Leichtathletik:Schwedische Gala-Vorstellung

Gleich drei Goldmedaillen gingen in den ersten Wettkampftagen an Athleten aus dem Königreich: Carolina Klüft holte die Krone im Siebenkampf, Kristian Olsson im Dreisprung und Stefan Holm im Hochsprung.

Justin Gatlin ist der neue König der Sprinter-Welt. Der 22 Jahre alte Amerikaner eroberte beim Höhepunkt der olympischen Leichtathletik in 9,85 Sekunden das 100-m-Gold und ließ sich mehr als 70.000 Zuschauern in Athen minutenlang feiern. Silber gewann in Europarekordzeit von 9,86 ähnlich überraschend Francis Obikwelu für Portugal. Nur Bronze gab es in 9,87 für Maurice Greene (USA), der daran scheiterte, als erster Läufer neben Carl Lewis (1984/88) einen Olympiasieg auf der klassischen Sprint-Distanz zu wiederholen.

Leichtathletik: Gestatten, die schnellste Frau der Welt: Julia Nesterenko aus Weißrussland.

Gestatten, die schnellste Frau der Welt: Julia Nesterenko aus Weißrussland.

(Foto: Foto: AP)

Am Vortag hatte überraschend die Weißrussin Julia Nesterenko in 10,93 als Sprint-Queen die Nachfolge von Marion Jones (USA) angetreten. Der Marathon-Triumph der Japanerin Mizuki Noguchi nach dem Ausstieg der britischen Favoritin Paula Radcliffe und der erste Dopingfall um eine Olympiasiegerin seit dem Fall Ben Johnson 1988 in Seoul standen ebenfalls im Blickpunkt. Während Kugelstoßerin Irina Korschanenko vor der lebenslangen Sperre steht, gewann ihre russische Teamkameradin Natalja Sadowa mit 67,02 m den Diskuswurf.

Schwedens Team feierte den größten olympischen Triumph seiner Geschichte. Am Tag nach dem Siebenkampf-Sieg von Carolina Klüft mit 6952 Punkten gewannen auch Weltmeister Kristian Olsson mit 17,79 m im Dreisprung Gold und Stefan Holm im Hochsprung mit Einstellung seiner Jahres-Weltbestleistung von 2,36 m. Im Hammerwurf siegte Ungarns Europameister Adrian Annus mit 83,19 m.

Ausfallquote von 50 Prozent bei den Deutschen Athleten

Deutschlands Leichtathleten beklagen das 400-m-Desaster von Ingo Schultz und eine Ausfallquote von über 50 Prozent in Runde eins. Die Startbilanz des 77-köpfigen Teams liest sich eher ernüchternd, obwohl Kugelstoßerin Nadine Kleinert (Magdeburg) nun auf den Silberrang rückt: 9 von 17 Frauen blieben beim ersten Auftritt auf der Strecke, bei den Männern 7 von 15. In der Addition also 16 von 32 Athleten. "Eine Ausfallquote von 50 Prozent wie beim WM-Desaster 1995 in Göteborg wird es am Ende nicht geben, sie wird auf rund 30 Prozent sinken. Unsere Ziele sind noch erreichbar: Platz drei in der Nationenwertung mit 80 Punkten und mindestens vier Medaillen", sagt der nach Athen scheidende Cheftrainer Bernd Schubert.

Medaillenchancen wurden bisher nicht in den Sand gesetzt - ungeachtet der Tatsache, dass sich Ingo Schultz in selten erlebter Selbstüberschätzung ohne Not in den Favoritenkreis geredet hatte. Äußerungen wie: "Ich möchte nicht mein Gegner sein", oder: "Ich werde meine Saisonbestleistung auf alle Fälle steigern", machen deutlich, dass Schultz der Sinn für die Realitäten abhanden kam.

Statt "unter 45,07", lief er als Siebter in 46,23 schwächer als beim WM-Desaster 2003, das er später auf Pfeiffersches Drüsenfieber zurückführte. Realitätsnäher klang später dies: "Das war indiskutabel. Nun muss ich mir Gedanken machen, wie es weiter geht. Aber an Aufhören denke ich nicht. Bis zur Staffel kriegen wir das schon wieder hin." Lars Riedel hatte zuvor mit 64,20 m souverän das Finale der Diskuswerfer am Montag erreicht und meinte acht Jahre nach Atlanta-Gold und vier Jahre nach Sydney-Silber: "Vielleicht rutscht einer der Jungs da vorn aus, dann wird es doch was mit Bronze."

Auch der 2,07 m lange Rostocker Torsten Schmidt überstand mit 63,40 m die Qualifikation. Nur Michael Möllenbeck, WM-Dritter von 2001, blieb nach Problemen mit entzündeter Hüftmuskulatur hängen. Von drei Hürdensprinterinnen erreichte Kirsten Bolm die zweite Runde, Nadine Hentschke (ebenfalls Mannheim) und Juliane Sprenger (Kreuztal) scheiterten. Im 100-m-Zwischenlauf war Endstation für Alexander Kosenkow (Wattenscheid), Sechster in 10,24. Im 400-m-Hürden-Halbfinale schied Ulrike Urbansky (Erfurt) aus. Im Stabhochsprung kam nur Silke Spiegelburg (Lengerich) ins Finale am Dienstag. Wie Sydney-Olympiasiegerin Stacy Dragila (USA) scheiterten überraschend Carolin Hingst (Mainz) und Floe Kühnert (Leverkusen).

Marathon-Drama für Paula Radcliffe

Der Marathon auf der klassischen Strecke über 42,195 Kilometer ins alte Olympiastadion wurde zum Drama für die britische Weltrekordlerin Radcliffe, die bei Kilometer 36 tränenüberströmt ausschied. In 2:26:20 Stunden rettete sich die WM-Zweite Noguchi 12 Sekunden vor der kenianischen Weltmeisterin Catherine Ndereba ins Ziel. Bronze empfing in 2:27:20 überraschend die Amerikanerin Deena Castor. Luminita Zaituc (Braunschweig) wurde 18. in 2:36:45 und Ulrike Maisch (Rostock) kam nicht ins Ziel.

Das spannungsgeladene Sprint-Finale der Frauen endete erstmals seit 1984 nicht mit einem USA-Sieg. In Abwesenheit der bei den Trials gescheiterten Marion Jones, der wegen Dopings gesperrten Weltmeisterinnen Kelli White und Torri Edwards sowie der verdächtigen Sydney-Zweiten Ekaterini Thanou (Griechenland) nutzte die 25 Jahre alte Außenseiterin die Gunst der Stunde. Im Halbfinale war Gail Devers (USA) gescheitert, die auch ihre letzte Chance auf erstes Hürden-Gold vergab. 100-m-Silber gewann Lauryn Williams (10, 96).

Carolina Klüft verpasste am Ende den 15 Jahre alten Europarekord (7007), den sie im Vorjahr schon gestreift hatte (7001). Die Neubrandenburgerin Sonja Kesselschläger wurde Sechste mit Bestleistungen von 6287 Punkten sowie mit Kugel (14,53) und im Weitsprung (6,42). Mit 6155 Zählern 12. wurde Claudia Tonn (Paderborn), nur 17. Karin Ertl (Fürth/6095). Das Hammerwurf-Finale verpassten Ex-Weltmeister Karsten Kobs mit 76,30 m (9.) und Klubkamerad Markus Esser (12.).

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