Fußball-Bundesliga:Leipziger Fragezeichen lösen sich auf

RB Leipzig - Darmstadt 98

Die Leipziger (von links) Emil Forsberg, Yussuf Poulsen und Naby Keita feiern das 4:0.

(Foto: Jan Woitas/dpa)
  • RB Leipzig siegt 4:0 gegen Darmstadt und nimmt wieder Kurs auf die Champions League.
  • Der Ersatztorwart, der sonst nie spielt, lässt den Fanblock toben.
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Von Cornelius Pollmer, Leipzig

In schwächeren Zeiten neigen Vereine und ihre Fans dazu, die Vergangenheit anzurufen, um etwas Kraft aus tausendfach tradierten Erzählungen zu ziehen. Damit gleich willkommen in der Gegenwart dieses Samstags in Leipzig, der mit zwei Fragen an die jüngere Vergangenheit des Vereins begann. Durfte man nach drei sieglosen RB-Spielen vor der Partie gegen den noch auswärtspunktlosen SV Darmstadt 98 schon von schwächeren Leipziger Zeiten sprechen, gar von einem Tief? Und wenn RB die Vergangenheit anrufen würde, wer ginge da eigentlich ans Telefon?

Auf das erste Fragezeichen war hauptsächlich zu antworten, dass RB-Trainer Ralph Hasenhüttl vor der Partie die Sieglos-Serie so schamlos wie klug reguliert, weil relativiert hatte. "Wir wollen aus einer sehr guten Saison eine überragende machen", hatte Hasenhüttl gesagt und damit implizit schon mal den worst case als immer noch sehr gut gelobt. Früher nannte man so etwas beschwichtigen, heute nennt man so etwas Erwartungsmanagement.

Die Leipziger Fans freuen sich über die Torwart-Rochade

Zum zweiten Fragezeichen: Schon beim Warmlaufen tobte der RB-Block ein erstes Mal, als 1,97 lebende Meter Symbolkapital auf dem Rasen aufliefen. Wegen einer Grippe fehlte Etat-Keeper Péter Gulácsi, Ersatzmann Müller wiederum hatte Aua im Ellbogen, und so kam in Fabio Coltorti ein in Leipzig aus vielen Gründen geliebter Torwart zu seinem ersten Erstliga-Einsatz, man muss mal wieder sagen: "ausgerechnet". In drei Ligen hat RB schon gegen Darmstadt gespielt, zur anrufbaren Vergangenheit des Vereins zählt ein legendäres Duell gegen Darmstadt in Liga zwei, als Coltorti kurz vor Schluss das entscheidende Feldtor erzielte und RB damit im Aufstiegsrennen hielt.

Diesen hervorragenden atmosphärischen Rahmen nutzte RB in der ersten Viertelstunde und zeigte exakt das frühlingsfrische Offensivspiel, mit dem es Platz zwei der Liga erreicht hat und das zuletzt so plötzlich verloren gegangen war. Allein in den ersten fünf Minuten segelten die Hereingaben so zahlreich durch den Darmstädter Strafraum, dass man mit dem Zählen gar nicht mehr nachkam. Die Versuche Emil Forsbergs wurden auf tüchtige Weise fast wütend, und dieser Tüchtigkeit folgte das Glück eines Blocks, der einen seiner Schüsse zu einer Gauß'schen Glockenkurve ableitete. An deren Ende rauschte im Strafraum Naby Keita heran, es folgte ein sanfter Dropkick, unhaltbar ins Eck, was einen Salto der Tor-Kamera provozierte (12. Minute).

Nach der Führung zerfasert das Spiel des Tabellenzweiten

Eine Gelegenheit, sich mit dem Spiel Darmstadts auseinanderzusetzen, hatte es bis dahin nicht gegeben, in der Zeit danach bot Leipzig den Gästen dafür aber umso mehr Angebote. Nach der Führung zerfaserte das Spiel von RB - in der Offensive personalisiert durch einen extrem bemühten und extrem unglücklich agierenden Oliver Burke. In wirklich noch die aussichtsloseste Situation stürzte sich Burke mit heißem Bemühen, aber selbst wenn er mal nur sachte und kurz angepasst worden war, sah es dann doch wieder so aus, als sei er ohne eigene Teilschuld angeschossen worden.

In der Defensive Leipzigs personalisierte sich die Zerfaserung des Leipziger Spiels hingegen bei allen, also inklusive Coltorti, der einige Unsicherheiten zeigte, was aber nie zu Unruhe im Stadion führte. Selbst in der Szene kurz vor dem Halbzeitpfiff, als Darmstadts Fabian Holland frei vor dem Tor auftauchte. Aber es schien ihm selbst wie noch dem letzten Zuschauer schon vor Abschluss klar zu sein: wird wieder nichts. Und so geschah es.

Die Dominosteinchen rattern

Bis zur 60. Minute hatte Darmstadt immer wieder gute Ansätze im Offensivspiel; allein, es fehlte an Glück und Zutrauen und offenbar auch an Vermögen. Insofern stimmte es zwar irgendwie, wenn Trainer Torsten Frings nach dem Spiel sagte, der Sieg Leipzigs sei für seinen Geschmack zu hoch ausgefallen und das 2:0 durch Forsberg in der 60. glücklich, weil abgefälscht - es stimmte insofern aber auch nicht, als Leipzig nach fortsetzend nervösem Beginn in der zweiten Hälfte allmählich wieder ins Spiel fand und dem 2:0 Forsbergs eben auch eine feine Körperdrehung des Schützen vorausgegangen war.

Der Rest? Eine gleichmäßig ratternde Kette aus Dominosteinchen. Auf das 2:0 folgte noch listigeres Anlaufen der Leipziger mit nun wieder mehr Sicherheit; dann: eine klare gelbrote Karte gegen Darmstadts Sirigu (72.); und schließlich ein ungetrübter Doppelschlag: Orban (79.) und abermals Keita (80.) beendeten das Zwischentief Leipzigs, was ja vielleicht auch nur eine schwächere Phase gewesen war.

Zu den Kuriositäten dieses so sonnigen Leipziger Tages zählte, dass der zuweilen unsichere Coltorti in der Statistik nun ein Coltorti mit null Gegentoren in der Bundesliga ist. Der Nachmittag hätte, sagte Hasenhüttl nach der Partie, zwar auch 8:4 oder 7:3 enden können - so aber habe man wenigstens mal wieder zu Null gespielt: "Glückwunsch Fabio". Die Leipziger Fragezeichen, sie haben sich vorerst aufgelöst.

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