FC Bayern vs RB Leipzig:Der Geist aus der Dose

Karlsruher SC v RB Leipzig  - 2. Bundesliga

Fordert die Bayern schon zum zweiten Mal heraus: Ralf Rangnick.

(Foto: Matthias Hangst/Bongarts/Getty Images)

Von Christof Kneer

Mit Uli Hoeneß wäre das nicht passiert. Uli Hoeneß wäre niemals wie Ralf Rangnick hinunter auf den Rasen gelaufen, niemals hätte er dem Schiedsrichter auf dem Weg in die Kabine eine Spielszene auf seinem Handtelefon vorgespielt. Dies liegt allerdings weniger an Uli Hoeneß, eher an den dazugehörigen Handtelefonen, die in Hoeneß' Besitz immer leicht beleidigt sind, weil sie sich so unterfordert vorkommen. Hoeneß telefoniert mit seinen Telefonen, aber er sieht nicht ein, warum er all die anderen Funktionen brauchen sollte. Er hat sie ja auch nicht gebraucht, als er seinen Verein groß gemacht hat.

Hat er jemals einem Dax-Vorstand eine Whatsapp schicken müssen, um ihn für eines der Klubgremien zu gewinnen? Hat er jemals Jupp Heynckes die Qualitäten eines Spielers als Bewegtbild auf einem Telefon vorgeführt? Also.

Allerdings hätte es Hoeneß ebenso wenig wie dem Filmvorführer Rangnick gefallen, wenn der Schiedsrichter einfach einen Elfmeter für seine Mannschaft zurücknimmt. Aber wie man Hoeneß kennt, hätte er dem Schiedsrichter kein Handy hingehalten, sondern ein Faxgerät.

Ein Feind ist Leipzig für Hoeneß nicht

Uli Hoeneß, 65, und Ralf Rangnick, 59, sind sehr unterschiedlich, aber nicht in allem. Es eint sie ein treibender Ehrgeiz sowie der Besitz von eigentlich verschreibungspflichtigen Mengen Herzblut. Allerdings investiert Hoeneß sein Herzblut seit Anbeginn der Zeit in denselben Klub, während Rangnick da etwas flexibler ist. Er investiert sein Herzblut in Ralf-Rangnick-Projekte - wie aktuell in RB Leipzig, jenen Klub, der Hoeneß zunehmend Bauchzerbrechen bereitet.

Am Wochenende begegnen sie sich in der Bundesliga wieder, der Traditionsklub aus Bayern und der Klub aus Leipzig, der auch mal ein Traditionsklub sein wird, wenn man nur lang genug wartet. Vor drei Tagen haben die Bayern im Pokal mit einem Sieg per Elfmeterschießen bewiesen, dass sie immer noch besser sind, jedenfalls nach ihrer klubeigenen Logik. Nach dem Spiel hat Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge aber gesagt, man müsse vor RB Leipzig "einfach Respekt" haben, der Klub tue der Bundesliga gut. Die Liga könne froh sein, RB zu haben.

Nach Siegen lässt sich besonders versiert gönnen, dennoch darf man die bayerischen Ehrerbietungen im vorliegenden Fall ernst nehmen. Zwar wird Uli Hoeneß die Leipziger schon deshalb nicht zum Feind erklären, weil er mit Dietrich Mateschitz, dem Hersteller dieses Klubs, in München eine Halle bauen will, in der auch Münchens Basketballer spielen sollen. Aber das ist es nicht allein. Die Bayern spüren, dass sie im Moment dringend mal wieder einen frischen, zur Not auch aus einer Dose entwichenen Geist brauchen, der sie inspiriert und antreibt - wie in der Zeit um 2012, als die Dortmunder unter Jürgen Klopp auffallend lästig wurden.

Die Bayern haben damals auf bewährte Art reagiert, indem sie kampfeslustig 40 Millionen Euro für Javi Martínez auf den Tisch knallten; aber sie haben auch irgendwie gefühlt, dass der Erfolg des BVB auf einer klaren fußballerischen Idee basiert. Auch deshalb betrieben die Bayern bereits im Winter 2012 die Verpflichtung Pep Guardiolas, der wie kein Zweiter für eine klare fußballerische Idee steht.

