Leon Goretzka will weg vom VfL Bochum:Geplatzte Romanze im Profifußball

VfL Bochum v SC Paderborn - 2. Bundesliga

Will weg aus Bochum: Leon Goretzka 

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Als Kind stand er in der Ostkurve des Ruhrstadions, mit sechs Jahren begann er in der F-Jugend des VfL Bochum. Nun will das 18-jährige Talent Leon Goretzka unbedingt weg - und steht kurz davor, seinen Heimatverein zu verklagen.

Von Philipp Selldorf, Bochum

Am vergangenen Samstag hat Leon Goretzka das freie Wochenende unter anderem dazu genutzt, das abschließende Saisonspiel der B2-Junioren des VfL Bochum anzuschauen. Um zwölf Uhr mittags saß er im sogenannten Leichtathletik- Stadion und erlebte die Partie gegen Arminia Bielefeld. Für den Bochumer Profitrainer Peter Neururer hat Leon Goretzka mit dieser Art der Freizeitbeschäftigung ein weiteres Zeugnis seiner besonderen Verbundenheit mit dem VfL abgelegt und "gezeigt, was für ein Herz er hat".

Es ist unstrittig, dass Goretzka eine enge emotionale Beziehung zu seinem Arbeitgeber hat, der 18-Jährige kam bereits vor zwölf Jahren zur F-Jugend des VfL, oft hat er in der Ostkurve des Ruhrstadions gestanden, wenn die Profis spielten, und jetzt steht er zwar seit gut einem Jahr selbst auf dem Platz, "aber ich bin immer noch Fan, das kann man ruhig so sagen". So hat er es vor ein paar Monaten beschrieben.

Nun werden seine herzlichen Gefühle für den VfL auf eine harte Probe gestellt, denn Leon Goretzka ist nach SZ-Informationen kurz davor, seinen Heimatklub vor dem Arbeitsgericht zu verklagen, damit dieser ihn aus dem bis 2016 laufenden Lizenzspielervertrag entlässt.

Goretzka will zum FC Schalke 04 wechseln, der VfL verweigert die Freigabe. Die Ausstiegsklausel, auf die sich Goretzka und Schalke berufen, wird von den Bochumern nicht anerkannt. Zwar haben sie die Existenz einer Klausel nicht explizit bestritten, sie legen den betreffenden Passus im Vertragswerk jedoch anders aus. Weil Schalke aus juristischen Gründen nicht klagen kann, muss es der Spieler selbst machen.

Schalkes Manager Horst Heldt sagte am Dienstagabend: "Wir haben dem VfL die Hand gereicht und verschiedene Ideen aufgezeigt, um eine für beide Seiten befriedigende Lösung zu finden, aber im Moment sehe ich keinen Grund mehr, warum ich weiter mit Bochum verhandeln soll."

Es geht offenkundig um Spitzfindigkeiten, zunächst steht ein Wort gegen das andere. Goretzkas Berater Jörg Neubauer hatte vor einigen Tagen der WAZ erklärt: "Es gibt eine Ausstiegsklausel. Punkt." Mehr könne er im Moment zu der Sache nicht beitragen, sagte er auch am Dienstag. Zu der anstehenden Klage wollte sich Neubauer, der auch die Rechtsanwaltslizenz besitzt, nicht äußern.

Der Mittelfeldspieler Goretzka gilt seit Jahren als eines der herausragenden Talente im deutschen Fußball. Die Liste der Klubs, die sich um ihn bemüht haben, ist lang: Angeblich waren Inter Mailand und Juventus Turin, der FC Arsenal und Real Madrid unter den Interessenten, Bayern München gehörte definitiv dazu, Borussia Dortmund und Schalke 04 sowieso. Goretzka erteilte jedoch seinem Vater - im Stammberuf Maschinenbau-Elektroniker beim Bochumer Opel-Werk - das Mandat, die Bewerber anzuhören und höflich zu vertrösten. Er hatte vor, bis 2014 in Bochum zu spielen und das Abitur auf dem Alice-Salomon-Berufskolleg abzulegen.

Einzeltraining wegen des großen Medieninteresses

Dass er nun beschlossen hat, den VfL ein Jahr früher als vorgesehen zu verlassen, um zu Schalke zu wechseln, hat er bisher nicht begründet. In der vorigen Saison - seiner ersten im Profifußball - bestritt er beeindruckende 32 Punktspiele für den VfL, er hat wesentlich dazu beigetragen, dass die Mannschaft im Schlussspurt den drohenden Abstieg abwendete. "Bei normaler Weiterentwicklung steht ihm eine Weltkarriere bevor", hat Trainer Neururer am Montag zum wiederholten Male verkündet.

Allen anderslautenden Beteuerungen zum Trotz hat sich daher auch niemand beim VfL gewundert, als die Nachricht kam, dass Goretzka schon in diesem Sommer zu Schalke wechseln möchte. "Dann ist er wohl weg", sagte der VfL-Finanzvorstand Ansgar Schwenken trocken.

Schalke übermittelte zum gegebenen Termin ein Transferangebot und setzte dabei voraus, Goretzka für eine festgeschriebene Ablösesumme von 2,75 Millionen Euro übernehmen zu dürfen. Hinzu käme eine Beteiligung für den VfL im Falle des Weiterverkaufs. Aber diese erste, eher formelle Annäherung des großen Nachbarvereins wiesen die Bochumer zurück, und im Zuge der Schalker Bemühungen um eine gütliche Lösung wurde das Gesprächsklima eher schlechter als besser. Vermittlungsversuche gab es auf verschiedenen Ebenen, bislang vergeblich.

Zwar räumen die Verantwortlichen des VfL ein, dass sie Goretzkas Verkauf nicht prinzipiell ablehnen, aber die Vorstellungen über die Entschädigung lägen weit auseinander, bekräftigten die Verantwortlichen des VfL in den vergangenen Tagen. Der neue Sportchef Christian Hochstätter erklärte der Welt: "Wir hoffen, dass wir schnell Ruhe reinbekommen in dieser Angelegenheit. Wir möchten nicht, dass der Spieler beschädigt wird."

Dieser Wunsch wird sich nun allerdings kaum noch erfüllen lassen. Die Atmosphäre ist giftig. Viele VfL-Fans sind aufgebracht, die Beteiligung des Rivalen Schalke erhitzt die Gemüter. Zwar erschien Goretzka wie geheißen zum Trainingsstart des VfL am Montag, aber in Anbetracht des großen Publikums- und Medieninteresses ordnete Trainer Neururer ein Einzeltraining an.

So oder ähnlich könnte es noch ein paar Tage weitergehen, bis zum 30. Juni gilt das Vertragsverhältnis auf jeden Fall. Aber Goretzka wird nicht mehr für den VfL spielen, heißt es auf Schalke, "er ist enttäuscht und zieht das durch".

Es gilt zwar als wahrscheinlich, dass sich die Klubs noch einigen, bevor es wirklich vor Gericht geht, aber bereits jetzt ist die Beziehung zwischen Leon Goretzka und dem VfL Bochum eine weitere geplatzte Romanze im Profifußball.

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