Leichtathletik:Pillen im Taschenbuch

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Wundertrainer? Auf den Leistungen von Alberto Salazar (Mitte) liegt längst ein langer Schatten. (Foto: Yeon-Je Jung/AFP)

Der amerikanische Lauftrainer Alberto Salazar gerät unter schweren Dopingverdacht. Im Fokus steht Galen Rupp, Salazars Musterschüler.

Von Johannes Knuth

Vor knapp drei Jahren stand der Manager Jos Hermens im Bauch des Olympiastadions von London. Er war sauer. Kenenisa Bekele war gerade als Vierter ins Ziel getrudelt, im olympischen Rennen über die 10 000 Meter. Sein Kenenisa, dreimaliger Olympiasieger, nur Vierter! Weil ihm der äthiopische Verband eine unnötige Qualifikationshatz auferlegt habe, schimpfte Hermens. So hatte Bekele doch keine Chance gegen den Briten Mo Farah und den Amerikaner Galen Rupp, gegen die zwei prominentesten Mitglieder eines privat finanzierten Sportprojekts, die gerade allen davongelaufen waren. Womit eine mächtige Botschaft verknüpft war: Man kann die von der Natur bevorteilten Läufer aus den Hochebenen Afrikas schon schlagen. Man muss nur den technologischen Fortschritt ausreizen.

Drei Jahre später ist diese These nicht mehr ohne weiteres zu halten. Alberto Salazar, Trainer von Rupp und Farah sowie Kopf des vom Sportartikel-Unternehmen Nike finanzierten "Oregon Projects", soll seinem Musterschüler Rupp anabole Steroide verabreicht haben. Das berichten die BBC und der amerikanische Recherchedienst Pro Publica. Salazar habe demnach auch anderen Athleten empfohlen, ihre Leistung mit Asthmasprays, Schilddrüsenmedikamenten und Testosteron zu steigern. Womit nach den jüngsten Vorfällen in Russland und Kenia womöglich die nächste Dopingwelle auf die Leichtathletik zurollt.

Alberto Salazar, 56, gewann drei Mal den New-York-Marathon, er wollte sich nie mit der Dominanz ostafrikanischer Läufer abfinden. 2001 entstand das "Oregon Project", Nike gab das Geld, Salazar die Ideen. Er ließ seine Athleten mit Unterwasser-Laufbändern trainieren, unterzog sie Diagnostik per Computer, wertete Laufstile biomechanisch aus, ließ sie im Unterdruckzelt schlafen, damit der Sauerstoff im Blut besser transportiert wird. Als würde Salazar sich seine Sieger im Labor heranzüchten. Natürlich frei von Doping, wie er beteuerte.

Das Bild, das BBC und Pro Publica nun malen, zieht das in Zweifel. Sie haben rund ein halbes Dutzend ehemalige Mitglieder des Projekts interviewt. Sie zitieren einen ehemaligen Läufer, der berichtet, wie ihm ein Doktor Salazars Mikrodosen an Testosteron verschrieben habe, in einer Form also, die wirksam, aber kaum nachweisbar ist, wie eine Studie in Frankreich zuletzt belegte. Steve Magness, ein ehemaliger Mitarbeiter Salazars, berichtet, wie er Rupp 2011 zu einem Wettkampf nach Düsseldorf begleitete, wie Magness von Salazar ein Päckchen mit einem Taschenbuch erhielt, zwischen den Buchseiten waren zwei Pillen festgeklebt, die Rupp schluckte. Und Magness zeigt Bilder von einem Dokument von 2002, unter den Initialen "G. R." steht: "Nimmt derzeit Testosteron-Medikation." Rupp war damals 16.

Salazar und der zuletzt seltsam langsame Rupp wehrten sich unisono: Nein, sie hätten nie gedopt. Auch Farah bestritt jegliches Fehlverhalten, obwohl die Berichte ihn nicht beschuldigen. Der für die Beschriftung zuständige, mittlerweile verstorbene Arzt habe damals an der Nervenkrankheit ALS gelitten und wohl etwas verwechselt. Ach ja, sagte Salazar noch, bei der "Testosteron-Medikation" habe es sich um die legale Substanz "Testoboost" gehandelt. Die amerikanische Anti-Doping-Agentur Usada wollte sich nicht äußern. Laut BBC hat sie aber bereits ehemalige Athleten Salazars interviewt.

© SZ vom 05.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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