Der FC Bayern - ein großer, schwerer Tanker

Der FC Bayern ist ein großer, schwerer Tanker, und die Kapitäne sind ausdrücklich und oft ja sogar zu Recht der Meinung, dass sie nicht jede Wendung mitmachen müssen, die die kleineren, mit innovativen Antrieben ausgestatteten Schnellboote um sie herum vollführen. Die Bayern glauben aus tiefstem Bauch ans "Mia san mia", und am wohlsten fühlt sich Hoeneß immer noch, wenn es so kommt wie am Mittwochabend. Wenn ein Gegner frech wird und man diesem Gegner am Ende zeigen kann, wo der Uli die Wurscht holt.

Aber irgendwo, in einer unter dem "Mia-san-mia"-Stolz gelagerten Bewusstseinsschicht, nehmen die Münchner natürlich wahr, wenn sich die Welt jenseits der Säbener Straße weiterentwickelt. Sie haben das neumodische Gewese rund um die WM 2006 zwar gern verspottet, man brauche bald Gelenkbusse, wenn man jetzt noch Yogalehrer und Osteopathen einstellen müsse, witzelte Hoeneß damals. Aber sie haben 2008 dann doch den unternehmensberaterartigen Jürgen Klinsmann verpflichtet, nicht mit voller Überzeugung, aber doch aus dem Gefühl heraus, dass da irgendein Trend in der Branche gerade an ihnen vorbeiläuft. Und als Klinsmann und die Bayern nicht glücklich miteinander wurden, gab es bereits einen anderen Mann, der die spielergläubigen Bayern-Bosse an den Wert einer eigenständigen Trainer-Idee erinnerte.

Der Mann war Trainer in Hoffenheim, und er hieß Ralf Rangnick.

Er hat die Bayern nie trainiert, aber sie geärgert

Es gab mal eine Zeit, da hat Rangnick wie so viele begabte Trainer im Land damit gerechnet, dass ihm spätestens morgen ein Bayern-Angebot ins Haus kommt. Es kam nie. Rangnick war den Bayern immer irgendwie suspekt mit seinem radikalen Spielstil und seinem radikalen Perfektionismus, aber mit ein paar Jahren Abstand darf man behaupten, dass Rangnick so etwas wie der heimlichste Bayern-Trainer geworden ist. Er hat die Bayern nie trainiert. Aber er hat sie wie Klopp geärgert und ihnen Aufgaben gestellt; und er hat indirekt ihre Vereinspolitik beeinflusst. Auch weil Rangnicks hippe Hoffenheimer im Winter 2008 vor den Bayern lagen, haben die Bayern bald darauf Louis van Gaal geholt - einen Trainer, der sich viel darauf einbildet, konzeptionell zu arbeiten und nicht nur Spieler aufzustellen.

Ein knappes Jahrzehnt später muss Rangnicks Erfolg, diesmal als Sportchef in Leipzig, wieder wie eine Provokation auf die Bayern wirken. Mit teuren, aber zuvor unbekannten Neuen wie Upamecano oder Augustin, die Rangnick gerne seine "Blue Chips" nennt, sind die Leipziger ernsthaft entschlossen, die Liga spannend zu machen - aktuell zeichnet sich inklusive Dortmund ein Dreikampf um den Titel ab. Und dieses Szenario reicht schon, um die Bayern aus ihrer Komfortzone zu zwingen. Die in die Jahre gekommene Elf wird unter Anleitung von Jupp Heynckes trotzig ihre Restenergie aktivieren, und die Bosse werden sich nun bei der Suche nach einem neuen Trainer endgültig an modernen Jobprofilen orientieren.

Am Freitag kam übrigens noch die Nachricht, dass die Bayern den Schweden Alex Timossi Andersson verpflichtet haben. Der junge Mann ist kein Star, völlig unbekannt und erst 16 Jahre alt. Er soll Bayerns Profikader ab 2019 verstärken. Ein "Blue Chip" etwa? Das wäre dann tatsächlich: klassische Ralf-Rangnick-Politik.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: