Leverkusen - Augsburg (17.30 Uhr):Nicht bloß Kleinigkeiten

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Dampf ablassen: Torhüter Marwin Hitz schreit auch mal Klartext. (Foto: Juan Flor/dpa)

Der FC Augsburg tut sich schwer, den Erwartungen in dieser Saison gerecht zu werden. Im Spiel in Leverkusen geht es darum, den Trend endlich zu stoppen.

Von Kathrin Steinbichler, Augsburg

Als Schweizer ist Marwin Hitz eigentlich der Neutralität verpflichtet, aber sich heraushalten aus der Meinungsbildung beim FC Augsburg, das kann und will er nach der jüngsten Niederlage gegen Partizan Belgrad nicht. Als der Schweizer Nationaltorhüter jetzt nach dem 1:3 (0:1) des FC Augsburg im Europa-League-Heimdebüt zu den Ursachen für die Misere seiner Mannschaft gefragt wurde, atmete er erst einmal tief ein. Am liebsten wäre es Hitz, er müsste gar nicht sprechen, doch dann sagte der Torhüter des FCA Sätze, die im Ton bedächtig klingen, im Inhalt aber einem kleinen Erdbeben gleichen. Einem Erdbeben, von dem er wohl hoffte, dass es seine Kollegen bis zum Bundesligaspiel am Sonntag (17.30 Uhr) bei Bayer Leverkusen aufrüttelt.

Normalerweise ist von den FCA-Profis nach Niederlagen die fast wortgleiche Rede zu hören vom Aufwand, den man betrieben habe, der aber leider nicht belohnt werde. Vom engagierten Spiel, dass man gezeigt habe, dem aber das Glück des Erfolgs verwehrt geblieben sei. Auch nach dem Spiel gegen Belgrad bemühten sich die Beteiligten, zumindest verbal Zuversicht auszustrahlen, schließlich "hatten wir wieder Chancen ohne Ende", wie Trainer Markus Weinzierl entnervt feststellte. 28:6 Torschüsse zählte die Statistik, doch während aus den fast 30 Augsburger Abschlüssen nur das zwischenzeitliche 1:2 durch Raul Bobadilla (57.) heraussprang, machte Partizans U20-Weltmeister Andrija Zivkovic aus den fünf Belgrader Chancen zwei Tore (31./62.), dazu kam ein Eigentor von Augsburgs Ji zum 0:2 (54.). Für den FCA beginnen mit dem Auswärtsspiel am Sonntag in Leverkusen jetzt die Wochen, in denen es im Ligaalltag bereits darum geht, ob die Mannschaft des FCA als Abstiegskandidat überwintern muss oder vielleicht doch noch eine Trendwende schafft.

Torwart Hitz mahnt zur Selbstkritik

Hitz hatte daher nach der dritten Niederlage binnen einer Woche - nach den Misserfolgen in Mönchengladbach (2:4) und gegen Hoffenheim (1:3) - keine Lust mehr auf beruhigende Worte. Der 28-jährige Torhüter, der seit Wochen als einer von wenigen konstant verlässlich spielt beim FCA, fordert seine Kollegen regelrecht auf zur Selbstkritik: "Wir kriegen innerhalb von nur fünf Tagen zweimal das gleiche Tor", sagte der Schlussmann zum 0:1 von Partizans 19-jährigem Zivkovic, der wie im Spiel zuvor der Hoffenheimer Kevin Volland mit einem schnellen Haken von rechts nach innen gezogen war und recht problemlos einschießen konnte. Beide Male hatte die Abstimmung zwischen Außen- und Innenverteidigung nicht gestimmt, wie sich für den Gegner überhaupt oft erschreckend große Räume in der Defensive des FCA ergeben. Hitz holte daher zu einem Appell aus: "Wir müssen uns wieder viel mehr helfen", forderte er, "als Mannschaft wieder gut verteidigen, dann sind wir wieder da. Es ist schwer für alle, das sieht man uns auch an."

In der Tat sieht man dem FC Augsburg an, wie schwer er sich tut, in dieser Saison den Erwartungen gerecht zu werden. Die Träume, vielleicht so wie in der Vorsaison auf nationaler nun auch auf europäischer Bühne für Furore zu sorgen, sind längst zerstoben, im Verein wie bei Fans und Umfeld geht es alleine darum, nicht die Daseinsberechtigung in der Bundesliga zu verlieren. Und so sehnen sie sich in Augsburg inzwischen wieder nach ganz einfachem, verlässlichem Fußball-Handwerk: Eng stehen, konsequent spielen, ab und zu mehr als einmal treffen - mit dieser simplen Devise hatte der FC Augsburg in den zurückliegenden beiden Spielzeiten genug Punkte geholt, um als etablierter Bundesligist zu gelten. Doch die Sicherheit im Handeln ist der Mannschaft abhanden gekommen, nicht nur vor des Gegners Tor, auch vor dem eigenen. Genau das ist es ja, was Marwin Hitz ankreidet. Jeder einzelne müsse eigentlich "bei einem Ballverlust von uns einen Stromschlag bekommen und sofort mit zurückrennen", hatte der Torhüter bereits nach dem Hoffenheim-Spiel gesagt. Die Mannschaft arbeitet in seinen Augen nicht mehr genug für die Defensive, statt einem Mann mehr vorne, meinte Hitz jetzt vor dem Leverkusen-Spiel, "sollten wir wieder öfter einen Mann mehr hinten haben".

"Wir brauchen am Sonntag 90 geile Minuten"

Aus den Worten des 28-Jährigen ist der Frust zu hören, denn "so, wie es zuletzt lief, kann man nicht mehr von Kleinigkeiten sprechen", findet er. Mit nur vier Punkten aus sieben Spielen steht Augsburg in der Bundesliga auf Platz 16, der zum Saisonende die Relegation bedeuten würde. Zumindest ein Punkt beim Ligafünften Leverkusen würde Selbstbewusstsein wie Tabellenkonto gut tun. "Wir brauchen am Sonntag 90 geile Minuten, wo wir mal wieder wirklich alles raushauen. Zurzeit geht der Gegner mit Krämpfen vom Platz und wir nicht", kritisierte Hitz. An die Europa League dachte der Schweizer da schon nicht mehr. Über das Weiterkommen dort "braucht man jetzt nicht reden, wenn man nach zwei Spielen null Punkte hat. Wir müssen uns jetzt einfach auf das nächste Spiel konzentrieren und uns darüber Gedanken machen."

In Leverkusen wird der FCA nun nicht das Spiel machen müssen, "vielleicht", sagte Hitz, "kommt uns das wie schon gegen Bayern entgegen". Manager Stefan Reuter jedenfalls hält an seinem Optimismus fest: "Wenn du nicht locker lässt, wirst du irgendwann belohnt. Und wir lassen nicht locker."

© SZ vom 04.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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