Leverkusen-Aus im Elfmeterschießen:Endlich wieder gut genug, um knapp zu scheitern

Leverkusen Bayarena 08 04 15 Julian Brandt Bayer 04 Leverkusen sitzt enttäuscht am Boden im DFB; Leverkusen

Super gespielt, trotzdem verloren: Leverkusens Julian Brandt

(Foto: imago/mika)
  • Unglücklicher als zweimal im Elfmeterschießen kann ein Verein nicht ausscheiden: Bayer Leverkusen scheitert gegen den FC Bayern knapp.
  • Das Team von Roger Schmidt schreibt die Legende der furios aufspielenden Fast-Sieger fort.
  • Zu den Ergebnissen aus dem DFB-Pokal geht es hier.

Von Sebastian Fischer, Leverkusen

Es war kurz nach elf Uhr nachts, als sich die Männer in roten Trikots auf dem Rasen in einem Kreis umarmten und anbrüllten. Gesichtszüge entgleisten, Oberkörper wippten zu rhythmischen Rufen, als folgten sie einem Kult. Die Fußballer von Bayer Leverkusen versuchten, ihr Schicksal zu bezwingen. Sie stimmten sich auf das Elfmeterschießen ein.

Noch ein paar Minuten später am Mittwochabend war der FC Bayern München ins DFB-Pokalhalbfinale eingezogen. Leverkusen hatte zum zweiten Mal binnen drei Wochen die große Chance verpasst, aus einer ordentlichen Saison eine außerordentliche zu machen. Zum zweiten Mal binnen drei Wochen hatte die Mannschaft von Bayer 04 in einem K.o.-Spiel im Elfmeterschießen verloren, nach dem 2:4 im Champions-League-Achtelfinale bei Atlético Madrid nun mit 3:5. Sie unterlag ihrem Schicksal.

Als Bayerns Trainer Pep Guardiola gegen Mitternacht im Pressesaal der Leverkusener Arena saß, schwärmte er vom Gegner. Leverkusen sei "eine der schnellsten Mannschaften der Welt". Das Pressing der Werkself hatte den Münchnern zugesetzt, besonders in der ersten Halbzeit, als die Leverkusener ihren Gegner weit aufgerückt in die eigene Hälfte und zu ungenauen Pässen zwangen. "Unsere Umschaltung war nicht möglich", erklärte Guardiola.

Neben ihm saß der Leverkusener Trainer Roger Schmidt und schaute ausdruckslos in die Luft, er wirkte genervt. Denn was Guardiola berichtete, hielt ihm ja noch einmal vor, wie günstig die Gelegenheit gewesen war. Seine Mannschaft hatte mindestens auf dem Niveau des ersatzgeschwächten Rekordmeisters gespielt, hatte die Münchner streckenweise technisch und taktisch dominiert. Und hatte am Ende, nach 120 torlosen Minuten, eben doch wieder verloren.

Leverkusen hatte klare Chancen durch die starken und am Ende völlig erschöpften Karim Bellarabi und Julian Brandt vergeben, später klare Chancen zugelassen, die Torhüter Bernd Leno stark parierte. Leverkusen hatte Glück, dass einem Treffer von Robert Lewandowski die Gültigkeit versagt blieb und Pech, dass Münchens Thiago nach einem Tritt gegen die Brust von Stefan Kießling nicht die rote Karte sah und später den entscheidenden Elfmeter verwandelte. "Wem soll man einen Vorwurf machen?", fragte Leno nach dem Spiel rhetorisch, er meinte: niemandem.

Platziert nach links, aber Manuel Neuer hielt

Schmidt verwies darauf, dass seine Mannschaft selbst im Elfmeterschießen nicht viel falsch gemacht hat, anders noch als in Madrid vor drei Wochen, als Hakan Çalhanoğlu den Ball uninspiriert in die Tormitte verschossen und Ömer Toprak und Stefan Kießling weit über die Latte gezielt hatten. "Wir haben sehr klare Elfmeter geschossen", sagte Schmidt. "Auch Josip."

Der Schweizer Angreifer Josip Drmic, in der Nachspielzeit für den verletzten Kießling eingewechselt, schoss gleich den ersten Elfmeter: platziert nach links, aber halbhoch - Manuel Neuer hielt. Danach trafen alle, bis es vorbei war. Drmic lief als Erster in die Kabine, Schmidt stand vor der Auswechselbank und schaute auf den Boden, irgendwo zwischen Enttäuschung und Stolz nahm er den Handschlag von Geschäftsführer Michael Schade entgegen. Es ist ja Fluch und Segen gleichermaßen: Bayer 04 wird unter Roger Schmidt seinem Ruf so gerecht wie lange nicht mehr.

"Großartig, dass wir überhaupt da gewesen sind"

Dass in Leverkusen die Knapp-Gescheiterten spielen, die unglücklichen zweiten Sieger, die furios aufspielenden Fast-Meister, ist ja nichts Neues, sondern längst Legende. In den vergangenen Jahren war die Mannschaft jedoch nie gut genug, um so knapp zu scheitern wie einst, im DFB-Pokal kam sie dafür nicht weit genug oder verlor gegen unterklassige Gegner, international war sie chancenlos. In diesem Jahr haben sie in Leverkusen die Legende fortgeschrieben. Nicht unbedingt in der Liga, wo sie ihre kraftraubende Spielweise zwischenzeitlich mit fehlender Konstanz bezahlten und um die Champions-League-Teilnahme kämpfen, aber in den Pokalwettbewerben. Knapper und unglücklicher als zweimal im Elfmeterschießen kann man ja nicht ausscheiden.

Aus der Tradition ist auch die Übung gewachsen, Niederlagen in Siege umzudeuten, Schmidt ist jetzt Teil dieser Tradition. Die Niederlagen in Madrid und jetzt gegen Bayern: "Es ist einfach nur großartig, dass wir überhaupt da gewesen sind", sagte er am Mittwoch. Doch andererseits ist Schmidt erst seit etwas mehr als einem halben Jahr Leverkusener, so ganz will er sich mit der Tradition noch nicht anfreunden. Die Niederlage würde sein Team stärker machen, "wir werden für unsere Entwicklung belohnt werden und solche Spiele für uns entscheiden können", erklärte er, "wir sind so gut."

Schmidt will mit der Leverkusener Tradition brechen, irgendwann mal: "Nicht mehr in dieser Saison, aber in den kommenden Jahren."

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