Leichtathletik:Mit Rechtsdrall

Leichtathletik: Christoph Harting.

Christoph Harting.

(Foto: Fabrice Coffrini/afp)

Diskus-Olympiasieger Christoph Harting droht die Weltmeisterschaft zu verpassen. Ihm bleibt nur noch ein Anlauf: die deutschen Meisterschaften in Erfurt.

Von Joachim Mölter, Erfurt

Es sah dramatisch aus, was die Fachzeitschrift Leichtathletik neulich auf der Titelseite druckte: Ein Bild von Christoph Harting mit der Schlagzeile "Sorgenkind". Der Diskus-Olympiasieger von Rio 2016 packt die WM-Norm für London 2017 nicht, die 65 Meter, die der Deutsche Leichtathletik-Verband für die Entsendung verlangt. Bei seiner Saisonbestleistung fehlten Harting immer noch 87 Zentimeter. Die letzte Gelegenheit hat er nun an diesem Wochenende bei den deutschen Meisterschaften in Erfurt. "Sorgen mache ich mir keine", beschwichtigt Jürgen Schult, der Leitende Bundestrainer für Wurf und Stoß, "ich mache mir Gedanken." Mit Recht, denn die Fallhöhe ist enorm: Einen Olympiasieger, der im Jahr darauf nicht gut genug ist, um bei der Weltmeisterschaft mitzumachen, gibt es selten.

Die Zwei-Kilo-Scheibe flutscht deutschen Diskuswerfern generell nicht so leicht aus der Hand wie im vorigen Sommer, als sie die Helden des Verbandes waren: Christoph Harting, 27, als Olympiasieger, der gleichaltrige Wattenscheider Daniel Jasinski als Bronzegewinner hinter dem Polen Piotr Malachowski. Jasinski hat sich im Trainingslager einen Infekt zugezogen, der ihn schwächt - es ist fraglich, ob er in Erfurt antritt. "Dumm gelaufen", sagt Schult, 57: "Das ist nicht die Saison, die wir und die Athleten uns erhofft haben."

Was vor allem für Christoph Harting gilt. Der hat einerseits erzählt, es ruhiger angehen zu lassen, den Trainingsumfang zu reduzieren, um Kraft für die Jahre bis Olympia 2020 zu schöpfen. Andererseits sagte er auch: "Unter einer Medaille muss ich mir meine Zielstellung nicht setzen" bei der WM; sogar vom Titel redete er. Mit dem Widerspruch schien Harting zurechtzukommen, Schult fand jedenfalls: "Im Trainingslager im April sah alles gut aus."

Doch dann, in den Wettkämpfen, schlich sich ein technischer Fehler ein, eine Art Rechtsdrall. "Seine Würfe gehen rechts ins Netz oder rechts aus dem Sektor raus", hat Schult beobachtet: "Ich glaube aber, dass er das geregelt kriegt." Zumindest hat sich Harting mit seinem Trainer Torsten Linnförs zum Üben zurückgezogen, nach einer recht eigenwilligen Wettkampfserie: Mitte Juni war Harting innerhalb von vier Tagen dreimal angetreten, zwischen den Diamond-League-Meetings in Oslo und Stockholm machte er einen Abstecher nach Dessau. Die Ergebnisse gingen dabei eher nach unten.

Nun sagt sein Trainer Linnförs: "Er ist hoch motiviert und hat ja schon gezeigt, dass er in wichtigen Situationen abliefern kann." Ein Hinweis auf die Spiele von Rio, bei denen Christoph Harting das Gold mit seinem letzten Wurf gewann. Auch Schult ist zuversichtlich vor den Titelkämpfen in Erfurt: "Er weiß, dass er nur noch diesen einen Versuch hat. Und ich glaube, dass er die psychische Stärke dazu hat." Eine Hintertür gebe es nicht, versichert Schult: "Die 65 Meter muss er schon werfen. In den Nominierungsrichtlinien steht nichts drin, dass ein Olympiasieger Vorteile hat."

Die einzigen Zweifel streut derzeit Robert Harting, der fünf Jahre ältere Bruder und Olympiasieger von London 2012: "Er hat noch viel zu tun", befand er neulich vielsagend über seinen Nachfolger. Das Verhältnis der Hartings war und ist problematisch, wenn Robert über Christoph spricht, nennt er ihn nur: "der Olympiasieger". Womöglich hat das Comeback des Älteren in diesem Jahr den Jüngeren ein wenig aus dem Rhythmus gebracht. Robert Harting hat sich nach Hexenschuss in Rio und Knie-OP im Herbst zurückgemeldet mit 66,30 Metern und in Oslo und Stockholm seinen Bruder im direkten Vergleich in die Schranken gewiesen. In Erfurt treffen sie erneut aufeinander, Christoph Harting muss dieses Duell nicht gewinnen: Fürs Erste würde es reichen, wenn er die 65 Meter packt.

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