Leichtathletik:Die nächste Schönheitskur

Die Diamond League der Leichtathleten startet mit neuen Regeln in ihre achte Saison - und mit alten Problemen.

Von JOHANNES KNUTH, Doha/München

Die letzten Tage vor der neuen Saison waren betriebsam für den Dreispringer Christian Taylor: Training in Florida, Wettkampf im kühlen Iowa, wo die große Herausforderung vor allem darin bestand, keine Grippe davonzutragen, schließlich der Trip ins knapp 40 Grad warme Doha; am Freitag beginnt dort die Diamond League. Aber die Reise ins Emirat beschert Taylor zumindest ein bisschen Wellness fürs Gemüt. In Doha malte der Amerikaner vor zwei Jahren einen beeindruckenden Sprung in die schwüle Abendluft, 18,04 Meter, besser waren zuvor nur vier Kollegen gewesen. Seitdem pflegt Taylor zu Katars Hauptstadt eine "emotionale Verbindung", die auch nicht dadurch gekappt wird, dass die Organisatoren die Diamond League für dieses Jahr ziemlich umgebaut haben, die größte Meeting-Serie der Leichtathletik. "Es ist alles etwas riskanter", sagte Taylor am Donnerstag in Doha, aber mit Herausforderungen hält der 26-Jährige es ja ohnehin so: "Ich mag sie."

2017 European Athletics Indoor Championships - Day Three

Die Diamond League vor der Tür, die WM im Hinterkopf: Hallen-Europameisterin Ivana Spanovic.

(Foto: Alexander Hassenstein/Getty Images)

So kann man das natürlich auch sehen. Wer Herausforderungen sucht, wird bei den 14 Meetings der Diamantenserie ja verlässlich fündig. Eine bestand lange darin, das Punktesystem auf Anhieb zu verstehen, ohne Stochastik-Kenntnisse. Und die Herausforderung, die Vielfalt der Leichtathletik in einer Serie zu bündeln und einem Event- und Massenpublikum zu vermitteln, haben die Diamond-League-Macher bis heute nicht wirklich gemeistert. Die Disziplinen wechseln von Meeting zu Meeting, damit 32 Übungen einen Platz finden. Das führte nur oft zu unübersichtlichen Saisonverläufen. Die Hammerwerfer wurden vor sechs Jahren ganz aus dem Programm gekippt, sie müssen sich in der zweitklassigen, finanziell weniger attraktiven Challenge-Serie herausfordern. Angeblich wegen der Sicherheit. Im Vorjahr kürzten die Organisatoren Springern und Werfern die Versuche, um das Programm zu straffen, als Schönheitskur fürs TV. Die Regel wurde abgeschafft, nach Protesten. Dafür sind manche Disziplinen jetzt bei fünf Meetings im Angebot (statt sieben), 5000 Meter etwa, Speerwurf und Weitsprung. "Ich bin darüber nicht wirklich glücklich", sagt Hallen-Europameisterin Ivana Spanovic aus Serbien. Wer nicht gerade Usain Bolt heißt, nimmt in der Leichtathletik ja jede Verdienstmöglichkeit mit. Und jetzt?

In Deutschland ist die Top-Serie weiterhin nur im Bezahl-TV zu sehen

Beim Weltverband IAAF wirken sie durchaus glücklich, auch im achten Jahr ihrer Diamond League. Geschäftsführer Olivier Gers hofft gar auf "eine neue Ära für die Popularität der Serie". Aber so richtig zufrieden ist auch Gers nicht, ansonsten würde er nach der jüngsten Regelsanierung nicht noch weitere "Innovationen" verlangen. Das alte Format - eine Art Weltcup, der über alle 14 Meetings hinweg einen Gesamtsieger für jede Disziplin ermittelte - ist quasi einer kleinen Meisterschaft gewichen. Die Athleten sammeln bei den ersten zwölf Veranstaltungen Punkte, um sich einen der acht Plätzen für das Finale zu sichern, in Brüssel und in Zürich. Nur wer dort gewinnt, ist Gesamtsieger. Speerwurf-Olympiasieger Thomas Röhler, neben Diskuswerfer Christoph Harting einer der wenigen deutschen Kandidaten, sagte zuletzt der dpa: "Jetzt kann auch mal ein One-Hit-Wonder gewinnen." Dreispringer Taylor wiederum mag den Nervenkitzel, "ich denke, das verbessert das Format", findet er. Aber ob das reicht, um die Serie von ihrem Ruf als gehobenes Rahmenprogramm neben den Meisterschaften zu befreien?

Diamond League 2017

5. Mai Doha/Katar

13. Mai Shanghai

27. Mai Eugene/USA

8. Juni Rom

15. Juni Oslo

18. Juni Stockholm

1. Juli Paris

6. Juli Lausanne

9. Juli London

16. Juli Rabat/Marokko

21. Juli Monaco

20. August Birmingham

24. August Zürich (Finale)

1. September Brüssel (Finale)

Bei der IAAF verweisen sie auf höheres Preisgeld, auf allein drei Millionen Euro, die unter die Gesamtsieger gebracht werden; sie verweisen auf größeres Engagement auf den einschlägigen Video-Plattformen im Internet, auf gemischte Wettkämpfe in getrennter Wertung. Aber ob das mehr Aufmerksamkeit generiert, lässt sich wohl frühestens nach der aktuellen Saison sagen. In Deutschland, einem der wichtigsten Märkte, ist die Serie seit Jahren nur im Bezahlfernsehen zu sehen. Auch einen Titelsponsor gibt es nicht, was die IAAF auf Anfrage auf die anhaltenden Korruptionsermittlungen gegen ihren alten Präsidenten Lamine Diack schiebt. Man arbeite weiter an einer "klaren, transparenten Führungsstruktur", nur so könne man neue Partner begeistern. Der bislang letzte Sponsor schloss sich damals übrigens einem gewissen Usain Bolt an. Der Jamaikaner fühlt sich der Serie im Spätherbst seiner Karriere nicht mehr wirklich verpflichtet, in Doha fehlt er, vermutlich auch beim Saisonfinale. Nach der WM Mitte August will er seine Karriere stilllegen.

Dann bricht in seinem Sport in jedem Fall eine neue Ära an.

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