkusener, der seinen Strafstoß ins Netz brachte, fand: "Uns hat der Mut gefehlt."

Leverkusen habe sich "von den Fans, vom aggressiven Dasein Atléticos ein bisschen einschränken lassen", monierte Castro - während Roger Schmidt schon wieder tatenfroh auf das Punktspiel am Samstag beim direkten Konkurrenten um die kommende Champions-League-Qualifikation Schalke blickte. "Wir hatten", räumte der Trainer ein, "in unseren Aktionen nicht den Tiefgang, der uns sonst auszeichnet. Jetzt müssen wir zusehen, dass wir im nächsten Jahr wieder Champions League spielen dürfen - und es mit den Erfahrungen von diesmal dann ein bisschen besser machen."

Diesem Wunsch schloss sich Michael Schade später mit Vehemenz an. Bayers Geschäftsführer tat seine spezielle Meinung zum Unterschied zwischen Königsklasse und Europa League nachts um eins kund. "Lieber", erklärte der 62-Jährige auf dem Bankett der Leverkusener kurzum, "einmal in Madrid verlieren als einmal im Ural gewinnen."

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