Leichtathletik-WM in Berlin:Wüster Angriff gegen Dopingopfer

Der deutsche Diskuswerfer und Medaillen-Anwärter Robert Harting sorgt für einen Eklat - nicht zum ersten Mal in den vergangenen Wochen.

Thomas Hahn, Berlin

Der Diskus ist Robert Hartings Freund in diesen Tagen, und das hat sich am Dienstag in der Qualifikation zum Finale der Diskuswerfer so geäußert, dass der deutsche WM-Zweite von 2007 den Aufstieg schnell und schmerzlos schaffte. Ein Wurf, ein zufriedener Blick - schon stand Robert Harting vom SCC Berlin mit Tagesbestweite von 66,81 Metern im Endkampf am Mittwoch, den große Medaillen-Hoffnungen seines Verbandes DLV begleiten werden.

Leichtathletik-WM in Berlin: Diskuswerfer Robert Harting sorgte mit einer Aussage über die DDR-Dopingopfer für einen Eklat.

Diskuswerfer Robert Harting sorgte mit einer Aussage über die DDR-Dopingopfer für einen Eklat.

(Foto: Foto: dpa)

Dieser Auftritt war das, was Leichtathleten einen perfekten Vorkampf nennen, und deswegen hatte es schon seine Richtigkeit, dass Robert Harting sich wenig später mit beträchtlichem Selbstbewusstsein der Presse stellte. "Die Qualifikation ist ja nur der Weg, wenn man etwas erreichen will", sagte er, "das sollte kein Thema sein." Er wirkte sehr entspannt, locker plauderte er weiter - und ein handfester Eklat nahm seinen Lauf.

Robert Harting, 24, befindet sich gerade in einer Phase der Selbstvermarktung, die seine Sportler-Karriere auf Jahre hinaus belasten könnte. Denn die Lust an der Schlagzeile hat ihn offensichtlich so sehr gepackt, dass er die Inhalte seiner Wortbeiträge nicht mehr bedenkt. Kürzlich erst dachte er in einem Interview laut darüber nach, ob die Freigabe des Dopings nicht eine Lösung für die Manipulationsgefahr im Sport sei. "Dann würde sich zumindest niemand mehr darüber aufregen."

Und zum WM-Auftakt nahm er sich seinen Verband vor. "Leute wie unseren Präsidenten Clemens Prokop und Generalsekretär Frank Hensel brauchste eigentlich nicht", berlinerte er in Bild, "die sind seit über fünf Jahren im Amt, passiert ist aber nichts." Führungsschwäche warf er den Granden vor. "Die sitzen doch nur alle rum. Außer Mallow (DLV-Sportdirektor Jürgen Mallow; d. Red.) arbeitet da wohl keiner."

Nach seiner erfolgreich beendeten Dienstagsschicht schien es zunächst, als habe sich Harting besonnen. "Das Problem ist, dass ich langsam die Kraft der Worte unterschätze", sagte er, als ihn jemand nach seinen jüngsten verbalen Ausbrüchen fragte. Ehe er seine Polemik auf den Verband doch wieder aufgriff: "Das ist nicht gelogen, das ist die Wahrheit. Die Leute, die die Sachen vor den Kopf kriegen, sollen sich darüber auch mal Gedanken machen."

Und dann widmete er sich seinem nächsten Thema: Jenen früheren Sportlern, die im staatlichen Dopingsystem der DDR teilweise schwerste gesundheitliche Schäden von der verordneten Muskelmast davongetragen haben, und ihrem Kampf um mehr Bewusstsein für das Thema Doping bei dieser WM.

Wie reagiert der DLV?

Unter anderem verteilen die staatlich anerkannten Dopingopfer, die im Verein DOH organisiert sind, Pappbrillen an die Zuschauer, die sie vor dem Anblick gedopter Sportler bewahren sollen. Es ist ein Gag im Sinne eines sauberen Sports, der Versuch, einen Kontrapunkt zu setzen zur eitlen Sportshow auf der blauen Bahn des Olympiastadions. Aber das kommt bei Robert Harting offensichtlich nicht an, der ein Schüler des früheren DDR-Trainers Werner Goldmann ist, der wiederum der frühere Coach von heutigen Dopingopfern ist.

"So schwachsinnige Sachen" wie die Brillen-Aktion verstehe er nicht, sagte Robert Harting, und dann unterlief ihm jener in grober Grammatik gehaltene Satz, der nicht nur den Respekt vor dem Anliegen der Dopingopfer vermissen ließ. Sondern auch ein ziemlich unangenehmes Aggressionspotential bei dem 2,01 Meter großen Werfer aufzeigte: "Wenn der Diskus aufkommt, soll er gleich gegen die Brillen springen, damit die wirklich nichts mehr sehen."

Am späteren Nachmittag folgte eine Presse-Mitteilung des DLV zu dem Vorfall. Demnach habe Harting in einem Gespräch mit dem DLV-Vize Eike Emrich seine Aussagen damit erklärt, "dass die Anspannung des Qualifikations-Wettkampfes nachgewirkt und zu unakzeptablen Äußerungen geführt hatte".

Aber da war der fatale Satz längst in der Welt und DLV-Präsident Clemens Prokop durchaus verärgert. Prokop hatte schon Hartings Erwägung, Doping freizugeben, empfindlich getroffen, weil eine hohe Antidopingmoral zu den Grundsätzen seiner Sportpolitik gehört, die er immer wieder mit klaren und im deutschen Sport ungern gehörten Plädoyers für ein scharfes Antidopinggesetz untermauert.

Jetzt verkniff Prokop sich einen tiefer greifenden Kommentar, wohl auch, um Hartings Medaillenchance für das DLV-Team nicht zu gefährden. Zumal Harting als Berliner vor heimischer Kulisse antritt. "Der soll jetzt seinen Wettkampf machen", sagte Clemens Prokop, "alles, was er an Kommentaren äußert, nehme ich nicht ernst."

Aber ohne Nachspiel wird das misslungene Schlagzeilen-Spektakel des Werfers Robert Harting wohl kaum bleiben. Nach der WM soll es zunächst ein weiteres Gespräch zwischen dem Sportler und der Verbandsführung geben.

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